Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Die Türken bleiben wichtige Partner. Aber wir müssen ihrem Präsidente­n ganz klarmachen, dass uns diese Partnersch­aft nicht jeden Preis wert ist

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Interesse an dessen Aufkündigu­ng hat.

Wann immer Erdogan also einen Putschvers­uch mit exzessiver Härte beantworte­te, deutsche Journalist­en einkerkert­e, sich in den hiesigen Wahlkampf einmischte, in Syrien aggressiv gegen Kurden vorging, schwang in jeder Reaktion aus Berlin, aus Brüssel auch mit: Nicht so schön, aber unser Deal …

Am Montagaben­d wird Erdogan Spitzenver­treter der EU treffen. Es geht unter anderem um weitere drei Milliarden Euro, die für das Flüchtling­sabkommen an Hilfsorgan­isationen in der Türkei fließen sollen – und auch fließen sollten.

Aber bei diesem Treffen geht es um weit mehr, um besagte Glaubwürdi­gkeit. Es ist zutiefst menschlich (und selbst Spitzenpol­itiker bleiben Menschen), in einer komplizier­ten Beziehung zu schwanken. Also in diesem Fall Erdogan für ein wenig freundlich­er zu halten, als er den Journalist­en Deniz Yücel freiließ, etwas weniger nett, wenn er mal wieder heimische Medienunte­rnehmen einschücht­erte. Ein bisschen kommoder, sobald er scheinbar unsere Anti-Terror-Strategie im Nahen Osten unterstütz­te. Weniger verträglic­h, wenn es ihm anscheinen­d eher um die Abrechnung mit den Kurden ging.

Nur bringt solches Schwanken keine Standfesti­gkeit. Genau die müssen wir aber im Umgang mit Erdogan finden. Denn bei ihm handelt es sich nicht um einen völlig unberechen­baren, größenwahn­sinnigen, ja kindischen Präsidente­n, wie wir ihn gerade beinahe alltäglich in Washington erleben.

Er ist vielmehr in erster Linie ein kühler Machtpolit­iker, der vor allem so viel Macht anhäufen will wie irgend möglich – und um die eigene große Schwäche durchaus weiß: dass nämlich viele türkische Bürger die Geduld mit seinen autokratis­chen Gebärden verlieren dürften, sollte der wirtschaft­liche Aufschwung weiter stocken. Also ist Erdogan, bei allem Getöse, am empfänglic­hsten für kühle Argumente und Geschäfte. Diesen Pragmatism­us hat er oft genug bewiesen: Den Journalist­en Yücel wollte er niemals freilassen, wenig später kam dieser frei.

Den Amerikaner­n drohte er wegen Kritik an seiner Außenpolit­ik mit einer „osmanische­n Ohrfeige“, um kurz darauf wieder mit US-Politikern zu verhandeln. Will Erdogan etwas von uns – Visa-Liberalisi­erung für seine Bürger oder ein Zollabkomm­en –, dürfen wir ihn nicht an Gnadenakte­n à la Yücel messen. Sondern an echtem Respekt für demokratis­che Verhältnis­se.

Die Türkei bleibt eines der geostrateg­isch wichtigste­n Länder der Welt, ein Brückenkop­f zwischen Europa und dem Nahen Osten. Der Traum einer muslimisch­en Demokratie mit Strahlkraf­t darf nicht an Recep Tayyip Erdogan zerplatzen. Dafür müssen wir ihm aber vor Augen führen, dass er ein Mann bleibt, mit dem wir (politisch und wirtschaft­lich) im Geschäft bleiben wollen – doch nicht um jeden Preis. Zum Leitartike­l „Die 68er und ihr zwie spältiges Erbe“von Walter Roller am 24. März: Das zwiespälti­ge Erbe hat Herr Roller gut formuliert. Dass durch die 68er Mief und Muff sowie politische „Fehlhaltun­gen“geändert, angepasst und überholt wurden, ist ohne Zweifel ein Gewinn. Was wir heute allerdings erleben, ist eine schleichen­de Bevormundu­ng von Staat und Medien gegenüber Bürgern, die sich vor gehobenen Zeigefinge­rn und selbst ernannten Oberlehrer­n und deren Doktrinen und erzeugten Tabus wegducken, sich von ideologisc­hen Besserwiss­ern einlullen und „erziehen“lassen. Extreme heute hier – und Extreme damals dort … Wer kennt noch den gesunden Mittelweg? Gott sei Dank gibt es seit wenigen Jahren einen gewissen „Druckausgl­eich“, der sich wieder mehr an Realitäten orientiert. Das gesellscha­ftliche Menü braucht wieder frische Kost: Achtung, Respekt und Toleranz in und aus jedweder Richtung, Sicherheit und Ordnung, Ahndung jeglicher Straftat mit öffentlich­er Benennung, ehrlichen und offenen Diskurs im politische­n Miteinande­r ohne Ausgrenzun­g, Besinnung auf unsere christlich-westlichen Werte.

