Tinnitus ist für manchen die Hölle
Viele Menschen werden durch das Pfeifen und Rauschen im Kopf gequält. Aber es gibt Verfahren, mit denen man das Problem zumindest in den Griff bekommen kann
Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt keine hundertprozentig erfolgversprechende Therapie gegen den Tinnitus. Die gute Nachricht lautet: Es gibt in Kombination verschiedener Therapien viele Möglichkeiten, dem nervenaufreibenden Ohrgeräusch zu Leibe zu rücken.
„Tinnitus ist wie Schmerz ein Symptom. Viele Ursachen kennt man noch nicht. Darum gibt es auch kein Allheilrezept“, erklärt Professor Gerhard Goebel, Vizepräsident der Deutschen Tinnitus-Liga (DTL), einer gemeinnützigen Selbsthilfeorganisation. Zunächst einmal tut es aber schon gut zu wissen: Das Pfeifen, Klingeln oder Rauschen im Ohr erleben 94 Prozent der Menschen, wenn sie sich zum Experiment in einem absolut stillen Raum befinden. Das heißt: Fast jeder hat sozusagen die Bereitschaft, dass sich der Tinnitus auch einmal bei ihm im Alltag meldet.
Wer einen Tinnitus hat, muss aber nicht unbedingt unter ihm leiden. So stören sich die meisten Betroffenen nicht an ihrem Ohrgeräusch. Mehr als drei Millionen Deutsche haben chronische Ohrgeräusche, aber nur etwa jeder Dritte von ihnen leidet darunter, mancher allerdings heftig. Chronischer Tinnitus bedeutet, dass die Töne im Kopf mehrere Monate oder länger fiepen.
Das kann ziemlich belastend sein. Die Folge einer solchen Dauerbelastung sind oftmals nachhaltige psychische und körperliche Beschwerden. Viele Betroffene leiden unter Schlaflosigkeit, diffusen Schmerzen, Depressionen. Und sie haben Angst, dass die Töne und Geräusche im Ohr immer lauter und schließlich unerträglich werden könnten. Die Folge: Sie ziehen sich oft aus der Öffentlichkeit zurück.
Was aber tun bei chronischem Tinnitus? Wer heute in Internetsuchmaschinen den Begriff Tinnitus eingibt, der erhält 15,5 Millionen Beiträge. Dabei gibt es jede Menge Angebote, wie Tinnitus medizinisch beizukommen ist. Viele davon seien unseriös, erklärt Goebel, ein bedeutender deutscher Tinnitusexperte. Bei über der Hälfte weiß man nicht einmal, woher sie kommen. Bei den Übrigen findet man behandlungsbedürftige Erkrankungen wie Lärmschäden, Schwerhörigkeit, Hörsturz, Mittelohrentzündungen.
Was hilft, steht in der von Goebel mitgestalteten interdisziplinären Leitlinie zum Thema. Diese besagt unter anderem, dass beim Tinnitus, dessen Ursache als unbekannt gilt, eine kognitive Verhaltenstherapie kombiniert mit Hörtherapie die vermutlich beste Möglichkeit ist, mit dem Problem fertig zu werden. Nachweise, dass Medikamente hel- gibt es hingegen bislang nicht. „Sobald der Tinnitus als chronisch gilt, wird von den Ärzten nicht mehr das Ohr, sondern das Gehirn behandelt“, wie es Goebel formuliert. Neurowissenschaftler haben nämlich nachweisen können: Der Tinnitus basiert auf einer Überaktivität bestimmter Nervenzellen in den Hirngebieten, die akustische Informationen rauscht und Sie hören den Tinnitus Ihrer Verstärkeranlage.“
Die sogenannte Amygdala (der Mandelkern) entscheidet, ob der Tinnitus im Gehirn ankommt oder nicht. Die Hälfte der Menschen mit Depression oder Angststörungen haben ein Ohrgeräusch. Darum profitierten Betroffene allein davon, mehr über ihr Leiden zu wissen, sagt Goebel. Es sei hilfreich, wenn ein Experte sie darüber aufklärt, wie Tinnitus entsteht und welche Bedeutung er für Körper und Seele einnehmen kann. Hilfreich ist für viele auch die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfeorganisation.
Die Deutsche Tinnitus-Liga (DTL) unterstützt Betroffene mit fundierten Informationen und einem umfassenden Beratungsangebot. Der Erfahrungsaustausch in einer Selbsthilfegruppe wirkt für viele Menschen entlastend. Dies zeigte sogar eine Studie, die die DTL gemeinsam mit dem Institut für Medifen, zinische Soziologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchführte.
