Des einen Freud, des anderen Leid
Nachdem beim Basisvotum eine Mehrheit der SPD für Regierungsbündnis stimmt, dominiert in der Region Erleichterung. Aber nicht alle Sozialdemokraten sind darüber glücklich
Eine Ulmerin ist an diesem Tag eine der gefragtesten Gesprächspartner der Republik. Hilde Mattheis ist nach Juso-Chef Kevin Kühnert die Galionsfigur der No-Groko-Bewegung. Die 63-jährige Vorsitzende des innerparteilichen Forums Demokratische Linke hätte sich das Ergebnis der Mitgliederbefragung freilich anders vorgestellt. Das demokratisch zustande gekommene Ergebnis sei zu akzeptieren. Eine dringend notwendige inhaltliche und personelle Erneuerung werde als Juniorpartner der Union „noch schwieriger“. Trotz Niederlage habe aber die Bewegung zu einem Erneuerungsprozess beigetragen. Die Frage, ob die designierte Parteivorsitzende Andrea Nahles aus ihrer Sicht dafür die Richtige sei, will sie nicht beantworten. „Sie wird nun beweisen müssen, dass sie für Erneuerung steht.“
Ganz anders ist die Gemütslage bei zwei bekannten Sozialdemokraten aus dem Kreis Neu-Ulm. Der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner sowie Antje Esser, die Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, geben sich beide „sehr erleichtert“über das Votum der Partei. Esser kann die Argumentation der Gegner einer Großen Koalition „überhaupt nicht nachvollziehen“. Die Sozialdemokratie würde, so Esser, ein geradezu jämmerliches Bild abgeben, wenn sie Regierungsverantwortung ablehnen würde. „Wir können uns doch nicht erst zur Wahl stellen und dann sagen, wir sind ausgebrannt, wir können leider nicht regieren.“
Esser ist der Überzeugung, dass gerade in Regierungsverantwortung die Partei wieder in die Spur finden könne. Und das Argument, dass eine Große Koalition der Demokratie schade, sei auch nicht mehr zutreffend. Mit den Grünen, der FDP, Linke und der AfD gebe es eine Vielzahl an mehr oder weniger seriösen Parteien, die Oppositionsarbeit machen. Wenn die SPD es jetzt nicht schaffe, über Regierungsarbeit Vertrauen zurückzugewinnen, „braucht die Partei sowieso niemand“.
Kreischef Brunner ist froh, dass sich mit über 66 Prozent eine sehr deutliche Mehrheit für die Koalition ausgesprochen habe. „Das dient der Befriedung der Partei.“Brunner, der bei sechs Veranstaltungen im Kreis Neu-Ulm die Wahltrommel für das Bündnis mit der Union gerührt habe, glaubt, dass die Stimmung im Kreis etwa der im Bund – also ProGroKo – entspreche.
Die Vorsitzende des Juso-Kreisvereins Seija Knorr ahnte nach eigenen Angaben zuletzt den Misserfolg der No-Groko-Bewegung. Die Stimmung in den Ortsvereinen außerhalb der Jungsozialisten sei ziemlich eindeutig gewesen. An einen Austritt aus der Partei denkt die erklärte Gegnerin der Großen Koalition deswegen aber nicht. „Die werden mich so schnell nicht wieder los.“Sie sei in die Partei eingetreten, um zu gestalten und das werde sie weiter tun. Die SPD müsse mehr Politik für abhängig beschäftigte Menschen am Ende der Nahrungskette machen. Das Thema soziale Gerechtigkeit drohe aber bei zu großer Nähe zur CDU/CSU unter die Räder zu kommen. Auch die Jusos Ulm werden die Politik der Großen Koalition „aufmerksam verfolgen“und wollen beobachten, ob die Union erneut die Umsetzung vieler Vereinbarungen blockiert. Sie wollen auch nach den Worten von Pressereferentin Jenny Maier ihre künftige Vorsitzende Andrea Nahles beim Wort nehmen, dass in zwei Jahren die Koalition in bundesweiten Diskussionsrunden bewertet und über das weitere Vorgehen beraten wird. Kasim Kocakaplan, der Vorsitzende der SPD in Illertissen, schickte im Namen seines Ortsvereins sogar einen Brief an die Parteizentrale. Ihre Botschaft: Lieber in die Opposition. Kocakaplan hofft nun, dass es dennoch gelingt, in der nun anstehenden Großen Koalition, die „Handschrift der SPD“herauszustellen. Damit dürfte der Illertisser in der Sozialdemokratie nicht allein stehen. Die Bauarbeiten für die Straßenbahnlinie 2 in Ulm schreiten voran. Ab dem heutigen Montag wird die Totalsperrung Beyerstraße aufgehoben. Sie kann dann wieder im Einbahnverkehr in Richtung Römerstraße befahren werden. Die Beyerstraße bleibt bis voraussichtlich Herbst geöffnet, anschließend muss sie für den Bau eines Regenüberlaufbeckens nochmals voll gesperrt werden. (az)