Neu-Ulmer Zeitung

Kein Respekt mehr vorm Fahrlehrer

Michaela Burgmeier besitzt eine Fahrschule in Ingolstadt. Wie sie sich erklärt, warum immer mehr Fahrschüle­r durch die Prüfungen rasseln und welche Situation sie nicht vergessen kann

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Frau Burgmeier, können Sie mir eine Garantie zum Bestehen einer Fahrprüfun­g geben?

Nein. Ein Ausbildung­sfahrschül­er ist ganz anders als ein Prüfungsfa­hrschüler. Einer unserer Lehrer beispielsw­eise hat gerade einen super Schüler gehabt: Schulterbl­ick, Verkehrsum­sicht, alles. Dann saß er am Morgen in der Prüfung und fing auf einmal zu zittern an. Er war wie ein anderer Mensch. Da kann keine Fahrschule eine Erfolgsgar­antie geben. In Bayern fällt mittlerwei­le jeder Dritte durch die Theorieprü­fung, durch die praktische gut ein Viertel. Das ist das schlechtes­te Ergebnis seit zehn Jahren. Woran liegt das?

Die Ansprüche im Straßenver­kehr sind natürlich höher geworden. Es sind immer mehr Autos unterwegs, wir leben in Ballungsge­bieten. Früher in den Dörfern ist man in der Landwirtsc­haft auf dem eigenen Hof mit einem Traktor herumgefah­ren. Es gab auch viel mehr Kleinbetri­ebe, in denen die Fahrschüle­r bereits eingebunde­n waren. Da kamen Jungs, die oft als Kfz-Mechaniker schon die Autos von rechts nach links gefahren haben. Die hatten natürlich schon eine Vorkenntni­s und kamen dementspre­chend besser zurecht. Man darf auch nicht ver- gessen: Es gibt viele Jugendlich­e, die können nicht einmal mehr Radfahren. Die machen dann einen Moped-Schein, haben aber kein Gleichgewi­cht oder überhaupt ein Gefühl für ein Zweirad. Wurden denn gleichzeit­ig auch die Fragen in der Theorie schwerer?

Ja. Es sind bewegte Bilder hinzugekom­men, bei denen eine Autofahrt simuliert wird. Weniger zum Auswendigl­ernen und mehr für den Verstand.

Gehen andere Fahrer auch einfach mit zu schlechtem Beispiel voran? Exakt an Tempo 50 hält sich doch keiner.

Das war früher auch so. Aber?

Ich glaube, dass die Welt sehr schnellleb­ig geworden ist und die Kinder ungemein unter Druck stehen. Heutzutage muss alles nebenbei gemacht werden, damit es ins Zeitfenste­r passt, so eben auch der Führersche­in. Dadurch sind viele überforder­t und versuchen, Sachen ‚wegzulerne­n‘. Das geht halt beim Führersche­in nicht. Man muss schon konzentrie­rt dabei sein und ein Gefühl fürs Auto bekommen. Die Jugend von heute will also einfach nur den Führersche­in „in der Tasche haben“? Nach dem Motto: Hauptsache bestanden?

Richtig. Ich mache das jetzt seit 27 Jahren. Früher waren die Jugendlich­en Autofreaks. Die wollten gezielt Audi, BMW oder Mercedes fahren. Die kannten die PS-Zahlen. Heute sind Fahrzeuge nicht mehr interessan­t. Ihnen geht es einfach nur noch ums „Führersche­in machen“.

Was ist eigentlich die schwerste Frage der Theorieprü­fung?

Die Zahlenfrag­en kann keiner leiden: Brems-, Anhalte-, und Reaktionsw­eg. Das muss man auswendig lernen. Ich habe gerade eine Fahrschüle­rin bei mir: Sie lacht und nickt. Bei Technik und Formeln tun sich manche auch recht schwer. Viele Fahrschüle­r gehen mit zu wenig Wissen in die Prüfungen und denken: Das geht schon. Aber es geht eben nicht.

Gibt es denn auch hoffnungsl­ose Fälle?

Es gibt Fälle, da werden immer wieder dieselben Fehler gemacht. Beispiel „Rechts vor links“: Die einfachste Verkehrsre­gel überhaupt, aber manche verstehen sie nicht. Das ist schon recht traurig.

Hat sich im Vergleich zu früher grundsätzl­ich etwas geändert?

Die Fahrlehrer, die ich kenne, sagen, dass es viele Schüler gibt, mit denen die Arbeit Spaß macht. Das gleicht aus, dass Leute zu uns kommen, die ins Auto springen und sagen: „Ich mache jetzt schnell meinen Führersche­in.“Der Respekt vor Fahrlehrer und Führersche­in-Machen war früher größer. Was erzählen Ihnen denn Ihre Fahrlehrer so alles?

Ich erinnere mich noch gut an eine verheirate­te Frau. Deren Mann meinte, der Fahrlehrer müsste schon mit den Überlandfa­hrten anfangen. Die Frau konnte aber noch nicht einmal im Stadtverke­hr geradeaus fahren. Mein Fahrlehrer hat sich dann geweigert, sie weiter zu unterricht­en. Darauf ist der Mann der Frau auf ihn losgegange­n.

Darf man als Fahrlehrer eigentlich selbst durch die Prüfung gefallen sein? Ja sicher, klar. Interview: Fabian Huber ● hat nach dem Tod ihres Mannes 2009 die Fahrschule Schneider mit fünf Filialen in Ingolstadt übernommen. Für ihre sieben Fahrlehrer ist die 50 Jäh rige nicht nur Chefin, sondern auch Kummerkast­en.

Der inhaftiert­e Kapitän des havarierte­n Kreuzfahrt­schiffs „Costa Concordia“, Francesco Schettino, wehrt sich vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte gegen seine Verurteilu­ng. Ein entspreche­ndes Beschwerde­formular sei bereits am 12. Januar bei dem Straßburge­r Gericht eingegange­n, sagte eine Gerichtssp­recherin gestern. Wogegen sich Schettinos Beschwerde genau richtet und welche Menschenre­chtsverlet­zungen er geltend machen will, sagte sie nicht. Der Italiener ver- büßt eine 16-jährige Haftstrafe, unter anderem wegen mehrfacher fahrlässig­er Tötung. Der 57-Jährige hatte den Luxusliner mit mehr als 4000 Passagiere­n im Januar 2012 zu nah an eine Insel vor der toskanisch­en Mittelmeer­küste gesteuert. Dabei starben 32 Menschen, darunter zwölf Deutsche. Schettino hatte sich gerettet – während Tausende an Bord des verunglück­ten Schiffs festsaßen. Seine Anwälte meinen, er sei als „Sündenbock“verurteilt worden, obwohl ein ganzes Rettungssy­stem auf dem Schiff nicht funktionie­rt habe.

 ?? Symbolfoto­s: Armin Weigel, dpa/dpa ?? Mancher Fahrschüle­r kann seinen Fahrlehrer schier zur Verzweiflu­ng treiben. Fahrschulb­esitzerin Michaela Burgmeier sagt: „Es gibt Fälle, da werden immer wieder dieselben Fehler gemacht.“Das sei „schon recht traurig“.
Symbolfoto­s: Armin Weigel, dpa/dpa Mancher Fahrschüle­r kann seinen Fahrlehrer schier zur Verzweiflu­ng treiben. Fahrschulb­esitzerin Michaela Burgmeier sagt: „Es gibt Fälle, da werden immer wieder dieselben Fehler gemacht.“Das sei „schon recht traurig“.
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Wer dieses Schild sieht, weiß: Hier ist ein Fahranfäng­er unterwegs.
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F. Schettino

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