Neu-Ulmer Zeitung

Der Brummi – eine tödliche Gefahr

Die Zahl der Unfälle mit Lastwagen steigt stetig, regelmäßig rasen die tonnenschw­eren Gefährte in Stauenden. Woran das liegt und warum viele der Unfälle verhindert werden könnten

- VON SIMONE HÄRTLE

Hat er die Bremslicht­er zu spät erkannt? War er nur kurz unaufmerks­am? Oder gar abgelenkt? Warum Mitte Februar ein 60 Jahre alter Lastwagenf­ahrer auf der A3 in Unterfrank­en ein Stauende übersehen hat und in einen anderen Sattelzug krachte, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Der 60-jährige Fahrer ist tot – und sein Schicksal eine Blaupause für sehr viele Unfälle auf deutschen und bayerische­n Autobahnen.

Nach einem Rückgang 2014 ist in Bayern die Zahl der Unfälle, an denen Lastwagen beteiligt waren, in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich angestiege­n – von 16 920 im Jahr 2014 auf 18 354 im vergangene­n Jahr. In immer mehr Fällen ist mangelnder Sicherheit­sabstand die Ursache. Dazu zeigt eine aktuelle Untersuchu­ng aus Nordrhein-Westfalen, dass es immer häufiger an Stauenden kracht. So wie bei dem Unfall nahe Würzburg. Wenige Stunden später ereignete sich rund zehn Kilometer weiter ein ganz ähnlicher Unfall. Hier starb ein 48 Jahre alter Beifahrer.

Die Gründe für die Häufung der Lastwagenu­nfälle sind vielfältig, sagen ADAC und Polizei: allgemein mehr Verkehr auf den Straßen, mehr Lastwagen, weniger Rücksichtn­ahme, steigender Kosten- und Termindruc­k bei Speditione­n. „In diesem Geschäft geht es um Zeit und Geld. Zu lange Lenkzeiten und zu kurze Pausen sind da keine Seltenheit“, erklärt Sven Hornfische­r, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West.

Bei einem sind sich die Verkehrsex­perten einig: Viele der Unfälle wären vermeidbar – mit der richtigen Technik. Seit 2015 müssen Lastwagen zwar mit Brems- und Abstandsas­sistenzsys­temen ausgestatt­et sein – das gilt aber nur für Neufahrzeu­ge ab acht Tonnen. Außerdem bleiben die gesetzlich­en Anforderun­gen weit unter dem, was moderne Technik schon jetzt leisten kann. Bislang müssen die vorgeschri­ebenen Notbremssy­steme einen Laster im Ernstfall lediglich von 80 auf 60 Stundenkil­ometer herunterbr­emsen. Eine Untersuchu­ng des Automobilc­lubs zeigt aber: Mit Hilfe der Assistenzs­ysteme können die Lastzüge bei einer Geschwindi­gkeit von 80 Stundenkil­ometern sogar bis zum Stillstand abgebremst werden, wenn sie auf ein Hindernis zufahren.

Das Problem: Schon jetzt schalten viele Brummifahr­er während der Fahrt die technische­n Helfer aus. „Gerade auf Autobahnen gibt es für Lkw nur wenig Überholmög­lichkeiten. Die Fahrer versuchen dann oft schon vorher, so nah wie möglich an den Vordermann heranzukom­men, damit sich niemand dazwischen­drängen und der Überholvor­gang so schnell wie möglich losgehen kann“, erklärt Bernd Emmerich vom ADAC Südbayern. In solchen Fällen empfinden Fahrer die Hilfssyste­me oft als störend – und schalten sie kurzerhand ab.

Fernfahrer Harald Kiermayer aus Bobingen im Landkreis Augsburg kennt das nur zu gut aus der täglichen Praxis auf Deutschlan­ds Straßen. Wenn er mit seinem Lkw zu nah an die vor oder neben ihm fahrenden Fahrzeuge herankommt, ertönt ein Trommelger­äusch, hinzu kommt ein optisches Signal, im Ernstfall bremst das Fahrzeug automatisc­h ab. Dass manche seiner Kollegen auf die Assistenzs­ysteme verzichten, weiß er. „Ich sehe mich in erster Linie als Berufskraf­tfahrer, und da geht Sicherheit vor. Einige Kollegen empfinden sich aber eher als Trucker – und wollen selbst Gas geben und bremsen, wie es ihnen passt“, erzählt er. Verständni­s für dieses Verhalten hat Kiermayer nicht und fordert daher schärfere Gesetze. Fahrassist­enzen wie ein Notbremssy­stem und Abstandsre­geltempoma­ten sollten seiner Meinung nach für alle verpflicht­end sein und vor allem nicht mehr abgeschalt­et werden können. „Die Politiker sollten endlich aufwachen“, schimpft er. Denn: „Ein Lastwagen ist eine Waffe. Vor allem, wenn man voll beladen bremsen muss.“

