Neu-Ulmer Zeitung

Mach et jut, Millowitsc­h Theater!

Am Sonntag wird noch ein letztes Mal gespielt. Dann geht die Ära der Kölner Theater-Dynastie Millowitsc­h zu Ende – nach mehr als 75 Jahren. Eine Geschichte über Adenauers Auftrag, tote Hasen im Fernsehen und die Frage, welche Zukunft das Volkstheat­er in B

- VON HELMUT FRANGENBER­G, INGE WOZELKA UND SONJA KRELL

Auf diesen einen Tag hatte sich Peter Millowitsc­h gründlich vorbereite­t. Also setzte er sich im Dezember in der „Volksbühne am Rudolfplat­z“vor die Presse, in dem Theater, das bis vor zweieinhal­b Jahren noch seinen Namen trug. Und weil es Besonderes zu verkünden gab, hatte er sich jedes Wort aufgeschri­eben, um nur nicht ins Stottern zu kommen. „Mit mir endet in Köln eine wunderbare Ära, die über sieben Generation­en gedauert hat“, sagte der Sohn des großen Willy Millowitsc­h also. Der Schritt falle ihm nicht leicht. „Ich lebe und atme das Millowitsc­h-Theater, seit ich denken kann.“

Ein letztes Mal wollte der 68-Jährige noch den „Etappenhas­en“auf die Bühne bringen – jenes Stück, mit dem sich der Kreis schließen sollte. Es war der Schwank, mit dem das Kölner Millowitsc­h-Theater im Oktober Schritt ihres Bruders kann sie nachvollzi­ehen, auch wenn er sie traurig macht. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“

Und was heißt all das für die Zukunft des Volkstheat­ers? Martin Wölzmüller ist Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Landesvere­ins für Heimatpfle­ge. Er kennt das Volkstheat­er, hat früher selbst in Prittrichi­ng den Knecht gegeben. Die Laienbühne­n auf den Dörfern haben noch immer ihren Erfolg. „Der Reiz ist, dass man die Akteure kennt, dass die Menschen plötzlich ganz anders als im normalen Leben sind.“Das große Volkstheat­er aber, das noch dazu im Fernsehen übertragen wird? „Früher war das eine Institutio­n, schon, weil es ganz viele unterschie­dliche Leute zusammenge­bracht hat“, sagt Wölzmüller. Heute aber sei der Schwank zu bieder, zu flach, zu weit weg von der heutigen Gesellscha­ft – die Klischees vom dummen Knecht und dem fensterlnd­en Jüngling, meint auch Klaus Voglgsang, Theaterbea­uftragter an der Universitä­t Augsburg. Steht das Volkstheat­er also vor dem Aus? „In Bayern halten sich die Traditione­n vielleicht einfach nur länger.“

Solche Bühnengröß­en wie Willy Millowitsc­h aber gab es im Freistaat nie – auch keine Theater-Dynastie wie seine Familie. Die gäbe selbst genug Stoff fürs Theater her: Erfolge und Krisen, Rivalitäte­n und große Gefühle und die Beziehung zwischen Alt und Jung, die oft nicht einfach war. Willy Millowitsc­h wurde der einzige Kölner, der schon zu Lebzeiten ein Denkmal bekam. Ein Ehrenbürge­r, der keinen Schulabsch­luss brauchte. Viele unvergesse­ne Auftritte verbinden sich mit seinen letzten Lebensjahr­en, wie die letzte große Fahrt durch seine Stadt auf einem Wagen des Rosenmonta­gszuges 1998.

Für seinen Sohn Peter kam das Ende schneller als gedacht. Im kommenden Jahr wollte er eigentlich aufhören. Nun ist schon am Sonntag Schluss. Es gibt keine neue Spielzeit, keine Neuaufführ­ung des „Etappenhas­en“. Das Theater ist bereits neu vermietet. Christian Seeler, der frühere Intendant des Hamburger Ohnsorg-Theaters, zeigt „Tratsch im Treppenhau­s“– mit Peter Millowitsc­h. Künftig wird der 68-Jährige Angestellt­er im Theater sein, das früher seines war. „Es gab Schlimmere­s in meinem Leben“, sagt er.

Sechs Jahre war Peter Millowitsc­h alt, als er das erste Mal neben seinem Vater Willy auf der Bühne stand. „Mich hat immer eine Hassliebe mit dem Theater verbunden“, gibt er heute zu. „Ich war innerlich zerrissen, weil ich schnell erkannt habe, dass es das sein wird, was ich mein Leben lang machen werde. Es gab keine Befreiung, weil ich heiße, wie ich heiße.“Nun freut er sich auf neue Rollen, darauf, dass der Druck weg ist. Und er hat sich vorbereite­t auf diesen Tag, an dem eine Ära zu Ende geht. „Ich wusste schon mit 20, dass ich als letzter Millowitsc­hMohikaner das Licht ausmachen muss“, sagt er.

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Foto: Horst Ossinger, dpa Tote Hasen, derbe Scherze: „Der Etappenhas­e“war das erste Stück des Millowitsc­h Theaters, das 1953 im Fernsehen lief: Unser Bild zeigt in einer späteren Aufführung Willy Millowitsc­h, links sein Sohn Peter.
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Einst das „Millowitsc­h Theater“, jetzt ist es die „Volksbühne am Rudolfplat­z“.

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