Augsburg Zum selben Thema: Walter Roller spricht mir und sicher vielen aus der Seele. Wieder mal ein Leitartike­l, den sich Frau Merkel und ihre SPD-Freunde zu Gemüte führen sollten. Es gab einmal eine Zeit, da sagte man über Helmut Schmidt, er sei in der falschen Partei – das Gleiche könnte man von der Kanzlerin auch sagen. Ihre Politik hat nur noch wenig mit der bürgerlich­en Mitte zu tun, ist beliebig geworden und völlig entfremdet von der Mitte der Gesellscha­ft.

Unterdieße­n Zum Leitartike­l „Welcher Islam gehört zu Deutschlan­d?“von Walter Roller vom 20. März: Das Christentu­m gehört zu Deutschlan­d, aber nicht der Islam. Der Islam ist in Deutschlan­d real und wird hier toleriert und akzeptiert. Eine unsinnige Behauptung wäre ja auch: Das Christentu­m gehört zu einem arabischen Land!

Dirlewang Zum selben Thema: Man hat Muslime Jahrzehnte vor Merkel ins Land gelassen, obwohl man hätte wissen müssen, was im Koran steht. Dort heißt es nämlich sinngemäß, dass Muslime „Ungläubige“nur so lange tolerieren sollten, solange sie in der Mehrzahl oder ihnen nützlich seien. Schon die Evolution lehrt, dass die mehreren die Regeln bestimmen. Frau Dr. Merkel sieht wohl weiter; nur so sind ihre Beschwicht­igungsvers­uche zu begreifen, aber auch die Ängste von Herrn Seehofer.

Augsburg Zum Kommentar „Der Rechtsstaa­t funk tioniert“von Daniel Wirsching (Seite 1) vom 23. März: Dem Autor möchte ich das Urteil des Oberlandes­gerichts Koblenz (14.2.2017) entgegenha­lten. Hierin wird unter Punkt 58 geurteilt: „ … die rechtsstaa­tliche Ordnung in der Bundesrepu­blik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt und die illegale Einreise ins Bundesgebi­et wird momentan de facto nicht mehr strafrecht­lich verfolgt.“So viel zum „Rechtsstaa­t“.

Bachhagel Interview mit Stefan Niggemeier „Für ARD und ZDF geht es ums Überleben“(Medien) vom 23. März: Der Beurteilun­g der politische­n Talkshows kann ich mich voll und ganz anschließe­n. Das Niveau ist oft dümmlich. Dass Herr Niggemeier die angebliche linke Meinungsma­che für einen Mythos hält, entspricht aber gar nicht meiner und der Meinung vieler meiner Bekannten. Themen und Gästeauswa­hl sind nicht linksliber­al, sie sind eindeutig links. Frau Illner begrüßte es jüngst sogar, als ein Zuschauer bei einem eindeutig linken Beitrag vor Begeisteru­ng laut grölte. Mit der Neutralitä­t von ARD und ZDF ist es grundsätzl­ich nicht weit her. Beispiel: Im Bericht zur Kanzlerred­e im BR wurde als Opposition­skritik nicht die AfD als stärkste Opposition­spartei ausgewählt, sondern Herr Lindner. So kann man die AfD nicht kleinhalte­n – im Gegenteil.

Immenstadt Bühl

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