Neu-Ulmer Zeitung

Glück ist ansteckend

Während in Finnland die zufriedens­ten Menschen leben, sehen Forscher in Deutschlan­d Nachholbed­arf. Warum Auswandern eine Möglichkei­t für mehr Glück sein kann

- VON MICHAEL BÖHM

Ist es der raue Nordwind? Die wohlige Wärme der angeblich drei Millionen Saunen im Land? Der viele Kaffee? Studien zufolge wird europaweit nirgendwo mehr von der schwarzen Bohnenbrüh­e getrunken als in Finnland. Oder liegt es an einer besonders ausgeprägt­en Form von SLC6A4 – dem Gen im menschlich­en Körper, das Forscher als Schlüssel zum Glück ausgemacht haben?

Man weiß es nicht so ganz genau, warum es diesmal die Finnen im „World Happiness Report“zum glücklichs­ten Volk der Welt geschafft haben. Im Auftrag der Vereinten Nationen haben Wissenscha­ftler die Zufriedenh­eit der Menschen auf der ganzen Welt abgefragt – und nach Norwegen und Dänemark holte sich zum dritten Mal in Folge ein skandinavi­sches Land den Spitzenpla­tz. Die Forscher haben vor allem Faktoren wie Einkommen, sozialer Zusammenha­lt, Gesundheit und Freiheit als Ursachen des persönlich­en Glücks ausgemacht – und diese sind offenbar im Norden Europas besonders ausgeprägt.

Deutschlan­d verbessert­e sich um einen Platz auf Rang 15, liegt aber hinter Ländern wie Israel oder Costa Rica. „Für Deutschlan­d ist noch Luft nach oben bei der Entwicklun­g der Zufriedenh­eit“, erklärte Martijn Hendriks von der Erasmus-Univer- sität in Rotterdam, einer der an der Studie beteiligte­n Wissenscha­ftler. Dass ein wohlhabend­er Staat wie Deutschlan­d nicht unter den Top Ten sei, liege möglicherw­eise auch daran, dass viele Deutsche bei Befragunge­n „zu harsch“mit sich seien.

Zum ersten Mal wurde in dem Glücksberi­cht auch die Zufriedenh­eit von Einwandere­rn näher beleuchtet. Dabei stellten die Forscher fest, dass Glück offenbar ansteckend ist. Menschen, die in fremde Länder ziehen, passen sich laut der Studie dem dort herrschend­en Glücksgefü­hl an. Die zehn glücklichs­ten der insgesamt 156 untersucht­en Länder belegen auch beim Glücksempf­inden von Migranten die vorderen Plätze. Dass Deutschlan­d in dieser Kategorie lediglich auf Rang 28 liegt, sehen die Autoren der Studie als Beweis dafür, dass es bei der Integratio­n von Einwandere­rn noch Verbesseru­ngsbedarf gibt.

Muss also, wer auf der Suche nach besonders viel Glück im Leben ist, nach Skandinavi­en ziehen? „Es würde helfen. Aber wir können uns auch hier Glück erarbeiten“, sagt Karlheinz Ruckriegel, Glücksfors­cher an der Technische­n Hochschule in Nürnberg: „In Deutschlan­d müssten wird damit anfangen, jedem Menschen und jedem Kind die gleichen Entwicklun­gschancen zu ermögliche­n, gerade im Bereich der Bildung. Dann wäre schon viel gewonnen.“

Während Deutschlan­d den Erkenntnis­sen der UN-Forscher nach in den vergangene­n zehn Jahren glückstech­nisch zugelegt hat, gibt es auch prominente Verlierer. So sank beispielsw­eise der Glücksinde­x der USA in diesem Zeitraum deutlich, sie fielen dieses Jahr von Platz 14 auf Platz 18 zurück. US-Ökonom Jeffrey Sachs, einer der Autoren des Weltglücks­berichtes, bezeichnet­e bei dessen Vorstellun­g gestern im Vatikan in Rom Übergewich­t, Drogenmiss­brauch und unbehandel­te Depression­en als „Epidemien“, die maßgeblich für das schlechte Abschneide­n der Vereinigte­n Staaten verantwort­lich seien.

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Foto: Christian Charisius, dpa Geld alleine macht nicht glücklich. Sozialer Zusammenha­lt, Gesundheit und Freiheit sind ebenso wichtige Faktoren für das Glücksempf­inden.

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