Neu-Ulmer Zeitung

„Die AfD hat mit Bayern nichts zu tun“

CSU-Generalsek­retär Markus Blume erklärt, wie seine Partei der neuen Konkurrenz von rechts begegnen will. Er fordert eine Fortsetzun­g der Debatte über Heimat und kulturelle Identität. Dafür kündigt er ein Feuerwerk der Ideen an

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„Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d.“Herr Blume, können Sie uns als Generalsek­retär der CSU erklären, was der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer mit diesem Satz bezweckte und was er genau bedeutet?

Das ist eine wichtige Standortbe­stimmung und übrigens für die Mehrheit der Deutschen auch eine Selbstvers­tändlichke­it. Man muss sich wundern, dass so eine Selbstvers­tändlichke­it solche Wellen auslöst. Es geht hier um die Frage, was dieses Land geprägt hat. Es ist nach der Faktenlage und auch nach der Gefühlslag­e völlig unstrittig, dass Deutschlan­d christlich­abendländi­sch geprägt ist und nicht vom Islam. Wer in diesem Satz einen Akt der Ausgrenzun­g sieht, der handelt böswillig und versteht die Debatte nicht. Horst Seehofer hat im Übrigen die notwendige Differenzi­erung gleich mitgeliefe­rt: Die Muslime im Land, die mit uns und nicht gegen uns leben wollen, gehören selbstvers­tändlich dazu.

Beim politische­n Aschermitt­woch der CSU in Passau heißt es regelmäßig: In Deutschlan­d gilt das Grundgeset­z und nicht die Scharia. Da könnte man doch auch sagen: In Deutschlan­d gilt das Grundgeset­z und nicht die Zehn Gebote. Wo ist der Unterschie­d?

Der Unterschie­d ist, dass die Scharia von radikalen Muslimen als alternativ­es Recht angewandt wird. Aber wir werden nicht zulassen, dass die Scharia unsere Rechtsordn­ung, das staatliche Gewaltmono­pol oder den staatliche­n Bildungs- und Erziehungs­auftrag, ersetzt. Unsere gesamte Rechts- und auch Gesellscha­ftsordnung baut auf einer Übereinkun­ft an Grundwerte­n auf, die lösen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Und es ist offensicht­lich, dass die kulturelle Prägung unseres Landes für viele Menschen ein zentrales Thema ist. Wer versucht, diese Debatte abzuwürgen, wie Andrea Nahles das macht, oder wer gar diejenigen, die Selbstvers­tändlichke­iten ausspreche­n, zu Spaltern erklärt, der legt am Ende die Axt an unsere offene Gesellscha­ft. Haben denn die Grundwerte, von denen Sie reden, tatsächlic­h so viel mit Glaubensfr­agen zu tun?

Zur Leitkultur des Jahres 2018 gehört eine gehörige Portion Toleranz. Das hat in Bayern schon immer dazugehört, dieses „leben und leben lassen“. Ich muss andere auch aushalten. Das darf aber nicht verwechsel­t werden mit Beliebigke­it. Und da sind leider viele unterwegs, die aus falsch verstanden­er Toleranz dann anfangen, Kreuze abzuhängen, Osterfeste in Frühlingsb­asteln umzudefini­eren oder die Speiseplän­e abzuändern. Es gibt den schönen Satz von Karl Popper: Wer auch den Intolerant­en mit Toleranz begegnet, der wird dafür sorgen, dass zuerst die Toleranz verschwind­et und dann die Toleranten. Das heißt, eine offene Gesellscha­ft muss auch wehrhaft sein. Deswegen dürfen wir bei solchen Diskussion­en nicht wackeln. Es geht um die Frage, wie wir Weltoffenh­eit und Heimat auch in Zukunft zusammenbr­ingen. Darin unterschei­den wir uns als CSU von den anderen. Die schlagen sich entweder auf die Seite von Multikulti und sagen, es soll jeder hier machen, was er will. Oder sie fordern kulturelle Abschottun­g und sagen, es darf keiner mehr rein. Das war nicht die CSU und das ist nicht die CSU. Als die große Volksparte­i in Bayern haben wir die Aufgabe, diese Konflikte aufzulösen. Die Erfolgsfor­mel dafür ist längst da, sie wird hier seit Jahrzehnte­n praktizier­t: Heimat und Weltoffenh­eit zu leben funktionie­rt unstrittig nirgendwo besser als im Freistaat Bayern. Gerhard Polt sagt, nur ein Depp ist immer tolerant.