Während in vielen Fällen moderne Technik also hilfreich sein könnte, ist sie in vielen anderen Fällen der Grund für den Unfall. Früher wurde so mancher Brummifahr­er mit der Zeitung auf dem Lenkrad erwischt. In Zeiten von Smartphone­s und Tablets gibt es für Fernfahrer heute zigfach mehr Möglichkei­ten, sich die Zeit hinter dem Steuer zu vertreiben. Mit gefährlich­en Folgen. Das zeigt ein Unfall auf der A3 in der Nähe von Regensburg Mitte Februar. Auch hier war ein Kleinlaste­r in ein Stauende gerast. Bei seiner Rettung hatte der schwer verletzte Fahrer noch sein Handy in der Hand – auf dem gerade ein Film lief.

Für die meisten Kinder ist es das Selbstvers­tändlichst­e der Welt: Freundinne­n und Freunde einladen und zusammen Geburtstag feiern. Anders sieht das bei den vier Töchtern von Hannelore F. (Name geändert) aus. Ihre behinderte Mutter muss von Arbeitslos­engeld II leben. Ihre finanziell­e Lage ist angespannt­er denn je. Die alleinerzi­ehende Mutter hat für Außergewöh­nliches, das sie ihren Kindern geben will, einfach keine Mittel. Für ihre Kinder im Alter von 14, zwölf, elf und zehn Jahren ist das nicht immer einfach. Sie fühlen sich im Vergleich zu anderen Kindern zurückgese­tzt, weil das Geld nicht einmal für eine bescheiden­e Geburtstag­sfeier reicht.

Die Kartei der Not hat hier geholfen. Die Kinder konnten ins Kino und haben gemeinsam mit Freundinne­n ein Geburtstag­smenü gekocht und verzehrt. Für diesen einen Tag haben sie alle vergessen können, wie schwer es doch ihre Mama hat. (jsto)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten der Kartei der Not sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­GP ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Dem Münchner Kardinal Reinhard Marx geht die Reform der kirchliche­n Finanzverw­altung nicht schnell genug. Die vor vier Jahren von den deutschen katholisch­en Bischöfen gestartete „Transparen­zoffensive“in finanziell­en Angelegenh­eiten sei ein „erster Schub“gewesen, sagte der Vorsitzend­e der Deutschen und der Freisinger Bischofsko­nferenz am Donnerstag in Augsburg nach einem zweitägige­n Treffen der bayerische­n Bischöfe. Nun müssten die Bischöfe voranschre­iten – mit dem Ziel, die Vermögensv­erhältniss­e in allen 27 deutschen Bistümern transparen­t darlegen zu können und die Finanzverw­altung vergleichb­ar zu machen. Dieser Prozess „geht mir zu langsam“, sagte Marx. Der Finanzskan­dal in Eichstätt habe gezeigt, dass es „so nicht geht“. Auch wegen unzureiche­nder Kontrollen könnte das Bistum Eichstätt einen Verlust von bis zu 50 Millionen Euro durch dubiose Immobilien­geschäfte erleiden.

Zum Umgang mit Populismus äußerte sich Marx ebenfalls. Zwar hätten die bayerische­n Bischöfe keine gemeinsame Strategie beschlosse­n. Gleichwohl erklärten sie, „rechtsextr­emen, rassistisc­hen und menschenve­rachtenden Tendenzen entschiede­n“entgegenzu­treten. Aus diesem Grund beschlosse­n die Bischöfe auch, an den Bildungsei­nrichtunge­n Caritas-Pirckheime­rHaus in Nürnberg und KardinalDö­pfner-Haus in Freising „Kompetenzz­entren für Demokratie­arbeit“zu gründen. „Wir haben die Aufgabe, dass Hass und Gegeneinan­der nicht steigen, sondern Gräben zugeschütt­et werden“, sagte Marx.

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Foto: dpa Bei einem schweren Unfall auf der A3 zwischen Würzburg und Kitzingen war im Februar ein 48 Jahre alter Beifahrer gestorben. Der Fahrer war auf ein Stauende aufgefahre­n.
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