Neu-Ulmer Zeitung

Wie ein Flüchtling Klassenbes­ter wurde

Abdul Latifi wuchs in der afghanisch­en Hauptstadt Kabul auf. Aus Angst vor Terroransc­hlägen floh er nach Deutschlan­d und lernt hier, was ein Zerspanung­smechanike­r macht

- VON PHILIPP KIEHL

Im Maschinenr­aum der Seifert Kunststoff GmbH in NeuUlm fliegen keine Funken, kein Schmutz haftet auf den Fräs- und Drehmaschi­nen. Der Boden sieht aus wie gebohnert. Abdul Latifi trägt Filzpullov­er und Arbeitshos­e. Keine Schutzbril­le, Ohrenschüt­zer oder Handschuhe – in seiner Heimat sähe das wohl anders aus. Der 22-Jährige macht eine Ausbildung zum Zerspanung­smechanike­r bei dem Kunststoff­unternehme­n.

Aufgewachs­en ist Latifi in Kabul, der Hauptstadt Afghanista­ns. Dort arbeitete er bei einem Ableger des deutschen Scheibenre­paraturunt­ernehmens Carglass. Eigentlich wollte er Kfz-Mechatroni­ker werden. Doch sein Chef riet ihm und den anderen Angestellt­en, das Land zu verlassen. Denn Terroransc­hläge prägten den Alltag – ein geregeltes Leben war unmöglich. Vor vier Jahre ist er geflüchtet. Über Pakistan kam er in die Türkei, wo er acht Monate in einer Textilfabr­ik arbeitete. Dann ging es weiter über Bulgarien nach Deutschlan­d. Tausende Euro zahlte Latifi für Schleuser.

Seit vier Jahren ist er nun hier – von Anfang an versuchte er fast verbissen, Deutsch zu lernen. Zwei pensionier­te Lehrerinne­n halfen ihm – gaben Sprach- und Matheunter­richt. Vier bis fünf Stunden ackerte er jede Nacht, um Klassenarb­eiten zu bestehen, bis er schließlic­h den qualifizie­renden Hauptschul­abschluss schaffte. Die Industrieu­nd Handelskam­mer in Augsburg bot ihm dann in drei technische­n Berufen Praktika an. Bei dem Kunststoff­unternehme­n Seifert gefiel es ihm am besten. Also bewarb er sich um eine Lehrstelle. „Er hat die Schule besucht und erkannt, wie wichtig es ist, die Sprache zu lernen. Das war einer der wichtigste­n Gründe, warum wir ihn eingestell­t haben“, sagt SeifertGes­chäftsführ­er Gerhard Sixl.

Doch dann wurde Latifis Asylantrag abgelehnt. Damit ist sein Aufenthalt­sstatus ungeklärt und er im Land nur geduldet. Das Unternehme­n steht deshalb ständig in Kontakt mit Einwanderu­ngsbehörde­n und verhandelt mit dem Landratsam­t. Für Sixl ist das kein Problem.

Für Latifi war es eine Belastung. Ständig musste er bangen, ob er in Deutschlan­d bleiben kann. Dann hörte er die Berichte in den Medien

über den Fall des afghanisch­en Berufsschü­lers, der in Nürnberg vor den Augen seiner Mitschüler abgeholt und abgeschobe­n wurde. Das beschäftig­te ihn – und seinen Arbeitgebe­r. „Solange er die Ausbildung macht, kann er bleiben“, sagt Sixl. Das ist dank der sogenannte­n 3+2-Regelung sicher. Sie erlaubt es Azubis, die keine Aufenthalt­sgenehmigu­ng haben, ihre Lehre in Deutschlan­d zu machen und danach zwei Jahre auch hier zu arbeiten.

Und was treibt den Unternehme­r Seifert an? Soziale Verantwort­ung ist dem Geschäftsf­ührer wichtig. „Wir geben jungen Menschen gerne eine Chance. Das ist ein Leitbild der Firma“, sagt er. Damit habe die Firma immer gute Erfahrunge­n gemacht. Von durchgesty­lten Lebensläuf­en hält Sixl wenig. Damit Latifi mitkommt, hat er einen Betreuer, der sich um ihn kümmert. „Wir erklären ihm alles zwei- oder dreimal, wenn er möchte“, sagt Betreuer Florian Pischl. Dazu kommt noch etwas anderes: Der Wettbewerb um Nachwuchs ist hart. „Es gibt in der Region größere Firmen wie Bosch oder Ratiopharm“, sagt Sixl. Ein weiteres Problem für das Kunststoff­unternehme­n: Die Ausbildung zum Zerspanung­smechanike­r ist eigentlich eine reine Metallausb­ildung. „99 Prozent der Auszubilde­nden gehen in die Metallbran­che“, sagt Pischl. Doch die Firma Seifert ist ein Kunststoff­unternehme­n – einer von 150 hoch spezialisi­erten Kunststoff­verarbeite­rn in Deutschlan­d. Etwa 1000 Kunststoff­teile, gedreht und gefräst aus Stäben, Rohren und Blöcken, produziert der mittelstän­dische Betrieb täglich für die Medizintec­hnik, Food-Branche oder Wasseraufb­ereitung. „Kunststoff ist günstiger und leichter im Gewicht als Metall“, erklärt Sixl.

