Nach sieben Stunden ist der Spuk vorbei
12 600 Bürger der Neu-Ulmer Innenstadt müssen wegen der Entschärfung ihr Domizil verlassen. Oberbürgermeister Gerold Noerenberg lobt den reibungslosen Ablauf der Aktion. Welche gute Nachricht es noch gab
Um 15.35 Uhr war gestern der Spuk in Neu-Ulm, der morgens begonnen hatte, vorbei. Davon hatten in erster Linie zwei Sprengmeister etwas gemerkt, die die Aufgabe hatten, eine 500 Kilo schwere USBombe zu entschärfen, die am Donnerstag im Südstadtbogen gefunden worden war. Sie leisteten saubere Arbeit, es ist nichts passiert. Ab 16 Uhr konnten die 12600 Neu-Ulmer Innenstadtbewohner, die zur Vorsicht ab 8.30 Uhr evakuiert worden und somit von der Aktion stark betroffen waren, in ihre Häuser und Wohnungen zurück. Der Verdacht, auf dem Gelände könnte eine zweite Bombe liegen, löste sich im Nichts auf. An der entsprechenden Stelle wurde in fünfeinhalb Meter Tiefe nur Bauschutt gefunden.
Alle an der Evakuierung und der Bombenentschärfung Beteiligten zeigten sich erleichtert, als die Gefahr vorüber war. Außerordentlich war, wie gut die Maßnahmen in der Kürze der Zeit organisiert worden waren und wie reibungslos der gestrige Tag insgesamt ablief. Oberbürgermeister Gerold Noerenberg war dann auch voll des Lobes für die insgesamt 652 eingesetzten Helfer, von denen die Hälfte ehrenamtlich ihren Dienst versah: „Die Evakuierung war die größte, die wir bisher hatten, und ist ohne Probleme nach Plan gelaufen.“Ins gleiche Horn blies Polizeipressesprecher Sven Hornfischer: „Es gab keine besonderen Vorkommnisse.“
Gestern Morgen hatte die Polizei alle Zufahrtswege zur betroffenen Region rings um die Bombe im Umkreis von rund 500 Metern abgesperrt, um 8.30 Uhr wurde mit der Evakuierung begonnen. Zwar waren alle Bewohner des betroffenen Gebiets im Vorhinein vielfältig darauf hingewiesen worden, dass sie ihr Domizil verlassen müssen, trotzdem fuhr die Feuerwehr noch einmal durch die Straßen und forderte per Lautsprecherdurchsage die Menschen auf, jetzt einen Ort au- ßerhalb des Sperrgebiets aufzusuchen. Wer nicht sowieso das Weite gesucht hatte, sondern in Neu-Ulm bleiben wollte, konnte die Weststadtschule oder die Hochschule Neu-Ulm aufsuchen. In ersterer fanden sich dann auch 266 Leute ein, in der Hochschule 51.
Nur ganz wenige Bewohner, nämlich nur 62, ließen sich nicht dazu bewegen, ihr Heim vorübergehend zu verlassen. Zu ihnen zählten Caroline Credo und Johannes Lehmann. Der Herr des Hauses erklärte den Grund: „Die Sperrlinie läuft genau durch unser Haus. Im alten Teil müssten wir raus, im neuen Anbau nicht. Da bleiben wir hier.“
Die Evakuierung, bei der die Helfer von Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk an jeder Haus- und Wohnungstür klingelten und aufpassten, dass niemand zurückbleibt, der es nicht explizit will, zog sich letztlich gut sechs Stunden hin. Um 14.45 Uhr wurde gemeldet: Die Entschärfung der Bombe läuft.
Nun hieß es weiter warten. Auch für die Menschen in der Weststadtschule. Geduldig harrten sie dort aus. Es gab kostenlos warmes Essen und Brötchen sowie Getränke. Manche spielten Karten, andere mit ihrem Smartphone, wieder andere machten ein Nickerchen oder plauderten mit Bekannten. „Wir hätten doppelt so viel Menschen aufnehmen können“, sagte Rolf Vogelmann vom Deutschen Roten Kreuz, das den Dienst in der Schule übernommen hatte. „Es sind hier fast alle Nationalitäten vertreten. Wir haben Erwachsene und Kinder, die einen Mordsspaß haben, es wird auch gebastelt und gelesen oder es werden Geschichten erzählt.“Wie überall in der Neu-Ulmer City, die mittags menschenleer wie eine Geisterstadt wirkte, waren alle sehr entspannt. Letztlich auch ein älterer Herr, der sich nur etwas ärgerte, als er hörte, wie lange der „Ausstand“dauern würde. „Davon ist man vorher nicht richtig informiert worden“, meinte er, „sonst ist hier alles wunderbar.“
Dass die Entschärfung der Bombe lief, merkte man auch daran, dass während dieser Zeit, wie mit der Bundesbahn abgestimmt, aus Sicherheitsgründen kein Zug durch Neu-Ulm fuhr. Um 15.40 Uhr ging im eigens eingerichteten und stark frequentierten Pressezentrum an der Reuttierstraße das Gerücht um, die 1,40 Meter lange Bombe mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern sei jetzt entschärft. Die Bestätigung folgte eine Minute später. Die Sprengmeister hatten ganze Arbeit geleistet. Es dauerte dann noch gut 20 Minuten, bis sich die Neu-Ulmer City wieder bevölkerte.
OB Gerold Noerenberg, der vor der Entschärfung an einem Hubschrauber-Kontrollflug teilgenommen hatte, zeigte sich beeindruckt: „So eine total leere Stadt wirkt von oben schon etwas gespenstisch. Es gibt im Stadtgebiet weitere Verdachtspunkte und wir werden weitere Sondierungen vornehmen.“
»Bilder vom Evakuierungstag unter