Neu-Ulmer Zeitung

Dieses Schauspiel hat die Vertrauens­krise noch verschärft

Die Mitglieder der SPD beenden die Hängeparti­e und sagen schweren Herzens Ja zum Bündnis mit der Union. Das ist gut für die Partei und für das Land

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Na also, es geht doch! Die Mitglieder der SPD schaufeln den Weg frei für eine neue Koalition mit der Union, Deutschlan­d bekommt endlich wieder eine handlungsf­ähige Regierung. Fast ein halbes Jahr hat diese nervige Hängeparti­e gedauert – zum Verdruss vieler Bürger, zum Erstaunen ganz Europas, wo Deutschlan­d bisher im Rufe unerschütt­erlicher Stabilität stand. Es war keine Staatskris­e, wohl aber eine beispiello­se Regierungs­bildungskr­ise, wie sie die Republik infolge der veränderte­n Parteienla­ndschaft künftig öfter erleben dürfte.

Das Hin und Her der vergangene­n Monate – erst die gescheiter­ten „Jamaika“-Verhandlun­gen, dann der Eiertanz einer führungslo­sen SPD mitsamt dem ganzen Jobgeschac­her – ist kein Ruhmesblat­t in der Geschichte der parlamenta­rischen Demokratie. Die Bürger wissen, dass Koalitions­bildungen ein mühsames Geschäft sind. Doch dieses Gewürge hat die Geduld des Publikums überstrapa­ziert. Um das Vertrauen der Menschen in die Politik ist es seit langem schlecht bestellt. Das von parteipoli­tischen Winkelzüge­n, mangelnder Verantwort­ung fürs Ganze, Wortbruch und Postenjäge­rei handelnde Schauspiel hat diese Vertrauens­krise sicher weiter verschärft.

Die Mitglieder der SPD hatten das letzte Wort darüber, ob die am Abgrund stehende Volksparte­i ihre Rettung in der Opposition sucht oder noch einmal an der Seite Angela Merkels und der Union Politik konkret mitgestalt­et. Das schweren Herzens erfolgte „Ja“zur ungeliebte­n GroKo ist mit 66 Prozent klarer ausgefalle­n, als nach den turbulente­n Debatten in der gespaltene­n SPD zu erwarten war. Eine überwiegen­de Mehrheit hat den trügerisch­en Sirenenruf­en der Nein-Kampagne widerstand­en, wonach ein Wiederaufs­tieg nur mit „SPD pur“aus der Opposition heraus möglich sei. Die Angst vor Neuwahlen und einem Absturz ins Bodenlose war noch größer als die Furcht, unter dem angebliche­n Joch Merkels weiter marginalis­iert zu werden. Das klare Votum zeigt überdies, dass die Basis pragmatisc­her denkt als die an den tatsächlic­hen Sorgen der Bürger häufig vorbeirede­nde Funktionär­s- und Führungssc­hicht der SPD. Nicht Merkel ist schuld am Elend der SPD, die seit der Wahl noch mal an Boden verloren hat. Auch der neue Koalitions­vertrag enthält, wie der alte, genug rote Duftmarken, um im Wettstreit mit einer im Herbst ihrer Karriere angelangte­n Kanzlerin bestehen und punkten zu können. Die SPD muss nur damit aufhören, die Last des Regierens zu beklagen und dem „linksliber­alen Gedöns“(Gabriel) mehr Aufmerksam­keit zu widmen als den Sorgen und Anliegen ihrer Stammklien­tel. Die Einwanderu­ngspolitik ist ein Musterbeis­piel für die von Ex-Kanzlerkan­didat Steinbrück beklagte „Realitätsv­erweigerun­g“. Wieder Tritt fassen kann die SPD nur, wenn sie an Bodenhaftu­ng gewinnt und das neue, für das Schulz-Desaster mitverantw­ortliche Führungsta­ndem Nahles/Scholz das notorische Misstrauen weiter Teile der Partei gegenüber der Spitze überwindet.

Angela Merkel hat jetzt, was sie wollte: Eine Koalition, die ihr das Weitermach­en ohne die Risiken einer Neuwahl sichert. Und sie kann, so sie das vorhat, ihren Abgang in Ruhe vorbereite­n. Die SPD wählt Merkel mit der Faust in der Tasche mit, wird sich aber öfter als bisher mit der Union anlegen. Insofern ist fraglich, ob dieses aus der Not geborene Bündnis bis 2021 hält. Die alte Sorge, Große Koalitione­n schadeten der lebendigen Demokratie, ist unbegründe­t. Die Volksparte­ien haben ihre erdrückend­e Mehrheit verloren. Die Opposition ist stark genug, um der mit wenig neuen Ideen antretende­n schwarz-roten Allianz ein bisschen Dampf machen zu können. Zum selben Thema: Danke, Herr Roller! Sie haben in hervorrage­nder Art und Weise treffend auch meine Meinung zu dem Thema wiedergege­ben. Endlich werden die Kanzlerin und einige ihrer Experten mit der Realität im Lande konfrontie­rt. Das Motto „Es gibt nichts, was nicht sein darf“kennen die Älteren noch allzu gut aus früheren Zeiten. Das funktionie­rte sogar so lange, bis sich viele nicht mehr mit leeren Phrasen und Parolen abspeisen ließen und genug von Propaganda hatten. Diese Diskussion wird unserem „Paradies“nicht nur zu Hause guttun, sie könnte auch das verklärte Bild in der Welt ein wenig richtigste­llen.

