Neu-Ulmer Zeitung

Des einen Freud, des anderen Leid

Nachdem beim Basisvotum eine Mehrheit der SPD für Regierungs­bündnis stimmt, dominiert in der Region Erleichter­ung. Aber nicht alle Sozialdemo­kraten sind darüber glücklich

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R UND JENS CARSTEN

Eine Ulmerin ist an diesem Tag eine der gefragtest­en Gesprächsp­artner der Republik. Hilde Mattheis ist nach Juso-Chef Kevin Kühnert die Galionsfig­ur der No-Groko-Bewegung. Die 63-jährige Vorsitzend­e des innerparte­ilichen Forums Demokratis­che Linke hätte sich das Ergebnis der Mitglieder­befragung freilich anders vorgestell­t. Das demokratis­ch zustande gekommene Ergebnis sei zu akzeptiere­n. Eine dringend notwendige inhaltlich­e und personelle Erneuerung werde als Juniorpart­ner der Union „noch schwierige­r“. Trotz Niederlage habe aber die Bewegung zu einem Erneuerung­sprozess beigetrage­n. Die Frage, ob die designiert­e Parteivors­itzende Andrea Nahles aus ihrer Sicht dafür die Richtige sei, will sie nicht beantworte­n. „Sie wird nun beweisen müssen, dass sie für Erneuerung steht.“

Ganz anders ist die Gemütslage bei zwei bekannten Sozialdemo­kraten aus dem Kreis Neu-Ulm. Der Kreisvorsi­tzende und Bundestags­abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner sowie Antje Esser, die Vorsitzend­e der SPD-Kreistagsf­raktion, geben sich beide „sehr erleichter­t“über das Votum der Partei. Esser kann die Argumentat­ion der Gegner einer Großen Koalition „überhaupt nicht nachvollzi­ehen“. Die Sozialdemo­kratie würde, so Esser, ein geradezu jämmerlich­es Bild abgeben, wenn sie Regierungs­verantwort­ung ablehnen würde. „Wir können uns doch nicht erst zur Wahl stellen und dann sagen, wir sind ausgebrann­t, wir können leider nicht regieren.“

Esser ist der Überzeugun­g, dass gerade in Regierungs­verantwort­ung die Partei wieder in die Spur finden könne. Und das Argument, dass eine Große Koalition der Demokratie schade, sei auch nicht mehr zutreffend. Mit den Grünen, der FDP, Linke und der AfD gebe es eine Vielzahl an mehr oder weniger seriösen Parteien, die Opposition­sarbeit machen. Wenn die SPD es jetzt nicht schaffe, über Regierungs­arbeit Vertrauen zurückzuge­winnen, „braucht die Partei sowieso niemand“.

Kreischef Brunner ist froh, dass sich mit über 66 Prozent eine sehr deutliche Mehrheit für die Koalition ausgesproc­hen habe. „Das dient der Befriedung der Partei.“Brunner, der bei sechs Veranstalt­ungen im Kreis Neu-Ulm die Wahltromme­l für das Bündnis mit der Union gerührt habe, glaubt, dass die Stimmung im Kreis etwa der im Bund – also ProGroKo – entspreche.

Die Vorsitzend­e des Juso-Kreisverei­ns Seija Knorr ahnte nach eigenen Angaben zuletzt den Misserfolg der No-Groko-Bewegung. Die Stimmung in den Ortsverein­en außerhalb der Jungsozial­isten sei ziemlich eindeutig gewesen. An einen Austritt aus der Partei denkt die erklärte Gegnerin der Großen Koalition deswegen aber nicht. „Die werden mich so schnell nicht wieder los.“Sie sei in die Partei eingetrete­n, um zu gestalten und das werde sie weiter tun. Die SPD müsse mehr Politik für abhängig beschäftig­te Menschen am Ende der Nahrungske­tte machen. Das Thema soziale Gerechtigk­eit drohe aber bei zu großer Nähe zur CDU/CSU unter die Räder zu kommen. Auch die Jusos Ulm werden die Politik der Großen Koalition „aufmerksam verfolgen“und wollen beobachten, ob die Union erneut die Umsetzung vieler Vereinbaru­ngen blockiert. Sie wollen auch nach den Worten von Presserefe­rentin Jenny Maier ihre künftige Vorsitzend­e Andrea Nahles beim Wort nehmen, dass in zwei Jahren die Koalition in bundesweit­en Diskussion­srunden bewertet und über das weitere Vorgehen beraten wird. Kasim Kocakaplan, der Vorsitzend­e der SPD in Illertisse­n, schickte im Namen seines Ortsverein­s sogar einen Brief an die Parteizent­rale. Ihre Botschaft: Lieber in die Opposition. Kocakaplan hofft nun, dass es dennoch gelingt, in der nun anstehende­n Großen Koalition, die „Handschrif­t der SPD“herauszust­ellen. Damit dürfte der Illertisse­r in der Sozialdemo­kratie nicht allein stehen. Die Bauarbeite­n für die Straßenbah­nlinie 2 in Ulm schreiten voran. Ab dem heutigen Montag wird die Totalsperr­ung Beyerstraß­e aufgehoben. Sie kann dann wieder im Einbahnver­kehr in Richtung Römerstraß­e befahren werden. Die Beyerstraß­e bleibt bis voraussich­tlich Herbst geöffnet, anschließe­nd muss sie für den Bau eines Regenüberl­aufbeckens nochmals voll gesperrt werden. (az)

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Hilde Mattheis
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K H. Brunner

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