Plötzlich rastet der Patient aus
Immer mehr Ärzte und Pfleger werden in Krankenhäusern angegriffen oder beleidigt. Wie die Kliniken reagieren und warum nicht nur Krankheiten Grund für die Attacken sind
Erst musste eine Fensterscheibe dran glauben. Der Mann warf mit so viel Kraft eine Tasse gegen das Schwesternzimmer, dass das Glas zu Bruch ging. Dann stieß er auch noch mehrere Regale und Vitrinen um. Schaden: um die 1000 Euro. Das Erschreckende an dem Vorfall vor 15 Monaten war: Der 33-Jährige war gerade Patient im Krankenhaus in Donauwörth, und er rastete mitten auf der Station aus.
Randale in der Klinik – ein Ausnahmefall? Das würde Siegfried Hasenbein so nicht unterstreichen. Nicht mehr. Der Mann aus Friedberg bei Augsburg ist Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und sagt: „Wir hören immer öfter von Gewalt in bayerischen Krankenhäusern, insbesondere in den Notaufnahmen.“Mit der Folge, dass immer mehr Kliniken Sicherheitsdienste einsetzen, die städtischen Kliniken und der Dritte Orden in München beispielsweise erst seit einigen Monaten. An der Ulm wiederum gibt es einen solchen schon seit Jahrzehnten, in erster Linie nachts zur Bewachung des Geländes. Aber er kann auch bei Gewaltausbrüchen hinzugezogen werden. Und davon gibt es immer mehr, sagt eine Sprecherin – „vor allem verbale Gewalt“.
Das Bildungswerk des Bayerischen Bezirkstags hat sich gerade erst auf einem gesundheitspolitischen Kongress in Irsee im Ostallgäu mit diesem Thema befasst. Zwar versucht die Mehrzahl der Kliniken noch, ohne Wachdienste renitente Patienten zu besänftigen, also ausschließlich durch das Ärzteund Pflegepersonal. Vielerorts gibt es dafür spezielle Weiterbildungen, auch in der Ausbildung wird heute mehr Wert auf Deeskalationstraining gelegt als in früheren Zeiten. Aber reicht das auf Dauer? Für Hasenbein jedenfalls steht fest: „Wir beobachten, dass in unserer Gesellschaft aggressives Verhalten in allen Lebensbereichen zunimmt.“Gerichte, Arbeitsagenturen und andere Behörden haben schon ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft.
Am Augsburger Klinikum ist ein eigener Sicherheitsdienst im Einsatz, und der muss schon mal zupacken, wie kurz vor Weihnachten 2017. Ein betrunkener 31-jähriger Mann, der bei einem Streit einen Faustschlag abbekommen hatte, war schon im Rettungswagen ausfällig geworden. Er beleidigte die Sanitäter und warf mit blutgetränkten Mullbinden nach ihnen. In der Notaufnahme ging es dann weiter. Er pöbelte Krankenschwestern an kranke Menschen aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr richtig ausdrücken können und mit Aggression reagieren. Andere Gründe können eine psychische Erkrankung, natürlich Alkohol und Drogen, aber auch pure Angst sein.
Dr. Albert Putzhammer ist Leitender Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren. Er hat festgestellt, „dass die Anspruchshaltung der Menschen gewachsen ist“. So werde „aggressives Auftreten vermehrt genutzt, um seine Interessen durchzusetzen – etwa bei langen Wartezeiten“. Auch die Hemmschwelle, „einem Mitarbeiter Angst zu machen, wenn einem etwas nicht passt, ist gesunken“. In der psychiatrischen Klinik werde etwa jeder 50. Patient übergriffig. Ob er selbst schon attackiert wurde? „Ja, ich wurde als junger Arzt einmal in einer Sprechstundensituation mit einem Messer bedroht, und ich kann mich erinnern, dass ich auch einmal von einem Patienten angespuckt wurde.“Die Freude an seinem Beruf habe ihm der Vorfall aber nicht genommen.
Ein 36-jähriger Ingolstädter ist am Montagabend tot in seinem Schrebergarten in Gaimersheim (Kreis Eichstätt) gefunden worden. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Nord in Ingolstadt wurde der Mann offenbar erstochen. Ein Kollege des Mannes war am Ostermontag stutzig geworden, nachdem der Schichtleiter am Morgen nicht an seinem Arbeitsplatz aufgetaucht war. Nach Schichtende machte er sich auf die Suche und fand den Mann gegen 17.30 Uhr schließlich blutüberströmt draußen auf dem Gartengelände liegen.
Wann er getötet worden ist, konnte die Polizei gestern nicht sagen. Die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass der Ostermontag auch der Tattag gewesen sein könnte. Noch ist auch nicht klar, ob der Mann im Schrebergarten umgebracht worden ist oder es einen anderen Tatort gibt. Der Schrebergarten befindet sich außerorts, etwas abgelegen an einer Verbindungsstraße zwischen Gaimersheim und dem Ingolstädter Stadtteil Friedrichshofen.
Noch in der Nacht auf Dienstag war eine Rechtsmedizinerin vor Ort. Bei der Obduktion in München, die von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden war, zeigte sich, dass der unbekannte Täter mehrere Male auf den 36-Jährigen eingestochen haben musste. Gestern morgen wurde die siebenköpfige Ermittlungsgruppe „Schrebergarten“bei der Kripo eingerichtet, die nach Spuren sucht, die zum Täter führen. Bislang gibt es nach Auskunft von Pressesprecherin Michaela Grob keine Hinweise, wer die Bluttat verübt haben könnte. Der Schrebergarten wurde von den Ermittlern genau untersucht. So kam gestern unter anderem ein 3D-Scanner zum Einsatz, der den Fundort der Leiche genau vermessen kann und dabei helfen soll, Fragen zum genauen Hergang der Gewalttat zu klären.
Der Winter war relativ lang, dennoch mussten Bayerns Kommunen heuer verhältnismäßig wenig Streusalz auf die Straßen bringen. Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Es gab dieses Jahr keine Engpässe“, sagte Georg Holder, Betriebsleiter des Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebs der Stadt Augsburg. Die Lager seien noch „gut halb gefüllt“. Auch in München, Nürnberg, Regensburg und Ingolstadt gab es keine Probleme. Nürnberg hat diesen Winter 3500 Tonnen gestreut, vergangenes Jahr waren es rund 1000 Tonnen mehr. Lediglich in Augsburg wurde mit rund 3600 Tonnen diese Saison mehr gestreut als im Vorjahr mit 2300 Tonnen. Der Winterdienst kostet die Kommunen jedes Jahr ein kleines Vermögen: Der Preis für eine Tonne Streusalz beträgt im Schnitt gut 80 Euro. Augsburg hat diese Saison knapp 300 000 Euro ausgegeben, Ingolstadt etwa 64 000 Euro.