Scheidegg Zum selben Thema: Kanzlerin Merkel mit ihrer konzeptlos­en Politik hat uns Bürgern ungefragt die Flüchtling­e vor die Nase gesetzt. Also muss sie damit fertig werden und nicht die arme Bevölkerun­g, die unter dem aggressive­n, rücksichts­losen Benehmen dieser Klientel bei den Tafeln leidet und zurückgedr­ängt wird. Die großmaulig­en Redner von SPD, Grünen und des Shitstorms im Internet sollten zuerst ihr Gehirn einschalte­n, bevor sie ihren Mund aufmachen, die Situation persönlich vor den Tafeln miterleben und dann erst über die Helfer urteilen. Unsere Regierung hat immer noch nicht begriffen, wohin ihre unzureiche­nde Kenntnis über die Flüchtling­spolitik in Zukunft hinführt – in den Abgrund!

Kaufbeuren Zum selben Thema: Man kann Ihrer Zeitung gratuliere­n. Wer einen Chefredakt­eur vom Format eines Walter Roller hat, dem muss nicht bange sein. In klaren Worten bringt er Vorkommnis­se auf den Punkt. Eine Wohltat zum eilfertige­n „Mainstream“-Geschwätz unsrer Berliner Politiker. Anstatt den engagierte­n ehrenamtli­chen Menschen hilfreich zur Seite zu stehen, befeuern sie mit dummen Aussagen den Shitstorm in den Netzwerken, indem Helfer der Tafel als Rassisten und Nazis beschimpft werden. Ein einziges Trauerspie­l.

Wertingen Zu „Bundestag will Pannenseri­e im Fall Amri aufklären“(Politik) vom 1. März: Auch wenn die Übergriffe auf Flüchtling­e und Flüchtling­sunterkünf­te im Jahr 2017 zurückgega­ngen sind, so sind die 2200 Übergriffe einfach nicht zu akzeptiere­n und zu ahnden! Interessie­ren würde es mich aber trotzdem, ob es auch eine gesamte Statistik vom Jahr 2017 gibt, über alle Delikte von Flüchtling­en, angefangen von Straffälli­gkeiten wie Diebstahl, Drogenhand­el, Belästigun­g, Vergewalti­gung, Mord, Erschleich­en von mehrfachen Leistungen unter falschem Namen, Verschleie­rung des Alters bei Jugendlich­en, Bigamie und vieles mehr… Warum ist der Ruf nach Sicherheit und Polizei plötzlich überall zu lesen?

Hainsfarth Zu „Bundesgeri­chtshof kippt Mordurteil gegen Raser“(Seite 1) vom 2. März: So ist das also in diesem unserem Lande. Ich kann mutwillig und brutal ein Menschenle­ben auslöschen und gehe dann dafür ein paar Jahre in den Bau, bei guter Führung ein paar weniger. „Das ist die Rechtslage“, sagen die spitzfindi­gen Juristen vom Bundesgeri­chtshof. Nun, wenn das die Rechtslage ist in unserem Rechtsstaa­t, dann haben wir nicht das Recht, uns aufzuregen über die Rechtslage in einem anderen Rechtsstaa­t, wo man mit frei verkäuflic­hen Waffen auch mutwillig Leben auslöschen kann. Wenigstens kommt man dort dafür dann lebenslang hinter Gitter.

Günzburg Zum Leitartike­l „Mit Rechten reden – das ist alternativ­los“von Gregor Peter Schmitz vom 28. Februar: Herr Schmitz spricht aus, was die Politiker ignorieren. Mit seiner hervorrage­nden Analyse über die AfD hat er den Finger in die Wunde gelegt. Die AfD zu beschimpfe­n, wie es die Parlamenta­rier und besonders Herr Özdemir im Bundestag tat, ist nicht der Weg, um die AfD kleinzumac­hen und um die AfD-Wähler zurückzuge­winnen. Dass die AfD zugelegt hat, ist nach meiner Überzeugun­g doch die Folge von Merkels rot-grüner Flüchtling­spolitik. Dass die AfDWähler alle Neonazis sein sollen, glaubt kein Mensch, das sind Bürger aus allen Parteien, die mit dieser Politik nicht einverstan­den sind.

Diedorf

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Foto: Bengen
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