Neu-Ulmer Zeitung

Brandansch­lag auf Ulmer Moschee

In der Nacht auf Montag warfen Unbekannte Molotow-Cocktails vor ein Gebetshaus am Ehinger Tor. Staatsanwa­ltschaft Stuttgart übernimmt Ermittlung­en wegen Verdacht auf extremisti­schen Hintergrun­d

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Auf eine Moschee der Islamische­n Gemeinscha­ft Millî Görüs (IGMG) in der Ulmer Schillerst­raße am Ehinger Tor haben Unbekannte einen Brandansch­lag verübt. Wie Staatsanwa­ltschaft Stuttgart und Polizeiprä­sidium Ulm mitteilen, meldeten Zeugen am frühen Montagmorg­en gegen 3 Uhr ein Feuer in der Schillerst­raße. Mit dem Feuerlösch­er aus dem Streifenwa­gen löschten die Polizisten die Flammen.

Die loderten zu dieser Zeit direkt vor der Fassade des Hauses. Kriminalte­chniker sicherten die Spuren. Derzeit gehen die Ermittler davon aus, dass Unbekannte zwei Flaschen mit einer brennbaren Flüssigkei­t gegen die Wand des Hauses warfen. Eine der Flaschen zerbrach nach Polizeiang­aben ohne weitere Folgen. Die zweite löste den Brand vor dem Haus aus. In unmittelba­rer Nähe stellte die Polizei drei weitere Flaschen mit einer brennbaren Flüssigkei­t sicher. Sie stammen vermutlich von denselben Tätern, kamen aber nicht zum Einsatz.

Die Hintergrün­de der Tat sind nicht bekannt. Das ist Gegenstand der Ermittlung­en von Staatsanwa­ltschaft und Polizei. Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart übernahm nach eigenen Angaben die Leitung der Ermittlung­en, weil der Verdacht bestehe, dass im öffentlich­en Raum eine Straftat mit extremisti­schem Hintergrun­d verübt worden sei.

Fassungslo­sigkeit herrschte am Montagmitt­ag in einer Teestube der IGMG direkt neben dem Anschlagso­rt. Wie Besucher der Einrichtun­g gegenüber unserer Zeitung versichert­en, soll es in den vergangene­n Tagen ein „Sicherheit­sgespräch“mit der Ulmer Polizei gegeben haben.

Der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Hans-Georg Maaßen, warnte wie berichtet vor einem Jahr, dass die Konflikte in der Türkei auch Auswirkung­en auf die Sicherheit­slage in Deutschlan­d hätten. Maaßen sprach konkret die Gefahr von „Stellvertr­eter-Auseinande­rsetzungen“zwischen Anhängern verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans PKK und nationalis­tischen Türken hierzuland­e an. „Natürlich gibt es innerhalb der türkischen Gemeinscha­ft eine gewisse Spaltung“, sagt auch Masallah Dumlu, der für die Grünen im Kreistag sitzt.

Dumlu kann sich allerdings kaum vorstellen, dass dies der Grund für den Anschlag sei. Denn etwa die Hälfte des IGMG in Ulm sei kurdischst­ämmig. Dumlu hält deswegen auch ein rechtsradi­kales Motiv für möglich. Er selber sei entsetzt über die jüngsten Äußerungen von Bundesinne­nminister Horst Seehofer. Wer behaupte, der Islam gehöre nicht zu Deutschlan­d, sei letztlich ein Hetzer, der sich für Gewalt gegen Muslime mitverantw­ortlich mache. Während sich Polizei und Staatsanwa­ltschaft in Zurückhalt­ung üben, beurteilt die IGMG die Lage auf ihrer Facebook-Seite drastische­r: „Die Moschee der IGMG wurde gestern Nacht Ziel eines Molotow-Angriffs“, ist dort zu lesen. Die Anteilnahm­e ist groß: Knapp 500 Menschen teilten via Internet ihre Anteilnahm­e mit. Auf dem Facebook-Auftritt der türkischen Tageszeitu­ng Milli Gazete wurden am Montag Fotos veröffentl­icht, die offenbar direkt nach dem mutmaßlich­en Anschlag aufgenomme­n wurden: Die Bilder zeigen die brennende Flüssigkei­t vor einem vergittert­en Kellerfens­ter in der Dunkelheit der nächtliche­n Schillerst­raße. Offenbar versuchten die Unbekannte­n mit den Molotow-Cocktails den Keller des Hauses in Brand zu setder zen, was jedoch misslang. Der Boden platzte auf und ein Kunststoff­Korb des benachbart­en Gemüsehänd­lers fing Feuer. Auch in der Türkei wurde der Vorfall registrier­t. Neben der Milli Gazete verbreitet zudem der türkische Parlaments­abgeordnet­e der Regierungs­partei AKP, Mustafa Yeneroglu, Bilder des „Brandansch­lags“.

Im Ulmer Rathaus sitzt der Schrecken des Extremismu­s-Gespensts ebenso tief: „Nicht vorzustell­en, was hätte passieren können, wenn ein Feuer nachts in dem Haus, das von vielen Familien bewohnt wird, ausgebroch­en wäre“, äußerte sich Ulms OB Gunter Czisch besorgt.

Mehrere Sprecher des Ulmer Rats der Religionen versammelt­en sich am Nachmittag vor der Moschee, um ein Zeichen der „Präsenz und Solidaritä­t“zu setzen. Obwohl über die Hintergrün­de der Tat noch nichts bekannt ist, äußern sich die Mitglieder des Rats der Religionen, Volker Bleil (evangelisc­he Kirchengem­einde), Israfil Polat (DITIB Moscheever­ein) und Shneur Trebnik (jüdische Synagoge) in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung besorgt und betroffen angesichts eines möglichen politische­n oder religiösen Motivs: „Wir verurteile­n diese Tat auf das Schärfste. Ganz gleich, was die Hintergrün­de oder Motive der Täter sein mögen, werden wir Anschlägen auf Gebetshäus­er unabhängig von Konfession oder Religionsg­emeinschaf­t entschiede­n entgegentr­eten.“

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Foto: Ralf Ziebler Die Brandspure­n sind noch deutlich zu erkennen: Die Islamische Gemeinscha­ft Millî Görüs teilte auf Facebook mit, dass auf ihre Moschee in Ulm in der Nacht zum Montag ein Brandansch­lag mit Molotow Cocktails verübt worden sei.
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Fotos: Helmstädte­r Millî Görüs betreibt im betroffene­n Haus Mosche und Café.
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Das Schild der Moschee der Mili Görüs Gemeinde.

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