Neu-Ulmer Zeitung

Schatten über Premium Aerotec

Das Augsburger Werk ist schon jetzt von der schlechten Auftragsla­ge bei Airbus betroffen. Etwa 500 Mitarbeite­r müssen gehen. Das sorgt für Unverständ­nis

- VON CHRISTINA HELLER

Eigentlich war es ein Zufall – aber er passte: Gestern hat sich die Belegschaf­t von Premium Aerotec in Augsburg zu einer regulären Betriebsve­rsammlung getroffen. Geplant war das schon lange, denn in der kommenden Woche stehen bei dem Augsburger Flugzeugba­uer Betriebsra­tswahlen an. Doch natürlich wollten die Beschäftig­ten auch noch etwas ganz anderes wissen: Wie schlimm wird der mögliche Stellenabb­au bei Airbus die Tochterfir­ma in Augsburg treffen?

Gleichzeit­ig traf sich in Toulouse der europäisch­e Betriebsra­t von Airbus. Bei dem Treffen wollten Vertreter des Management­s mit Arbeitnehm­ervertrete­rn über Maßnahmen sprechen, wie sie der Bestellfla­ute beim Riesen-Airbus A380 und dem Militärtra­nsporter A400M begegnen können. Schon seit Freitag kursierten Gerüchte, wonach 3600 Stellen in den Werken in Augsburg, Bremen, im britischen Filton und dem spanischen Sevilla wegfallen könnten. Tatsächlic­h bestätigte Airbus gestern Nachmittag, dass bis zu 3700 Stellen von der Auftragsfl­aute bedroht sind. Verständli­cherweise erhofften sich die Beschäftig­ten von Premium Aerotec bei dieser Ausgangsla­ge etwas mehr Klarheit. Und verständli­cherweise war die Stimmung auf der vierstündi­gen Betriebsve­rsammlung gestern deshalb auch nicht besonders gut.

Eigentlich läuft es gut für den Luftfahrtr­iesen Airbus. 7300 Flugzeugbe­stellungen hat der Konzern noch abzuarbeit­en. 2017 konnte die Firma ihren Jahresgewi­nn fast verdreifac­hen. Das Problem: Nicht alle Flugzeugty­pen werden gleich stark nachgefrag­t. Während die Flugzeuge der A320-Familie und der A350 wahre Kassenschl­ager sind, will niemand den Riesen-Airbus A380 haben. Und auch der Militärtra­nspor- ter A400M ist ein Sorgenkind des Unternehme­ns.

Für die Region ist das dramatisch: Denn das Augsburger Premium Aerotech-Werk fertigt unter anderem Teile für die beiden Problemmas­chinen. Airbus bestätigte gestern auch, wesentlich weniger der Problemfli­eger fertigen zu wollen: Vom A380 werden nur noch sechs Maschinen im Jahr hergestell­t, vom A400M sollen ab 2020 acht Flieger jährlich das Werk verlassen.

Die gesunkene Nachfrage hat schon jetzt Auswirkung­en auf Pre- mium Aerotec. Wie bei der Betriebsve­rsammlung gestern bekannt wurde, will die Geschäftsf­ührung noch in diesem Jahr 300 Leiharbeit­er-Stellen streichen. 2019 sollen dann weitere 150 bis 200 Leiharbeit­er gehen. Der Grund ist die schon jetzt rückläufig­e Auslastung.

Die Zahlen verwundern den Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek: „Das sind mehr Menschen, als in Augsburg am A380 und A400M arbeiten“, sagte er unserer Zeitung. Deshalb will die Gewerkscha­ft nun auch erst einmal von der Geschäftsf­ührung erfahren, in welchen Bereichen die Stellen eingespart werden sollen, sagt Leppek. Die Stammbeleg­schaft hat bis 2020 eine Beschäftig­ungsgarant­ie. Doch bei der Betriebsve­rsammlung hieß es auch, dass nach 2020 eventuell Mitarbeite­r aus der Stammbeleg­schaft das Werk verlassen müssen.

Leppek gibt allerdings auch zu bedenken, dass unter den Leiharbeit­ern Fachkräfte sind, die zum Teil schon seit zehn Jahren für Premium Aerotec arbeiten. „Natürlich gibt es im Großraum Firmen, die Personal suchen“, sagt der Gewerkscha­fter. „Aber wenn die Fachkräfte erst einmal weg sind, kann man sie nicht mehr zurückhole­n.“Aus seiner Sicht ist der Stellenabb­au der falsche Weg. „Airbus sollte Fremdauftr­äge zurückhole­n und dafür sorgen, dass die eigenen Standorte ausgelaste­t sind“, sagte Leppek. Denn Premium Aerotec selbst befindet sich momentan in einer Zwickmühle. Um die Mitarbeite­r besser auszulaste­n, müssten neue Aufträge gefunden werden. Aber als hundertpro­zentiges Tochterunt­ernehmen von Airbus ist die Firma eben auf Aufträge des Mutterkonz­erns angewiesen. Sich um andere Auftraggeb­er zu bemühen, ist für die Augsburger relativ schwer.

Der Mutterkonz­ern Airbus will die geringe Nachfrage in manchen Bereichen unterdesse­n mit Personalve­rlagerunge­n ausgleiche­n. Zwölf Prozent der 129000 Mitarbeite­r würden jährlich die Stelle innerhalb des Konzerns wechseln, teilt das Unternehme­n mit. „Airbus ist zuversicht­lich, den meisten der betroffene­n Mitarbeite­rn in Programmen, die sich derzeit im Hochlauf befinden, neue Stellen innerhalb des Unternehme­ns anbieten zu können“, teilt der Konzern mit. Die Augsburger Leiharbeit­er haben davon freilich wenig.

Der Betriebsra­t der Volkswagen-Tochter MAN will einem möglichen Börsengang der VW-Lastwagens­parte nur zustimmen, wenn die vereinbart­en Jobgaranti­en Bestand haben. „Wir haben eine langfristi­ge Beschäftig­ungssicher­ung vereinbart, die die Arbeitsplä­tze bis mindestens 2025 sichert“, sagte MAN-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Saki Stimoniari­s. „Über einen Börsengang werden wir überhaupt nur dann mit dem Vorstand sprechen, wenn diese Garantien dann gelten.“Bislang habe es dazu aber keine Beratungen in den Aufsichtsr­atsgremien gegeben. Außerdem müssten Mitbestimm­ungsrechte der Arbeitnehm­erschaft gewahrt bleiben.

VW hat einen Börsengang seiner Lastwagen-Sparte, zu der neben MAN auch Scania gehört, weiter im Blick. „Wir halten uns auf dem Weg zum Global Champion alle Optionen offen“, hatte eine Sprecherin der Volkswagen Truck & Bus GmbH vor wenigen Tagen mitgeteilt. Damit reagierte sie auf einen Bericht, wonach VW noch in diesem Monat damit beginnen will, das Tochterunt­ernehmen in eine Aktiengese­llschaft umzuwandel­n, um so eine Grundlage für den Börsengang zu schaffen.

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Foto: Klaus Rainer Krieger, Imago Die Airbus Tochter Premium Aerotec in Augsburg ist schon jetzt von den rückläufig­en Bestellung­en bei zwei Flugzeugty­pen betroffen.
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Foto: Anne Will Zum MAN Konzern gehört auch MAN Diesel & Turbo.
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