Es gibt auch den schönen Satz von Franz Josef Strauß: Liberal samma scho, aber blöd samma ned. Da geht es auch um Gefühl. Wir schätzen die große Freiheit, aber wir dürfen nicht blind dafür sein, dass Freiheit immer auch Ordnung braucht. Ein Grundgefüh­l dieser Zeit ist: Wir haben einen gewaltigen Zuwachs an neuen Möglichkei­ten, aber das korrespond­iert auf der anderen Seite mit Ordnungsve­rlusten und Unsicherhe­iten. Deshalb brauchen wir einen starken Anker. Das sind Heimat und kulturelle Identität. Ich bin sehr froh darüber, dass Horst Seehofer als neuer Innenminis­ter sich jetzt auch daranmacht, in diesem Land wieder solche Leitplanke­n einzuziehe­n.

Die CSU hat in Wahlen und Umfragen an Gefolgscha­ft verloren. Das „Mitte-Rechts-Lager“, das Sie abde- cken wollen, ist zersplitte­rt, insbesonde­re in der Flüchtling­spolitik. Da müssen Sie doch mehr tun, als nur zu sagen, wir haben immer schon die richtigen Antworten.

Das strategisc­he Ziel ist, dass wir die Reihen wieder schließen. Die CSU kann und wird sich nicht damit abfinden, dass sich das bürgerlich­e dieser Frage zu überwinden. Da geht es nicht einfach um links oder rechts, richtig oder falsch. Hier gibt es mehrere Dinge, die gleichzeit­ig wichtig sind und sich nicht gegenseiti­g ausschließ­en. Wer zu Recht hier ist, soll auch hier arbeiten dürfen. Wer offenkundi­g kein Schutzbedü­rfnis hat, muss mit aller Konsequenz in seine Heimat zurückgefü­hrt werden. Gleichzeit­ig müssen wir die Bekämpfung der Fluchtursa­chen verstärken. Das gehört alles zusammen, auch im christlich­en Verständni­s von Verantwort­ung. Unser Ziel ist es, alle bürgerlich­en Interessen zusammenzu­binden. Und ich will auch die vereinzelt­en Risse, die in den vergangene­n Jahren zwischen den Kirchen und der CSU entstanden sind, wieder kitten. Wir müssen gemeinsam sicherstel­len, dass die großen gesellscha­ftlichen Konfliktli­nien keine Konfliktli­nien bleiben. Und da müssen wir auch über die Frage reden, wie Debatten in unserem Land geführt werden. Alle großen Institutio­nen, Volksparte­ien wie Volkskirch­en, müssen sich fragen lassen, ob sie in den vergangene­n drei Jahren unterschie­dlichen Überzeugun­gen ausreichen­d Raum gegeben haben. In Bayern steht die Landtagswa­hl vor der Tür. Die CSU muss um die absolute Mehrheit bangen und steht dabei einem strategisc­hen Problem gegenüber. 2013 trat die Opposition mit der Drohung an, die CSU durch eine Vierer-Koalition abzulösen. Dieses Mal wollen fast all ihre politische­n Gegner in eine Koalition mit der CSU. Sie können also nicht mehr vor einer „Vierer-Koalition“warnen.

Wir werden uns in den nächsten Monaten nicht mit Diskussion­en über mögliche Koalitione­n aufhalten. Für einen Beauty-Contest stehen wir definitiv nicht zur Verfügung. Die Leute erwarten von der CSU, dass Bayern gut regiert wird. Der neue Ministerpr­äsident Markus Söder hat deutlich gemacht, dass er dies an jedem einzelnen Tag bis zur Wahl tun wird. Andere reden, die CSU macht es. Ich bin mir sicher, dass wir bei der Regierungs­erklärung nach den Osterferie­n ein ganzes Feuerwerk von Ideen und Vorschläge­n sehen werden, wie wir die Erfolgsges­chichte des Freistaats fortschrei­ben und uns um die Bedürfniss­e der Menschen kümmern. Wenn ich Volksparte­i bleiben will, dann muss ich mich jeden Tag radikal bemühen, der ganzen Bandbreite bürgerlich­er Überzeugun­gen politische Heimat zu geben.

Interview: Uli Bachmeier und Holger Sabinsky-Wolf ● 43, ist in Mün chen geboren, verheirate­t und hat zwei Kinder. Der Politikwis­senschaft ler ist seit dem 14. März 2018 Ge neralsekre­tär der CSU. Als ihr Frauchen vergaß, die Haustüre zu schließen, nutzten sechs Windhunde die Gelegenhei­t, büxten aus und hielten einige Stunden lang die Stadt Höchstädt in Atem (Landkreis Dillingen). Etliche Helfer beteiligte­n sich an der Suche. Für ein Tier kam die Aktion am Freitag aber zu spät. Wie die Polizei berichtete, wurde der Windhund gegen 17 Uhr von einem Zug erfasst und getötet. Da sich daraufhin mehrere Menschen neben den Gleisen aufhielten, musste der Zugverkehr kurzzeitig eingestell­t werden. (AZ)

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Foto: Thomas Köhler, Imago Markus Blume ist neuer CSU Generalsek­retär und damit Nachfolger von Andreas Scheuer.

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