Die Kreißsaal Krise
In Bayern schließen immer mehr Geburtsstationen – und das, obwohl immer mehr Babys geboren werden. Teilweise müssen Frauen mit einsetzenden Wehen eine Stunde bis zur nächsten Klinik fahren. Ist das noch zumutbar?
Und plötzlich beginnt das Leben. An jenem kalten Januartag. Morgens kurz nach neun. Das Leben heißt Ria. Ein kleines Mädchen, das sich an seine Mutter schmiegt, in die Welt blinzelt, während draußen der Winterwind weht, Schnee auf die vereisten Straßen rieselt. Es ist das erste Kind von Daniela Mußelmann, die in diesem Moment im Kreißsaal des Dillinger Krankenhauses liegt.
Fünf Jahre ist dieser Tag her, von dem Daniela Mußelmann gerade erzählt. Sie sitzt an einem großen Holztisch, ihre rotbraunen Haare fallen ihr in die Stirn. Während sie spricht, blickt sie immer wieder nach draußen, auf die Wiesen, den See, die müden Blätter, die über den Boden taumeln. Unter ihrem schwarzen Shirt zeichnet sich ein Bäuchlein ab. Daniela Mußelmann, die auf Gut Helmeringen in der Nähe von Lauingen, wenige Kilometer von Dillingen entfernt, lebt, ist wieder schwanger. „Mir war immer klar, dass ich drei Kinder will“, sagt sie. Nach Töchterchen Ria wurde Sohn Noah geboren. Beide kamen in Dillingen zur Welt. Beim dritten Kind wird das aber anders sein.
Denn Ende März schließt die Geburtsstation des Kreiskrankenhauses. Erst im Sommer soll sie voraussichtlich wieder öffnen. Daniela Mußelmann wird ihr Kind deshalb in Günzburg zur Welt bringen. „Ich kenne dort keinen Arzt und keine Hebamme“, sagt die 35-Jährige. „Dabei ist es bei einer Geburt vor allem wichtig, absolutes Vertrauen zu haben, um sich komplett fallenzulassen.“
Daniela Mußelmann ist ein Beispiel. Ein Beispiel für tausende Mütter, die verunsichert sind. Denn: In Bayern schließen immer mehr Geburtskliniken. Vorübergehend – wie im Fall von Dillingen – kaum merklich den Kopf. Dann erzählt sie weiter. Von jenem Moment, als sie erfahren hat, dass bei ihrer dritten Entbindung vieles anders sein wird. „Ich habe zuerst an eine Hausgeburt gedacht“, sagt sie. Und das, obwohl das Günzburger Krankenhaus weniger als eine halbe Stunde entfernt ist. „Aber es gibt kaum Hebammen, die eine Hausgeburt betreuen, und ich kenne auch keinen Arzt, der das unterstützt. Außerdem macht mein Mann da nicht mit.“Ist auch das eine Auswirkung des GeburtsstationenSchwundes? Gibt es künftig mehr Frauen, die ihr Kind zu Hause gebären wollen? Bisher sei die Zahl der Hausgeburten nicht gestiegen, sagt Giesen vom Hebammen-Landesverband. Und sie glaubt sogar, dass sie künftig eher abnehmen wird. Denn: „Eine Hausgeburt ist nur dann sicher, wenn eine Klinik in der Nähe ist.“
Dillingen ist nicht der einzige aktuelle Fall in der Region, der derzeit emotional diskutiert wird. Auch in Illertissen hängen die Menschen an der Geburtsstation. Dort wurde sogar eine Bürgerinitiative gegründet, um sich für deren Erhalt einzusetzen. Es gab auch einen Bürgerentscheid – mit eindeutigem Ergebnis: Drei Viertel der Teilnehmer hatten sich für die Geburtsstation ausgesprochen – vergebens. Vor kurzem wurde bekannt, dass die Station trotz des eindeutigen Votums geschlossen bleibt. Der Krankenhausausschuss bekannte sich zwar noch im Herbst ausdrücklich zum Ergebnis des Bürgerentscheids – machte aber auch klar, dass es derzeit wegen der desolaten finanziellen Situation unmöglich sei, die Geburtsstation wieder zu öffnen. Und so müssen die werdenden Mütter aus Illertissen und den umliegenden Dörfern nun auf die Kliniken in Neu-Ulm und Memmingen ausweichen.
Die Kreisspitalstiftung, Träger des Illertisser Krankenhauses, fühlt sich hilflos: „Ohne die personelle