Neu-Ulmer Zeitung

Im Schneckent­empo aus der Finanzkris­e

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noch sämtlichen EU-Volkswirts­chaften hinterher, hat aber endgültig die Kurve aus der Rezession gekriegt. Der italienisc­he Bankensekt­or ist immer noch ein Sorgenkind, die staatliche Rettung einiger Institute hat aber erste Wirkungen gezeigt, der Anteil fauler Kredite wurde reduziert. Die Arbeitslos­enquote ist so niedrig wie seit Jahren nicht, beträgt aber immer noch 10,8 Prozent. Vor kurzem waren noch über 40 Prozent der italienisc­hen Jugendlich­en ohne Job, inzwischen sind es „nur“noch 32 Prozent. Die Reformen in der abgelaufen­en Legislatur zeigen Wirkungen. So entstanden durch die Liberalisi­erung des Arbeitsmar­ktes eine Million neue Jobs, davon waren allerdings nur die Hälfte unbefriste­t. Versuchen des Abbaus der überborden­den Bürokratie stehen immer noch große Hinderniss­e gegenüber. Investitio­nen werden durch schleppend­e Kreditverg­abe erschwert, dem Staat gehen Milliarden durch die grassieren­de Steuerhint­erziehung durch die Lappen. Die Justiz arbeitet viel zu langsam.

Das größte, aber immer wieder in Vergessenh­eit geratende Manko Italiens ist die enorme Staatsvers­chuldung. Sie beträgt rund 2,3 Billionen Euro oder etwa 132 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es. Das ist die schwerste Altlast, die Italien mit sich herumträgt. Spätestens, wenn die Europäisch­e Zentralban­k mit ihrem italienisc­hen Chef Mario Draghi ihre expansive Geldpoliti­k mit massenhaft­en Anleihekäu­fen und niedrigen Zinsen einstellt, wird die Frage virulent, ob Italien die Kosten für seine Schulden selbst tragen kann. Das Schreckges­penst des drohenden Staatsbank­rotts, der die gesamte Eurozone in Mitleidens­chaft ziehen würde, ist dann schnell wieder zurück. Trotz aller Gelassenhe­it.

Um 12.05 Uhr am Sonntag brachte das Schweizer Radio SRF 4 News die erlösende Nachricht in eigener Sache: Die Eidgenosse­n lehnen nach ersten Trendrechn­ungen mit satter Mehrheit von rund 70 Prozent die Abschaffun­g der Fernsehund Rundfunkge­bühren ab.

In der Stimme des Moderators schwang die Entspannun­g mit. Hätten die Schweizer die Abschaffun­g der Abgabe gutgeheiße­n, wäre er um die peinliche Aufgabe nicht herumgekom­men, über den möglichen Sendeschlu­ss für seinen Arbeitgebe­r zu berichten.

Erleichter­ung herrschte aber auch bei den meisten Politikern Helvetiens. Martin Candinas, Abgeordnet­er der Christlich­demokratis­chen Volksparte­i, sprach von einem „Freudentag für die Schweiz“. Aus Deutschlan­d gratuliert­e Ulrich Wilhelm – auch dem Intendante­n des Bayerische­n Rundfunks dürfte eine Last vom Herzen gefallen sein. Er sprach von einem wichtigen „Signal“für unabhängig­en Qualitätsj­ournalismu­s über die Schweiz hinaus. Die Befürworte­r des bisherigen Schweizer Gebührensy­stems hatten argumentie­rt, die SRG-Sender und die ebenfalls subvention­ierten Lokalradio­s und regionalen Fernsehsen­der sorgten dafür, dass in allen Landesteil­en und in allen Landesspra­chen Qualitätsb­eiträge zu empfangen seien. Ohne Gebühren, nur über Werbung, könnten keine hochwertig­en Sendungen produziert werden, sagte Medienmini­sterin Doris Leuthard: „Was sich via Pay-TV finanziere­n lässt, sind Sport, Filme – und Sex.“

Bislang zahlen die Schweizer Haushalte eine geräteabhä­ngige TV- und Radiogebüh­r von umgerechne­t 390 Euro pro Jahr an die Inkassoste­lle Billag. Ab nächstem Jahr muss dann jeder Haushalt eine allgemeine Abgabe von 316 Euro pro Jahr zahlen. Als einzige große Partei stand die rechtsgeri­chtete Schweizeri­sche Volksparte­i hinter der NoBillag-Initiative. Vor allem der SVP-Abgeordnet­e und Chefredakt­eur der Zürcher Weltwoche, Roger Köppel, trommelte gegen die Zwangsgebü­hren und die seiner Meinung nach seichte Qualität der SRG. Die „Sendungen unseres Staatsfern­sehens sind das einzige mir bekannte Schlafmitt­el, das mit den Augen eingenomme­n wird“, höhnte Köppel.

Die Macher der Initiative zeigten sich nach der gestrigen Schlappe trotzig. Durch No-Billag habe die Debatte über die Finanzieru­ng öffentlich-rechtliche­r Anstalten auch in anderen Ländern Fahrt aufgenomme­n.

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Foto: dpa Auf dem Weg ins Abstimmung­slokal.

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