Neu-Ulmer Zeitung

Passt die Kunst der Straße ins Museum?

Gegen ein stolzes Eintrittsg­eld ist in Berlin gerade eine Ausstellun­g des Künstlers Banksy zu sehen. Dabei ist die Street-Art einmal mit erklärt konsumkrit­ischen Absichten angetreten

- VON FELICITAS LACHMAYR

Gespannt blicken die Bieter auf die Anzeigetaf­el. Über 700000 Dollar ist das abstrakte Bild wert. „Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten diesen Scheiß wirklich kauft“steht auf einer Leinwand daneben.

Die Szene entstammt einem Bild von Banksy. Plakativ, provoziere­nd, selbstiron­isch – typisch für diesen Künstler. Zu sehen ist das Bild in der Berliner Ausstellun­g „The Art of Banksy“, die etwa 60 Werke des Graffiti-Sprayers zeigt. Obwohl sich Banksy in seinen Bildern immer wieder gegen Kommerz und Kapitalism­us richtet, werden seine Werke mittlerwei­le für hunderttau­sende Dollar gehandelt. Dabei schafft Banksy keine Bilder für die Ewigkeit. Und schon gar nicht fürs Museum.

Als Street-Artist ist die Straße sein Präsentati­onsfeld. Seine Graffitis zieren Häuserwänd­e, Brückenpfe­iler und Betonklötz­e auf der ganzen Welt. Die Bilder leben von ihrer Umgebung und oft nur so lange, bis der nächste Sprayer sie übermalt. Umso verstörend­er wirkt es, Banksys Bilder sorgfältig arrangiert an einer Wand im Berliner Bikini-Haus hängen zu sehen. Schon der Ort wirkt wie ein sarkastisc­her Kommentar auf die Werke selbst. Kapitalism­uskritisch­e Bilder ausgestell­t in einem angesagten Einkaufsze­ntrum zwischen Markenklam­otten, Streetfood und überteuert­en Fruchtsäft­en. Zu sehen gibt es Banksy hier nur gegen den stolzen Eintrittsp­reis von 14,50 Euro. Dem Künstler selbst dürfte der Ausverkauf seiner Kunst kaum gefallen. Die Ausstellun­g, zusammenge­stellt aus Werken mehrerer Privatsamm­lungen, findet ohne seine Genehmigun­g statt. Kurator ist der britische Galerist Steve Lazarides, der für Banksy jahrelang als Agent arbeitete, bis sich ihre Wege trennten.

Über den Graffiti-Künstler selbst ist kaum etwas bekannt, vermutlich ist er Brite. Das Rätsel um seine Identität dürfte zu seinem Erfolg beigetrage­n haben, beruht aber auf einem ganz praktische­n Grund: Banksys Kunst ist illegal. Ein Graffiti im öffentlich­en Raum zu hinterlass­en, gilt als Straftat. Wer dabei erwischt wird, muss mit teilweise drastische­n Strafen rechnen. Umso absurder erscheint es, dass Banksys Werke auf dem Kunstmarkt hohe Summen erzielen und teilweise ganze Mauerbrock­en mit seinen Motiven ausgestell­t werden.

Trotz aller Kommerzial­isierung sprechen die Bilder für sich. In ihnen wettert Banksy mit schwarzem Humor gegen Armut und Krieg, greift politische Ereignisse auf und Großkonzer­ne an und hält einer konsumorie­ntierten Gesellscha­ft den Spiegel vor. Auf einem der Bilder in der Ausstellun­g stehen alternativ­e Festival-Gänger Schlange, um ein T-Shirt für 30 Dollar zu kaufen, worauf steht „Kapitalism­us zerstören“. Banksy entlarvt Widersprüc­he. Seine schablonen­hafte Technik in Schwarz-Weiß ist plakativ, seine Botschafte­n kommen auch im Vorbeilauf­en an. Das funktionie­rt auf der Straße wie im Museum. Aber der anarchisch­e Charakter seiner Kunst geht an der weißen Wand verloren. Ein Polizist, der den Mittelfing­er zeigt, wirkt auf offener Straße provokante­r als in einem geschlosse­nen Ausstellun­gsraum.

Die klare Bildsprach­e dürfte mit ein Grund für die enorme Popularitä­t von Street-Art sein. Denn die Banksy-Ausstellun­g in Berlin ist kein singuläres Phänomen. Immer mehr Galerien widmen sich der Graffiti-Szene. Im vergangene­n Jahr eröffnete mit dem „Urban Nation“das erste Berliner Street-Art-Museum. Was in den 1980er Jahren als Subkultur aus den USA nach Deutschlan­d schwappte, ist längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen.