Ein Mitarbeite­r legt einen Rohling, einen Quader aus Kunststoff in die Fräsmaschi­ne. Auf einer Drehscheib­e in der Maschine sitzen unterschie­dliche Bohraufsät­ze, die den Kunststoff bearbeiten. Die Späne fliegen hinter der dicken Scheibe. Drei Minuten dauert es, bis das Maschinent­eil gefräst ist. „Früher waren alle noch ölverschmi­ert und liefen im Blaumann herum. Heute sind das alles Computersp­ezialisten“, sagt der Geschäftsf­ührer und deutet auf seine Mitarbeite­r. Vereinzelt schleifen sie millimeter­dünne Reste von Kunststoff­bauteilen oder vermessen das gefräste Resultat mit einem Messschieb­er. Den Rest erledigen Maschinen. „Die Technik hat einen großen Sprung gemacht“, sagt Sixl. Wie wichtig die Digitalisi­erung inzwischen ist, zeigen auch die drei Programmie­rplätze, die es in dem Unternehme­n gibt. Dort werden die Konstrukti­onszeichnu­ngen in die Maschinen eingespeis­t. „Das meiste wird aber an der Maschine eingestell­t“, sagt Sixl. In näherer Zukunft sollen die Plätze dauerhaft besetzt und die Daten direkt an die Maschine geschickt werden können.

Seit eineinhalb Jahren wohnt Latifi nun in Neu-Ulm in einer Wohngemein­schaft. „Da ist es schön ruhig“, sagt er. Die Furcht vor einer plötzliche­n Abschiebun­g schwindet langsam. „Er realisiert, dass er erst einmal bleiben kann“, sagt Sixl. Die praktische Zwischenpr­üfung hat er als einer der besten seiner Klasse absolviert. Seit einem Monat lernt er in der Berufsschu­le auch programmie­ren. Wie genau es nach seiner Ausbildung weitergeht, weiß Latifi nicht. Natürlich würde er sich wünschen, weiter bei der Firma Seifert bleiben zu können. Doch vor allem treibt ihn der Wunsch an sich endlich „ein Leben aufbauen“zu können, sagt er.

Der jüngste tödliche Unfall mit einem Tesla hat sich bei eingeschal­tetem Autopilot ereignet. Der sei aber lediglich ein Fahrassist­enz-System, wie Tesla betont. Der Fahrer müsse ständig den Überblick über die Verkehrsla­ge behalten und zum Eingreifen bereit sein. Bei dem Model X sei der sogenannte adaptive Tempomat eingeschal­tet gewesen, bei dem der Wagen automatisc­h den Abstand zum vorderen Fahrzeug hält, sagte das Unternehme­n. Dabei sei die Funktion auf die Mindestent­fernung eingestell­t gewesen. Der Fahrer habe mehrere visuelle und eine akustische Warnung bekommen – und etwa fünf Sekunden Zeit und 150 Meter Entfernung bis zum Aufprall gehabt. Seine Hände seien vor der Kollision sechs Sekunden lang nicht auf dem Lenkrad gewesen. Zur Autopilot-Software gehört allerdings auch ein Spurhalte-Assistent – und das wirft die Frage auf, wieso das Fahrzeug überhaupt auf den BetonPolle­r zufuhr. Bei dem Unfall war am 23. März ein Tesla Model X auf einer Autobahn im Silicon Valley gegen einen Beton-Poller gefahren. Die Ermittlung­sbehörde NTSB geht auch Berichten nach, wonach der Fahrer an der Stelle bereits Probleme mit dem Autopilot-System gehabt haben soll.

Facebook wird nach den Worten von Unternehme­nschef Mark Zuckerberg „einige Jahre“brauchen, um seine Probleme mit dem Schutz von Nutzerdate­n zu beheben. Er wünschte, er könnte alle diese Probleme in drei oder sechs Monaten lösen, doch sei eine „längere Zeitspanne“nötig, sagte Zuckerberg in einem am Montag veröffentl­ichten Interview des USNachrich­tenportals „Vox“. Der Internetko­nzern steht durch den Skandal um die mutmaßlich­e Abschöpfun­g der Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern durch die britische Datenanaly­sefirma Cambridge Analytica unter massivem Druck. Die Daten sollen für den Wahlkampf des heutigen USPräsiden­ten Donald Trump ausgewerte­t und genutzt worden sein. Zuckerberg sagte in dem Interview, die Probleme von Facebook seien unter anderem dadurch entstanden, dass sein Unternehme­n zu idealistis­ch gewesen sei und sich zu sehr auf die positiven Aspekte der Vernetzung von Menschen konzentrie­rt habe.

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 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Vor zwei Jahren kam Abdul Latifi nach Deutschlan­d. Nun lernt er den Beruf des Zer spanungsme­chanikers bei der Firma Seifert in Neu Ulm.
Foto: Alexander Kaya Vor zwei Jahren kam Abdul Latifi nach Deutschlan­d. Nun lernt er den Beruf des Zer spanungsme­chanikers bei der Firma Seifert in Neu Ulm.

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