Wie soll diese Koalition bis 2021 halten?
Kaum vereidigt, schon im Clinch. Für eine Bundesregierung, die gerade erst mit der Arbeit beginnt, sind die Fliehkräfte bereits erstaunlich stark
Wenn der Ball nicht läuft, wenn ein Tor nur das Ergebnis glücklicher Zufälle ist und die Spieler sich festdribbeln oder den Nebenmann ständig übersehen, ist der Fußballfreund gerne mit einem Begriff zur Stelle, den Franz Beckenbauer nach einer blamablen Europameisterschaft geprägt hat: dem Rumpelfußball.
Die neu zusammengewürfelte Mannschaft von Union und SPD in Berlin zieht gerade ein ähnlich holpriges Spiel auf. Anstatt die unverhoffte Chance, die das Scheitern der Jamaika-Gespräche ihr gegeben hat, nun zu nutzen und sich mit Elan an die Arbeit zu machen, rumpelt es von der ersten Minute an. Eine SPD-Frau beleidigt die Kollegen der Union als „widerliche Lebensschützer“, weil die partout keine Werbung für Abtreibungen erlauben wollen. Die Debatte um Horst Seehofers Bemerkung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, nimmt immer erratischere Züge an – und den neuen Gesundheitsminister Jens Spahn, so scheint es, beschäftigt alles andere mehr als die Gesundheitspolitik: Hartz IV, das Abtreibungsrecht, die Flüchtlingspolitik. Für ein Kabinett, das sich eigentlich noch finden muss, sind die Fliehkräfte schon gewaltig.
Natürlich hat jeder, der jetzt mit eigenen Ideen und Initiativen vorprescht, gute Gründe. Als CSUChef muss Seehofer vor der Landtagswahl im Herbst zeigen, dass die neue Bundesregierung die Zuwanderung sehr wohl steuern und begrenzen kann. Spahn will nicht nur als fähiger Fachpolitiker wahrgenommen werden, sondern als jemand, dem man auch noch deutlich größere Aufgaben zutraut. Und in der SPD funktionieren die alten Oppositionsreflexe umso besser, je länger die Partei regiert. Die Entgleisung der Abgeordneten Eva Högl im Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen ist dafür nur das bislang augenfälligste Beispiel. Weitere Konflikte sind bereits absehbar – vor allem in der Innenpolitik, wo der neue Minister Seehofer einen deutlich restriktiveren Kurs vertritt als die Sozialdemokraten.
Angela Merkel ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, welche Eigendynamik solche Situationen gelegentlich entwickeln. In ihrer ersten Großen Koalition waren es die äußeren Umstände, die Lehman-Pleite und die Finanzkrise, die Union und SPD zu einem engen und einvernehmlichen Miteinander zwangen. Diesmal ist das Gegenteil der Fall: Die äußeren Umstände, die notorische Schwäche der SPD, die schwindende Autorität der Kanzlerin und die nahende Wahl in Bayern, forcieren einen Prozess der Entfremdung, wie ihn andere Koalitionen häufig am Ende einer Legislatur durchleben, aber nicht schon am Anfang. Jeder arbeitet auf eigene Rechnung, der Teamgeist ist zerrüttet, das Misstrauen dafür umso größer. Union und SPD verbindet heute nicht viel mehr als die Notwendigkeit, eine Regierung stellen zu müssen. Dass diese Allianz tatsächlich bis zum nächsten regulären Wahltermin 2021 hält: darauf würde vermutlich nicht einmal Angela Merkel selbst wetten. Zu tönern sind die Füße, auf denen ihre vierte Koalition steht.
Die Kanzlerin hat zwar ihr wichtigstes Ziel schon erreicht, nämlich Kanzlerin zu bleiben. Die Probleme aber beginnen damit erst: Wie loyal steht die SPD noch zur GroKo, wenn sie im Herbst auch in Bayern und Hessen krachend verliert? Wird Horst Seehofer ein noch unbequemerer Partner, wenn die CSU viel besser abschneidet, als es die Umfragen gerade erwarten lassen? Kaum vereidigt, denkt die neue Bundesregierung schon wieder an die nächsten Wahlen – als habe das Land keine anderen Sorgen. Auch deshalb knirscht und rumpelt es unüberhörbar im politischen Berlin.
Franz Beckenbauer, der große Sportphilosoph, würde jetzt sagen: „Geht’s raus und regiert’s.“ Zu „Das Donauwörther Flüchtlingspro blem“(Bayern) vom 16. März: Die Aussage des Sprechers des Bayerischen Flüchtlingsrates, Stephan Dünnwald, der den Polizeieinsatz nach den aggressiven Gewalttätigkeiten von abgelehnten gambischen Asylbewerbern in der Erstaufnahmeeinrichtung in Donauwörth als massiven Einschüchterungsversuch kritisiert, erschreckt mich! Die Polizei als Exekutiv-Organ hat nun mal die Aufgabe, geltendes Recht durchzusetzen.
Dazu gehört es eben auch, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben! Wenn Herr Dünnwald es als selbstverständlich ansieht, dass man sich dagegen mit gewalttätigen Aktionen wie das Werfen von Flaschen und Stühlen gegen die Einsatzkräfte wehrt, macht mir das Angst! Für einen Asylbewerber muss es doch auch klar sein, dass sein Antrag auf ein Bleiberecht abgelehnt werden kann und er Deutschland verlassen muss!
Bad Wörishofen Zu „Unfallopfer zu spät gefunden?“(Bayern) vom 16. März: Die Entscheidung des OLG halte ich für absolut richtig. Was die Eltern des 24-jährigen Unfallopfers veranstalten, kann man seit Jahren in unserer Gesellschaft beobachten. Egal, was man gemacht hat, es wird immer nach einem Schuldigen gesucht. In dem Fall sollen es die Polizeibeamten gewesen sein.
Die Eltern sollten vielleicht mal überlegen, warum ihre Tochter so gerast ist, dass sie über viele Meter durch die Landschaft katapultiert wurde. Gründe gäbe es viele. Unstrittig ist aber wohl, die 24-Jährige hat den Unfall ohne Fremdeinwirkung verursacht.
Oberstdorf Zu „Juristin scheitert beim Kampf gegen Kopftuchverbot“(Bayern) vom 8. März: Die Entscheidung des VGH nahm ich mit Bedauern zur Kenntnis. Sie zeigt, dass die bayerische Justiz (noch) nicht bereit ist, einer hochtalentierten, aber ein Kopftuch tragenden Juristin die richterliche Unabhängigkeit anzuerkennen. Wer die Klägerin kennt, würde nicht eine Sekunde daran zweifeln. Gerade in Zeiten des Richtermangels sollte sich unsere Justiz glücklich schätzen, eine solch befähigte Juristin in ihren Reihen zu wissen. Die fachliche Eignung hat im Vordergrund zu stehen und nicht eine religiöse Überzeugung. Der VGH geht in seiner Begründung davon aus, die Gesellschaft könnte die Neutralität der Justiz infrage stellen, sollte eine Richterin ein Kopftuch tragen. Ich bin der Überzeugung, dass der Großteil der Gesellschaft hier schon weiter ist als die bayerische Justiz. Augsburg