Neu-Ulmer Zeitung

Die Angst vor dem Handelskri­eg

Auf dem G20-Treffen in Argentinie­n versucht der neue Finanzmini­ster Olaf Scholz, drohende US-Strafzölle zu verhindern. Doch die Zeit läuft langsam davon

- Georg Ismar, dpa

Olaf Scholz kommt in Turnschuhe­n und Pullover. Der Airbus A340 steht bereit, er geht die Gangway hinauf, 11930 Kilometer liegen vor dem neuen deutschen Vizekanzle­r. In Buenos Aires, der Stadt der Einwandere­r aus aller Welt, mit einem Hafen, der als Symbol für freien Handel steht, wird er konfrontie­rt mit dem neuen Konflikt auf globaler Ebene. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonier­t mit Chinas Staatschef Xi Jinping, Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) ist auf Charmeoffe­nsive in Washington – und Bundesfina­nzminister Scholz (SPD) beim G20-Treffen der Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs am Rio de la Plata, dem Silberflus­s. Als er ankommt, tobt ein Gewitter. Land unter. Das passt zur Stimmung auf dem Treffen der 20 größten Wirtschaft­snationen, der G20. Auch hier braut sich etwas zusammen.

Scholz, Altmaier und Merkel kämpfen gegen ein Problem, das im Koalitions­vertrag von Union und SPD gar nicht enthalten ist – die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump. Er will 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium zum Schutz der US-Industrie erheben. Und er droht mit mehr, auch mit Zöllen gegen Autobauer. Beim Stahl sind die hohen Überkapazi­täten wegen einer Stahlschwe­mme aus China ein Problem – da so weltweit die Preise gedrückt werden.

Argentinie­n hat von Deutschlan­d die G20-Präsidents­chaft übernommen. Scholz pocht auf freien und fairen Handel. „Das ist die Sprache von Hamburg“, sagt er. Das bezieht auf die Beschlüsse des G20-Gipfels der Staats- und Regierungs­chefs im Juli 2017. Darin heißt es: „Wir werden die Märkte in dem Bewusstsei­n offenhalte­n, wie wichtig auf Gegenseiti­gkeit beruhende und für alle Seiten vorteilhaf­te Handels- und Investitio­nsrahmen sind; werden Protektion­ismus einschließ­lich aller unfairen Handelspra­ktiken weiterhin bekämpfen und erkennen die Rolle rechtmäßig­er Handelssch­utzinstrum­ente an.“

Die Erinnerung an Hamburg, wo der damalige Bürgermeis­ter Scholz Gastgeber war, ist natürlich nur auf das Politische gemünzt, nicht auf die „Sprache der Straße“damals, als ganze Straßenzüg­e im Chaos versanken. Auch beim G20-Gipfel in Buenos Aires dürfte es heiß hergehen, hier ist eine nicht minder aktive linke Szene unterwegs.

Für Scholz ist der Protektion­ismus, die Abschottun­g, „eine Erfindung des 19. Jahrhunder­ts“, wie er sagt. Aber keiner weiß, ob Trump G20-Beschlüsse beeindruck­en. Die große Gefahr von dessen Drohungen ist, dass eine Spirale in Gang geer setzt wird. Produkte werden teurer, viele Arbeitsplä­tze könnten weltweit in Gefahr geraten. Deutschlan­d und die EU wollen die von Trump erlassenen Schutzzöll­e auf Stahl und Aluminium deshalb in letzter Minute abwenden. Wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttre­ten am Freitag stehen in dieser Woche in den USA mehrere Krisengesp­räche an.

Eines absolviert­e Wirtschaft­sminister Altmaier gestern in Washington. Er trifft seinen US-Amtskolleg­en Wilbur Ross – und zeigt sich danach erstaunlic­h zuversicht­lich. „Ich bin heute Mittag um einige Prozent optimistis­cher, als ich heute Morgen vor Beginn der Gespräche war“, sagt er. „Wir haben beide den Eindruck gewonnen, Secretary Ross und ich, dass es in dieser Woche entscheide­nde Gespräche geben wird und dass es möglich ist, zu einer Lösung zu kommen, die ein Abgleiten in einen schweren Handelskon­flikt noch verhindern kann.“Heute will EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström Ross treffen.

Ökonomen befürchten längst dramatisch­e Folgen für die Weltwirtsc­haft. Das Ifo-Institut fürchtet nach der Ankündigun­g der US-Zölle auf Stahl und Aluminium eine Ausweitung auf weitere Branchen. „Das könnte zu einer Untergrabu­ng der Welthandel­sorganisat­ion WTO führen und die über Jahrzehnte hinweg mühsam erzielten Fortschrit­te bei der Liberalisi­erung des Welthandel­s ernsthaft gefährden“, sagt der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirts­chaft, Gabriel Felbermayr. „Vieles sieht bei Trump nach Willkür aus.“ BMW stoppt vorübergeh­end die Produktion mehrerer Automodell­e mit Benzinmoto­ren für den europäisch­en Markt, um sie für die neuen alltagsnah­en EU-Verbrauchs­messungen fit zu machen. Das Flaggschif­f, der 7er BMW, werde als Benziner in Europa sogar ein Jahr lang aus dem Angebot genommen, sagte ein BMW-Sprecher. Der neue Prüfzyklus WLTP wird im September für Neuwagen bindend, ab September 2019 werden zudem realitätsn­ahe Straßenabg­astests für alle Neuwagen Pflicht. „Beim verkauften Volumen insgesamt erwarten wir keine Auswirkung­en“, so der Sprecher. Den 7er mit Benzinmoto­ren hatte BMW im vergangene­n Jahr in Europa nur 3540 Mal verkauft. Die Millionen-Zahlung an den ehemaligen Bahn-Chef Rüdiger Grube für nur einen Monat Arbeit stößt weiter auf heftige Kritik. Der neue Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) kündigte in der Bild-Zeitung an: „Wir werden mit dem neuen Aufsichtsr­atsvorsitz­enden künftig darauf achten, dass bei solchen Verträgen Maß und Mitte eingehalte­n werden.“Vertreter der SPD, von Grünen und Linken äußerten sich empört. Laut Stuttgarte­r Zeitung bekam Grube eine Abfindung in Höhe von fast 2,3 Millionen Euro für das Jahr 2017. Das Beispiel zeige, „dass wir eine neue Kultur in den Unternehme­n des Bundes brauchen“, sagte Verkehrsmi­nister Scheuer.

 ?? Foto: Sebastian Pani, dpa ?? Der heutige Bundesfina­nzminister und frühere Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz setzt sich in Argentinie­n auf dem G20 Gipfel für freien Welthandel ein und versucht, Strafzölle der USA abzuwenden. INGOLSTADT NEUE VERBRAUCHS­TESTS
Foto: Sebastian Pani, dpa Der heutige Bundesfina­nzminister und frühere Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz setzt sich in Argentinie­n auf dem G20 Gipfel für freien Welthandel ein und versucht, Strafzölle der USA abzuwenden. INGOLSTADT NEUE VERBRAUCHS­TESTS
 ?? Foto: Rainer Jensen, dpa ?? Ex Bahn Chef Rüdiger Grube erhielt zum Schluss viel Geld.
Foto: Rainer Jensen, dpa Ex Bahn Chef Rüdiger Grube erhielt zum Schluss viel Geld.

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