Eine Minderung der Ohrgeräusche lässt sich Goebel zufolge oft auch technisch erreichen, indem verbesserte Höreindrücke das Überhören des Tinnitus bewirken. Das geht mit Hörgeräten. Für Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit bieten sich Hörimplantate im Innenohr (Cochlea-Implantate) an. Mit sogenannten Rauschgeneratoren kann man den Tinnitus „maskieren“. Goebel: „Wichtig ist, die Stille zu meiden, um zur Ruhe zu kommen.“Die Aufmerksamkeit müsse vom Ohrgeräusch abgelenkt werden.
Viele Tinnitus-Therapeuten empfehlen, diese Geräte mit einem Bewältigungstraining, verhaltenstherapeutischen Maßnahmen und Entspannungstechniken zu kombinieren. Bei einer solchen TinnitusRetraining-Therapie (TRT, retrain heißt etwa zurücktrainieren) lernen Tinnitus-Geplagte schrittweise, die Ohrgeräusche nicht mehr als störend wahrzunehmen. Auch dabei ist das Ziel, dass die inneren Töne keine belastende Rolle mehr spielen oder ganz aus dem Bewusstsein weichen. Hilfreich ist dazu nach Meinung von Goebel auch eine Kombination mit Entspannungstechniken wie der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson oder Biofeedback (mit dieser Methode lassen sich Körperfunktionen wahrnehmen). Verschiedene Forschungszentren in Deutschland hätten zudem Modelle entwickelt, Musik als Mittel einzusetzen, um quälenden Ohrgeräuschen aktiv auf der Ebene des Hörens zu begegnen. Der Tinnitus-Patient singt unter Leitung von Musiktherapeuten seinen Ton nach, unterstützt oft durch von ihm gewählte Instrumente. Solche Lernprogramme erstrecken sich über etwa zehn Sitzungen.
Forscher an der Uni Münster versuchen zudem, die für den Tinnitus verantwortlichen Nervenzellen in der Hörrinde des Gehirns daran zu hindern, überzureagieren. Nachdem sie die Frequenz des Tones ermittelt haben, wählen sie Musikstücke aus und bearbeiten diese. Die Tinnitus-Patienten hören sich eine von ihnen ausgesuchte und entsprechend veränderte Musik ein bis zwei Stunden pro Tag an. Diese Methode funktioniert Goebel zufolge aber nur, wenn sich der Tinnitus als ein Ton bemerkbar macht und keine Schwerhörigkeit vorliegt.
Von allen anderen auf dem Gesundheitsmarkt beim chronischen Tinnitus angebotenen Medikamenten oder Arzneihilfsmitteln rät Goebel ab. „Ich kenne keines, das wirksam ist.“O
Die USA geben proportional viel mehr Geld für ihr Gesundheitswesen aus wie andere Länder – dennoch ist die Lebenserwartung geringer und die Kindersterblichkeit höher. Das vermeldet das Ärzteblatt. Doch woher kommt das?
Die USA wendeten im Jahr 2016 17,8 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für das Gesundheitswesen auf, in anderen Ländern mit einer ähnlichen Wirtschaftsleistung waren es nur zwischen 9,6 Prozent (Australien) und 12,4 Prozent (Schweiz). Die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA liegt bei 78,8 Jahren. In den anderen Ländern leben die Menschen zwischen 80,7 Jahren (Deutschland) und 83,9 Jahren (Japan). Die Säuglingssterblichkeit ist mit 5,8 auf 1000 Lebendgeburten deutlich höher als in Kanada (5,1 auf 1000 Geburten) oder Japan (2,1 auf 1000 Geburten). Es gibt in den USA weniger Ärzte (2,6 pro 1000 Einwohner) als in Deutschland (4,1/1000). Die Zahl der Krankenhausbetten (2,8 im Gegensatz zu 8,2 pro 1000 Einwohner in Deutschland) ist geringer und die Liegezeiten sind kürzer. Man denkt: Das US-Gesundheitssystem müsste billiger sein.
Weit gefehlt: Medizinische Leistungen kosten deutlich mehr als in anderen Ländern. Dies gilt insbesondere für Medikamente. Die ProKopf-Ausgaben pro Jahr liegen in den USA bei 1443 US-Dollar – 667 US-Dollar sind es in Deutschland.
Ärzte und Pflegekräfte verdienen zudem in den USA deutlich mehr. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Allgemeinarztes liegt in den USA bei 218173 US-Dollar (154126 US-Dollar sind es in Deutschland). Spezialisten verdienen 316 000 US-Dollar (181 243 USDollar in Deutschland). Krankenschwestern verdienen in den USA 74160 US-Dollar im Jahr (53668 US-Dollar in Deutschland). Dazu kommen in den USA acht Prozent der Gesamtausgaben für Verwaltungskosten. In anderen Industrieländern sind es oft nur zwischen einem und fünf Prozent. (AZ)