EU will Firmen strenger kontrollieren
Die Kommission möchte eine europaweite Behörde für den Arbeitsmarkt schaffen. Sie soll sicherstellen, dass Sozialstandards eingehalten werden. Aber es regt sich schon Widerstand
Mehr als 17 Millionen EU-Bürger arbeiten in einem anderen Mitgliedsland der Union. Sie kennen die Probleme mit den Sozialstandards, die eigentlich überall eingehalten werden sollen – aber nicht immer werden. Dagegen will die EU nun etwas tun und eine Europäische Arbeitsbehörde aufbauen – gegen heftigen Widerstand.
Gleicher Lohn, gleicher Urlaub, gleicher Schutz vor Kündigungen im Krankheitsfall – die europäischen Sozialstandards sollen alle Arbeitnehmer schützen: die Einheimischen vor Billiglohn-Kräften, die Ausländischen vor Ausbeutung durch geringere Sozialleistungen. Doch die Realität sieht anders aus. Mit Tricks wie längeren Arbeitszeiten oder unfairen Abzügen werden immer wieder Arbeitnehmer ausgebeutet.
EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hat gestern in Straßburg eine Lösung für dieses Problem vorgestellt. Sie heißt ELA (European Labour Authority), eine Europäische Arbeitsbehörde mit 150 Mitarbeitern und einem Budget von 50 Millionen Euro. Geht es nach der Kommission, soll sie ab 2019 arbeiten und nicht nur die grenzüberschreitenden Kontrollen der nationalen Behörden koordinieren, sondern auch überwachen, ob sich alle Unternehmen an die garantierten Sozialstandards halten. „Mit unserem Vorschlag stellen wir gemeinsam mit den Mitgliedstaaten sicher, dass niemand zurückgelassen wird“, sagte Thyssen. Um diese Arbeit möglich zu machen, will Brüssel die Mitgliedstaaten zur Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer anhalten. Damit sei es leichter, bei Kontrollen vor Ort festzustellen, ob die Beschäftigten ordnungsgemäß kranken- oder rentenversichert sind. Bislang erweist sich das oft als schwierig. Der Dachverband der Gewerkschaften in der EU, der ETUC, ist damit grundsätzlich einverstanden.
Doch hinter den Kulissen for- sich bereits heftiger Widerstand gegen das Vorhaben der Brüsseler Kommission, in den Arbeitsmarkt einzugreifen, obwohl die Gemeinschaft für diesen Bereich gar nicht zuständig ist. Schon die Reform der Entsenderichtlinie, die gerade vorbereitet wird, hatte Unternehmen und Arbeitgeberverbände auf den Plan gerufen. Sie soll verschiedene Fragen regeln, wenn es darum geht, dass sich ein EU-Bürger zum Arbeiten zeitweise in einem anderen Mitgliedsland aufhält. Auch gegen die ELA formiert sich schon Widerstand.
In einem bislang nicht veröffentlichten Schreiben der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) an den künftigen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist von „völlig überflüssiger Bürokratie“und „auf jeden Fall gravierenden Korrekturen“die Rede, die noch nötig seien. Anlass dafür ist die sogenannte Nachweis- richtlinie der EU, die zu dem Reformpaket der Sozialkommissarin gehört und auf der die nun favorisierte Arbeitsagentur aufbaut.
Schon die Definition des Begriffs Arbeitnehmer stößt bei den Unternehmen auf massiven Widerstand. In der jetzigen Fassung gilt als „Arbeitnehmer eine natürliche Person, die während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“. Dies würde nach Auffassung des BDA dazu führen, dass „selbst nach deutschem Verständnis eindeutige Vertragsbeziehungen als Arbeitsverhältnis gewertet werden könnten“– mit den dazugehörigen Konsequenzen. Welche Ansprüche dann ein Handwerker aus einem Auftrag zur Reparatur im Badezimmer eines Kunden ableiten könnte, will man sich beim BDA lieber nicht ausmalen.
Zwar gibt es durchaus Verständmiert nis für das Bemühen der EU-Kommission, Verstöße gegen die geltenden Sozialstandards wirksam zu verfolgen. „Aber solchen illegalen Praktiken kommt man nur über bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden bei, nicht aber indem man die übergroße Mehrheit der sich rechtstreu verhaltenden Unternehmen mit einem Wust von noch mehr Bürokratie überschüttet“, heißt es in dem Brief an Altmaier.
Der BDA steht mit seiner Ablehnung nicht alleine da. Auch andere Experten bezweifeln, ob über einen europäischen Sozialversicherungsnachweis schneller geklärt werden könnte, ob ein Bauarbeiter aus Südosteuropa renten- und krankenversichert sei. Bisher dauert diese Überprüfung oft Monate. Der CSUEuropaabgeordnete Markus Ferber merkte an: „Die Kommission versucht, sich Befugnisse anzueignen, die ihr nicht zustehen.“
In dem zuletzt wieder erbittert geführten Streit um den Verkauf von 33000 GBWWohnungen durch die staatseigene Bayerische Landesbank an die Augsburger Patrizia Immobilien AG gibt es offenbar eine überraschende Wende. Im Landtag wurde gestern ein jahrelang gehütetes Geheimnis gelüftet. Gleichzeitig meldete die Patrizia einen Erfolg vor Gericht.
Der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch teilte gestern Abend mit, dass das Finanzministerium der Opposition in einer geheimen Sitzung des Haushaltsausschusses Einblick in die bisher unter Verschluss gehaltene Investorenliste der Patrizia gewährt hat. Daraus geht nach seinen Angaben hervor, dass bei dem politisch heftig umstrittenen Verkauf der GBW kein Schwarzgeld im Spiel war. In dem von der Patrizia geführten KäuferKonsortium seien nur Sparkassen, Versicherungen, Pensionskassen und berufsständische Versorgungswerke vertreten.
Die Patrizia AG teilte gestern mit, sie habe gegen die Berichterstattung des Handelsblatts beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkt. Danach darf die Zeitung nicht mehr behaupten, „beim Erwerb der GBW seien Gelder aus Russland und/oder Schwarzgelder beteiligt gewesen“. In der Stellungnahme des Augsburger Unternehmens heißt es außerdem, Patrizia sei „nicht bereit, als Objekt eines offensichtlich vor allem landespolitisch motivierten Angriffs zur Verfügung zu stehen“. Man werde sich „mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln gegen weitere Falschberichterstattung zur Wehr setzen.“
Damit kommt auch die Opposition unter Druck, die unter Berufung auf das Handelsblatt Aufklärung fordert. Für heute sind zwei Pressekonferenzen angesetzt: erst von SPD, Freien Wählern und Grünen, dann vom Finanzministerium.