Neu-Ulmer Zeitung

Eine Beleidigun­g für das Regime?

Mit einer Mini-Mannschaft ist Nordkorea in Pyeongchan­g vertreten. Vieles deutet darauf hin, dass Menschen mit Behinderun­g in ihrer Heimat diskrimini­ert werden

- VON RONNY BLASCHKE

„Alles beginnt mit einem Traum“, sagte Andrew Parsons. „In einem Traum ist alles möglich.“Bei der Eröffnungs­feier der zwölften Winter-Paralympic­s folgte der Präsident des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC) den überschwän­glichen Reden der vergangene­n Tage. Die Weltspiele des Behinderte­nsports können Gesellscha­ften öffnen, sagen Gastgeber traditione­ll. Doch dieses Mal war vor allem die erste Teilnahme Nordkoreas an Winterspie­len gemeint.

So wirft die geteilte Halbinsel eine alte Frage auf: Haben die Paralympic­s eine politische Kraft? Oder überdecken sie durch flüchtige Emotionen nur die tatsächlic­hen Probleme?

Im Kontrast zu den „sportliche­n Helden aus Pjöngjang“stehen Aussagen von geflohenen Nordkorean­ern und Berichte von Nichtregie­rungsorgan­isationen: So gelten behinderte Menschen in Nordkorea als „Beleidigun­g für das Regime“. Sie würden ausgeschlo­ssen, sterilisie­rt und sogar in abgelegene­n Gebirgslag­ern gefoltert. Säuglinge mit einer Behinderun­g blieben „verschwund­en“. Auch von medizinisc­hen Experiment­en und chemischen Tests ist die Rede.

Im vergangene­n Jahr durfte erst- mals eine unabhängig­e Delegation für Forschunge­n ins Land reisen. Die UN-Sonderberi­chterstatt­erin Catalina Devandas-Aguilar besuchte auch ein Tischtenni­sturnier, an dem behinderte und nicht behinderte Spieler teilnahmen. Sie kann nicht ausschließ­en, dass es sich um eine Alibiveran­staltung handelte. Während ihres sechstägig­en Aufenthalt­es habe sie blinde und hörgeschäd­igte Menschen getroffen, aber nur einen einzigen Rollstuhlf­ahrer. Die Begegnung mit geistig behinderte­n Menschen wurde ihr verwehrt. Selbst die neu entstehend­en Gebäude in Pjöngjang seien selten barrierefr­ei, sagt Devandas-Aguilar, von modernen Prothesen und inklusiver Bildung: keine Spur. Vor diesem Hintergrun­d und im Zuge der politische­n Annäherung folgt die erste Winter-Teilnahme Nordkoreas wohl einem Mindestans­pruch und weniger dem Wunsch, den Behinderte­nsport weiterzuen­twickeln.

Bis 2012 ignorierte Nordkorea die paralympis­che Bewegung komplett. Durch Wildcards des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees IPC konnten 2012 ein Schwimmer und 2016 zwei Leichtathl­eten an den Sommerspie­len teilnehmen. Das IPC hätte auch für Pyeongchan­g mehr als die nun zwei Sonderstar­tberechtig­ungen ausgegeben. Doch dazu kam es nach langen Verhandlun­gen ebenso wenig wie zu einem gemeinsame­n Einlauf von Nord und Süd.

Die nordkorean­ische Delegation wird von südkoreani­schen Medien politisch ohnehin weit weniger gedeutet als während Olympia. Für Behinderte­nrechte könne das eine Chance sein, glaubt Stefan Samse, Büroleiter der Konrad-AdenauerSt­iftung in Seoul. Samse steht in Kontakt mit dem nordkorean­ischen Behinderte­nsportverb­and, der auch zwei Büros in China unterhält. Bei den Paralympic­s könne man mit weniger protokolla­rischen Zwängen leichter Gesprächsk­anäle öffnen.

Ob die Weltspiele in den nordkorean­ischen Medien aufgegriff­en werden, ist unklar.

Die Eröffnungs­feier übrigens setzte zwar auf große Worte, rasante Musik und bunte Feuerwerke. Doch etliche Plätze blieben unbesetzt. Der Applaus der frierenden Zuschauer fiel spärlich aus. Trotz all der Träume. Fans in Deutschlan­d sollen in Zukunft in jedes Bundesliga-Stadion die gleichen Fahnen, Trommeln oder Banner mitnehmen dürfen. Die Verantwort­lichen des DFB beschlosse­n ein Pilotproje­kt zur Freigabe und Vereinheit­lichung sogenannte­r Fan-Utensilien, bestätigte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Das Thema „Fan-Utensilien“hat für die organisier­ten Fußballfan­s in Deutschlan­d eine große Bedeutung. Sie stören sich daran, dass es in verschiede­nen Stadien unterschie­dliche Vorgaben für die Mitnahme oder die Größe ihrer Fahnen und Banner gibt. Der ehemalige Weltrangli­stenerste Jung Jae Sung aus Südkorea ist überrasche­nd im Alter von 35 Jahren gestorben. Seine Frau habe ihn laut Polizei am Freitag leblos aufgefunde­n. Bei Jung seien schon vor drei Jahren Herzrhythm­usstörunge­n festgestel­lt worden. Der Olympia-Dritte von 2012 im Doppel war nach den Spielen in London zurückgetr­eten. Vor wenigen Wochen war er Fackelträg­er bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g. Der Norweger Tom Hilde wird seine Karriere noch während dieser Saison beenden. „Ich habe es lange genug gemacht. Es war keine schwierige Entscheidu­ng. Genug ist genug“, sagte der 30-Jährige, der in seiner Karriere vier Silber-Medaillen bei Nordischen SkiWeltmei­sterschaft­en gewonnen hat, gegenüber der norwegisch­en Agentur NTB. Hilde wird bei der RawAir-Tour noch die ersten beiden Stationen in Oslo und Lillehamme­r bestreiten.

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Foto: Imago Fröhlich schwenkten die Mitglieder der kleinen nordkorean­ischen Mannschaft ihre Fähnchen, als sie im Rahmen der Paralympic­s Eröffnungs­feier das Stadion betraten. Hinter den Kulissen ihres Heimatland­es dürften die Bedingunge­n für Menschen mit...
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Tom Hilde

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