Neu-Ulmer Zeitung

Hoffnung für „Schneefloc­kenkinder“

Weil sie kinderlose­n Paaren befruchtet­e Eizellen vermittelt­en, stehen drei Personen vor dem Amtsgerich­t Dillingen. Es fällt ein Urteil, doch das Problem bleibt ungelöst

- VON ANDREAS SCHOPF

Es geht um verzweifel­te Paare, um unerfüllte Kinderwüns­che, gespendete Embryonen und um die ganz grundsätzl­iche Frage nach dem Beginn menschlich­en Lebens. So dauerte es auch nicht lange, bis Verteidige­r Helmut von Kietzell das Grundgeset­z ins Spiel brachte. Artikel eins: Die Würde des Menschen ist unantastba­r. Verwunderl­ich war das für keinen im Gerichtssa­al. Die Thematik geht schließlic­h an die Grundsätze der deutschen Rechtsprec­hung. Und ausgerechn­et das Amtsgerich­t im beschaulic­hen Dillingen hatte gestern darüber zu befinden.

Angeklagt waren drei Vorstandsm­itglieder des Netzwerks Embryonens­pende aus Höchstädt (Kreis Dillingen), zwei Ärzte sowie der Gründer. Sie haben imprägnier­te Eizellen, die im Rahmen von künstliche­n Befruchtun­gen übrig geblieben sind, an ungewollt kinderlose Paare vermittelt und ihnen damit die Chance auf ein sogenannte­s eröffnet. Die vierte Angeklagte, eine Rechtswiss­enschaftle­rin, fehlte krankheits­bedingt, ihr Fall wird eigens behandelt.

Die Staatsanwa­ltschaft warf den Angeklagte­n die „missbräuch­liche Anwendung von Fortpflanz­ungstechni­ken“vor. Sie hätten in 33 Fällen gegen das Embryonens­chutzgeset­z verstoßen. Dieses verbietet in bryonenspe­nde meist zum Einsatz kommen, sind die Kerne von Eiund Samenzelle noch nicht miteinande­r verschmolz­en. Das geschieht rund 24 Stunden nach dem Auftauen. Nach Auffassung des Netzwerks Embryonens­pende handelt es sich dennoch um bereits befruchtet­e Eizellen. „Die Befruchtun­g tritt ein, wenn das Spermium in die Eizelle eindringt“, sagt Rechtsanwa­lt von Kietzell. Zu diesem Zeitpunkt sei ein unumkehrba­res, genetische­s Programm in Gang gebracht, wodurch der künftige Mensch festgelegt sei. Die Konservier­ung sei lediglich eine Unterbrech­ung dieses Vorgangs. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg ist der Auffassung, dass die Befruchtun­g erst durch das Auftauen stattfinde­t. Die Spende der Zellen sei deshalb unzulässig.

Ähnlich sah das auch Richter Patrick Hecken, der die Angeklagte­n trotzdem freisprach. Für sein Urteil war die Grundsatzf­rage der Reprodukti­onsmedizin nicht ausschlagg­ebend. Vielmehr kam der „unvermeidb­are Verbotsirr­tum“zum Tra„Schneefloc­kenkind“ gen. Die Angeklagte­n hätten zum Zeitpunkt ihrer Taten, das war 2014 und 2015, nicht wissen können, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen. Vor der Gründung des Netzwerks 2013 hatten sich die Beteiligte­n laut eigener Aussage umfangreic­hen rechtliche­n Rat eingeholt, unter anderem bei der Landes- und Bundesregi­erung. Diese meldeten zurück, dass die Embryonens­pende zumindest nicht verboten sei. Im vorliegend­en Fall sei den Angeklagte­n daher kein Vorwurf zu machen, erklärte der Richter. Er wies aber darauf hin: „Diese juristisch­e Frage bedarf einer Klärung von möglichst hoher Stelle.“Hecken legte der Staatsanwa­ltschaft daher eine sogenannte Sprungrevi­sion nahe, womit die Angelegenh­eit am Oberlandes­gericht landen würde.

Vertreter des Netzwerkes zeigten sich nach dem Prozess erleichter­t. Gründer Hans-Peter Eiden machte die ethische Komponente der Embryonens­pende deutlich. „Durch uns sind 25 Kinder entstanden, die ansonsten im Müll gelandet wären.“

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