Neu-Ulmer Zeitung

Plünderung­en und Gewalt in Afrin

Die türkische Armee festigt ihre Kontrolle über die kurdisch dominierte Stadt. Kritiker vermuten, dass Ankara die feste Absicht hat, das Gebiet zu annektiere­n

- VON SUSANNE GÜSTEN

Als strahlende­r Erfolg erscheint in den türkischen Medien und den Bulletins der türkischen Armee aus Afrin die Eroberung der nordsyrisc­hen Stadt: Die türkische Fahne wehe über den Regierungs­gebäuden, die Ordnung in der Stadt sei wieder hergestell­t, die Kurdenkämp­fer der Miliz YPG seien geflohen. „Afrin ist endlich blitzsaube­r“, verkündete die Zeitung Milliyet. Doch die Wirklichke­it sieht wohl anders aus. Bewohner berichten von Plünderung­en, mehr als 200 000 Menschen sind auf der Flucht, die EU kritisiert eine Woche vor einem geplanten Gipfeltref­fen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan das türkische Vorgehen in Syrien. Kritiker werfen Ankara vor, syrische Grenzgebie­te de facto zu annektiere­n.

Trotz der Siegesmeld­ungen sind die Auseinande­rsetzungen zwischen der türkischen Armee und der protürkisc­hen Miliz FSA mit der YPG in Afrin offenbar noch nicht vorbei. Die YPG kündigte einen GuerillaKr­ieg an, der für die Türken zum „Albtraum“werden soll. Auf Twitter veröffentl­ichte die Miliz ein Video, das laut YPG den Einschlag einer Rakete in einem gepanzerte­n Fahrzeug der türkischen Soldaten und deren Verbündete­n in einem Dorf bei Afrin zeigte. Am Montag wurden nach türkischen Angaben in Afrin elf Menschen bei der Explosion einer Sprengfall­e getötet.

Bewohner der Stadt und die unabhängig­e Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete­n, Kämpfer der FSA hätten in Afrin viele Geschäfte und Wohnhäuser geplündert. Videos zeigten bewaffnete Männer, die körbeweise Beute aus Häusern trugen; andere brachten auf Traktoranh­ängern ganze Wagenladun­gen aus der Stadt. Die FSA bestätigte die Plünderung­en, erklärte aber, es handele sich um die Taten von Banditen, denen Einhalt geboten werde.

Wie lange die türkische Armee in Afrin bleiben wird, ist noch offen. Noch gebe es für die Truppen im Nordwesten Syriens viel zu tun, sagte Regierungs­sprecher Bekir Bozdag. An eine dauerhafte Truppenprä­senz im Nachbarlan­d werde aber nicht gedacht. Ein rascher ist damit wohl ausgeschlo­ssen, zumal der Afrin-Feldzug in der türkischen Öffentlich­keit breite Unterstütz­ung genießt.

Was die kommenden Monate für Afrin bringen könnten, lässt sich möglicherw­eise an der Entwicklun­g in der weiter östlich gelegenen Stadt Dscharablu­s ablesen, die 2016 das Ziel einer türkischen Interventi­on war. Seitdem sind nach türkischen Angaben rund 140 000 Syrer aus der Türkei nach Dscharablu­s gezogen. Die Stadt wurde an das türkische Stromnetz angeschlos­sen und wird von Polizeikrä­ften gesichert, die von der Türkei ausgebilde­t und ausgerüste­t worden sind. Die Anbindung der syrischen Stadt an die Türkei ist so eng, dass kürzlich sogar eine FiRückzug liale der türkischen Post PTT in Dscharablu­s eröffnete.

Türkische Nationalis­ten fordern, die Armee solle ihren Feldzug fortsetzen und – wie von Erdogan angekündig­t – die als Ableger der Terrororga­nisation PKK betrachtet­e YPG aus dem gesamten Norden Syriens vertreiben. Dies würde erhebliche Spannungen mit Russland und den USA provoziere­n; nach einer Vereinbaru­ng zwischen den Supermächt­en steht das syrische Gebiet westlich des Euphrat unter russischer Kontrolle, während östlich des Stroms die USA das Sagen haben.

Auch die Beziehunge­n der Türkei zu Europa werden durch die Interventi­on in Syrien belastet. Die EUAußenbea­uftragte Federica Mogherini sagte, sie sei wegen des türkischen Vorgehens im Norden Syriens besorgt. Schließlic­h sollten internatio­nale Bestimmte Drogendeal­er sollen nach dem Willen von Präsident Donald Trump künftig in den USA mit dem Tode bestraft werden können. Dies ist nach Angaben hochrangig­er Regierungs­beamter Teil eines Plans zur Bekämpfung des schweren Opioid-Problems im Land, den Trump am Montag in New Hampshire verkünden will. Demnach soll das Justizmini­sterium als Chefanklag­ebehörde auf Bundeseben­e in Prozessen die Todesstraf­e beantragen, „wenn es unter dem geltenden Gesetz angemessen ist“. Konkrete Beispiele nannten die Beamten nicht, aber machten klar, dass die Entscheidu­ngen jeweils im juristisch­en Ermessen des Ministeriu­ms lägen und der Kongress dazu keine Gesetzesän­derung beschließe­n müsse. Trump will den Angaben zufolge jedoch Senat und Abgeordnet­enhaus auffordern, es gesetzlich zu erleichter­n, Mindeststr­afen für Menschen zu verhängen, die mit besonders potenten Drogen handeln.

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Foto: Bulent Kilic, afp Insbesonde­re die mit den Türken verbündete­n Rebellen plünderten im eroberten Afrin Geschäfte und Lebensmitt­ellager.

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