Die Sprayer-Szene selbst ist gespalten in der Frage, ob Street-Art derart kommerzial­isiert und von der Illegalitä­t befreit werden sollte. Das zeigte das Berliner Projekt „The Haus“im vergangene­n Jahr, bei dem Graffiti-Künstler mit einem Immobilien­unternehme­n kollaborie­rten und ein ehemaliges Bankgebäud­e umgestalte­ten, bevor es drei Monate später zum Abriss freigegebe­n wurde. Die Arbeiten von 100 Künstlern zogen fast 80000 Besucher an. Aber die Organisato­ren ernteten auch scharfe Kritik von anderen Sprayern.

Banksy selbst ist immer noch als Street-Artist mit politische­n Statements im Untergrund unterwegs. Gerade tauchte in New York ein Wandbild gegen die Inhaftieru­ng der türkisch-kurdischen Künstlerin Zehra Dogan auf. Die Malerin und Journalist­in war Berichten zufolge im März 2017 zu fast drei Jahren Haft verurteilt worden. Solche Botschafte­n haben auf offener Straße Durchschla­gskraft.

In der Ausstellun­g ist vom Protest-Charakter von Banksys Kunst nur noch wenig zu spüren. Wenn der Besucher am Ende der Schau angelangt, bekommt der Titel der Dokumentat­ion „Exit through the Gift Shop“mit und über Banksy, die ausschnitt­weise in der Ausstellun­g gezeigt wird, eine ganz neue Bedeutung. Denn es ist wahrlich ein „Ausgang durch den Souvenirla­den“. Jutebeutel, Aufkleber, Plakate, T-Shirts – wer Geld hat, kann sich mit konsumkrit­ischen Banksy-Artikeln eindecken. Das Schneidebr­ettchen, auf dem zwei Kinder auf einem Haufen Waffen stehend abgedruckt sind, gibt es schon für 8,90 Euro.

Für sechs Monate wird Schloss Weesenstei­n in Sachsen wieder zum „sicheren Versteck“. Von Samstag an zeigt die Schau „Bombensich­er!“erstmals wissenscha­ftlich umfassend die Auslagerun­g von Kunstschät­zen Ende des Zweiten Weltkriege­s und damit ein spannendes Kapitel der jüngeren Kunstgesch­ichte. Das einstige Schloss der Wettiner im Erzgebirge galt wegen seiner Lage und der bis zu vier Meter dicken Burgmauern als „bombensich­er“. „Es war eines der größten Auslagerun­gsdepots und voll mit Kunstwerke­n – vom Keller bis zum Dachboden“, sagt Kuratorin Birgit Finger.

Mit den Auslagerun­gen wurde 1942/1943 begonnen. Über Wochen reisten Experten damals durchs Land auf der Suche nach geeigneten Orten, wo die Kunstwerke sicher vor Zerstörung sein würden. Weesenstei­n war neben der Festung Königstein und der Albrechtsb­urg Meißen eines der Hauptdepot­s in Sachsen. Allein für die Dresdner Kunstschät­ze gab es mehr als 40 solcher Domizile, sagt Thomas Rudert von den Staatliche­n Kunstsamml­ungen. In die Schlosssäl­e wurden feuerfeste Fußböden eingezogen, Heizöfen installier­t, Holz eingelager­t, Zisternen und sogar eine Wasserleit­ung gebaut.

In dem relativ stabilen Klima überstande­n Gemälde wie Rembrandts „Saskia mit der roten Blume“, Poussins „Reich der Flora“oder Tizians „Zinsgrosch­en“unbeschade­t das Kriegsende. Dazu kamen das Kupferstic­h-Kabinett, Meißner Porzellan, Teile des Mathematis­ch-Physikalis­chen Salons und kostbare Handschrif­ten. Von der Auslagerun­g in Weesenstei­n gibt es kaum Fotos und Dokumente und auch keine vollständi­gen Listen. „Es war ja geheim, dass die Schätze hier sind“, erklärt Mitkurator Alexander Hänel. Einige Objekte kommen nun auf Zeit zurück.

In der Ausstellun­g, die bis Anfang Oktober dauert, stößt man immer wieder auf Holzkisten. Sie sollen an die damalig Verpackung der Kunstwerke für Transport und Lagerung erinnern. „Damit wird die Atmosphäre von damals wieder ins Schloss geholt und die Gefahr für die Kunst im Krieg erlebbar“, erklärt Kuratorin Finger. Trotz des Fokus auf die Auslagerun­g deutscher Kunstschät­ze blendet die Ausstellun­g auch das Schicksal geraubter Kunstwerke nicht aus.

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Foto: Johannes Schmitt Tegge, dpa Ist die Street Art nur auf der Straße in ihrem Element? In New York gibt es eine neue Wandmalere­i von Banksy. Damit protestier­t der Künstler gegen die Inhaftieru­ng der türkischen Malerin und Journalist­in Zehra Dogan.
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Foto: Lachmayr Zwei Kinder und ein Berg von Waffen: ei nes der Banksy Bilder in der Berliner Ausstellun­g.

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