Oma ist der heimliche Star
Jakob ist oft einsam. Er wohnt alleine bei seinem Vater. Doch der ist vielbeschäftigter Architekt, spielt quasi in der „Champions League“der Branche. Deswegen verbringt Jakob viel Zeit bei seiner Oma: Sie kocht sein Lieblingsessen, das so gut schmeckt, dass es für Jakob wie ein „Vulkanausbruch“ist. Außerdem kümmert sich die Oma um Flüchtlinge, die sie lieber herzlich als „Neuankömmlinge“bezeichnet. Jakobs Oma ist ohnehin der heimliche Star des liebevoll geschriebenen Kinderbuchs „Der reichste Junge der Welt“.
Aber auch Omas Fürsorglichkeit lässt Jakob nicht den Schmerz darüber vergessen, dass sein Vater ihm so wenig Zuwendung entgegenbringt. Dass er viel telefoniert, anstatt sich mit Jakob zu unterhalten. Doch ein schlimmes Erlebnis bringt Vater und Sohn am Ende wieder enger zusammen.
„Der reichste Junge der Welt“ist ein aufmunterndes Kinderbuch. Aufmunternd deshalb, weil es zeigt, wie gut Integration unter Kindern funktionieren kann. Und weil es deutlich macht, dass es im Leben vor allem auf das Zwischenmenschliche ankommt. Dazu trägt auch die Sprache ihren Teil bei: Sie ist fantasievoll und erklärt manche komischen Dinge aus der Erwachsenenwelt auf humorvolle Art. Viele Wörter kommen aus dem FußballVokabular. Autor Markus Orths trifft damit den Nerv der jungen Leser, und auch so mancher Erwachsener dürfte bei der Lektüre schmunzeln. Larissa Benz Aus dem Engli schen von Sandra Knuffinke und Jessi ka Komina, Sauerländer, 464 Seiten, 16,99 Euro – ab 10 Moritz, 80 Seiten, 9,95 Euro – ab 8
Jeden Tag Terror, Krieg, Unfälle, Einbrüche und andere Schreckensmeldungen und -bilder in Fernsehen, Zeitungen und Internet. Wie sollen Kinder und Jugendliche damit umgehen und dabei den unbeschwerten Blick auf das Leben und seine Schönheit nicht verlieren? Die niederländische Autorin Anna Woltz hat dies in ihrem neuen Buch „Für immer Alaska“in erfrischender und gleichzeitig berührender Weise aufgegriffen. Im Vordergrund steht dabei eine sehr unterhaltsam zu lesende Geschichte zweier Jugendlicher, die sich zunächst nicht ausstehen können. Sven ist „dieser Typ mit einer Armbanduhr, die alle paar Stunden piept, weil Pillen eingeworfen werden müssen“. Der 13-Jährige leidet an Epilepsie, und eines will er auf gar keinen Fall: dass seine Mitschüler in ihm den Jungen sehen, den sie bemitleiden, auf den sie Rücksicht nehmen müssen, der für nicht ganz voll genommen wird. Deshalb will er sich mit etwas Großartigem einführen in seiner neuen Schule. Das geht gehörig schief, denn schon am ersten Tag hat er einen der Aussetzer, bei dem seine Augen sich verdrehen und er wilde Töne ausstößt.
Auch für Parker geht am ersten Tag in der neuen Schule einiges daneben. Beim Kennenlernspiel blamiert sie sich tödlich und Sven zieht sie damit in fieser Weise auf. Umso schlimmer für sie, dass sie sich sowieso psychisch in einer Ausnahmesituation befindet: Auf das Geschäft ihrer Eltern wurde ein Überfall verübt, den das Mädchen beobachtet hat und den sie nicht verarbeiten kann. Schon einige Monate davor musste sie sich außerdem von ihrem geliebten Hund Alaska trennen, weil ihr Bruder allergisch gegen Tierhaare ist. Nun erfährt sie, dass Alaska ausgerechnet in Sven, dem gemeinsten Jungen der Klasse, sein neues Herrchen gefunden hat. Sie ist sein Assistenzhund, der ihn immer begleiten muss, um im Ernstfall den Notrufknopf zu drücken. Unerträglich ist das für Parker und sie schmiedet einen Plan, wie sie den Hund zurückbekommen kann.
Anna Woltz erzählt die Handlung im Wechsel aus Parkers und Svens Perspektive. Obwohl dies eine klassische Konstruktion ist, und auch das Motiv der beiden Hauptfiguren, die sich langsam annähern, arg strapaziert ist, gelingt Woltz eine rundherum überzeugende Geschichte – ehrlich, emotional, traurig und hoffnungsvoll. Das liegt an der speziellen Mischung aus Kuriosem und Tragischem, in der Anna Wolz erzählt und dem Schweren einen leichten Ton gibt. Schon ihre Vorgänger-Bücher – allen voran das herrliche „Gips – oder wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte“– waren in dieser Hinsicht großartig. Auch hat sie eine große Nähe zu den Figuren, deren Gefühlslage sie mit Ernsthaftigkeit schildert und ihnen die pubertäre Ungeduld und Rotzigkeit zugesteht. Etwa diese unbändige Wut, die Parker gegen alles Männliche hegt, weil sie gehört hat, dass es vor allem die Männer sind, die Verbrechen verüben und die Gefängnisse füllen. „Ungewaschen ist noch das Harmloseste“an ihnen, findet sie.
Das Motiv der Angst thematisiert Anna Woltz in unterschiedlichen Varianten. Da ist Parker, die sich vor der Welt draußen fürchtet. Nicht nur, weil die Einbrecher immer noch frei herumlaufen, sondern vor allem, weil sie das Gefühl nicht in den Griff bekommt, dass jederzeit wieder etwas Schreckliches passieren kann: „Wie machen die Leute das? Wie leben sie einfach weiter, obwohl sie wissen, dass jeden Moment etwas schiefgehen kann?“Svens Angst nährt sich aus der Machtlosigkeit, dass er nicht mehr Herr über seinen Körper ist. Urplötzlich verfällt er in Zuckungen und kippt um. Wenn er wieder aufwacht, sieht er Menschen um sich herum, die ihn anstarren und er weiß von nichts.
Doch obwohl Svens Lage erschreckend ist, ist er derjenige, der Parker zeigt, dass man sich von dieser Furcht vor der allgegenwärtigen Bedrohung nicht unterkriegen lassen darf. Und dass man zusammen auf jeden Fall stärker ist – selbst wenn man nicht gleich die ganze Welt retten, sondern nur die nächste Französischstunde gut überstehen will. Birgit Müller-Bardorff Aus dem Niederlän dischen von Andrea Kluitmann, Carlsen, 176 Seiten, 12 Euro – ab 10