Nüchtern entscheiden
Wenn jetzt in Gesetzesform gegossen wird, was Union und SPD zum Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus vereinbart haben, sollten beide Seiten von Versuchen absehen, den hart erstrittenen Kompromiss nachträglich in ihre Richtung zu biegen. Sonst droht ein gewaltiger Vertrauensverlust, selbst ein Scheitern des jungen Regierungsbündnisses wäre nicht ausgeschlossen. Gerade weil das Thema mit so vielen Emotionen besetzt ist, empfiehlt sich Nüchternheit im Umgang damit. Subsidiär Geschützte müssen zurückkehren, wenn sich die Situation im Heimatland bessert, etwa ein Krieg zu Ende ist. Ob eine Familienzusammenführung sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Am schnellsten geholfen werden muss da, wo die Not am größten ist. In Fällen, in denen keine Gefahr für Leib und Leben der Angehörigen besteht, müssen Flüchtlinge bevorzugt werden, die sich um Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt bemühen. „Was Innenminister Horst Seehofer plant, entspricht genau dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.“Für Nachverhandlungen gebe es keinerlei Raum: „Wenn die SPD da nicht mitmachen würde, wäre die Große Koalition am Ende. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Hier geht es schließlich nicht um irgendeinen beliebigen Punkt, sondern um einen Kernbestandteil des Koalitionspapiers.“
Auch Grüne und Linkspartei reagierten verärgert auf die Pläne des Innenministers. „Seehofer konterkariert mit diesem Gesetzentwurf die wertvolle Integrationsarbeit, die hunderttausende Ehrenamtliche seit Jahren leisten. Es ist unsere Verantwortung, den Schutzsuchenden nicht nur Schutz zu geben, sondern ihnen auch ein würdiges Leben mit ihren Familien zu ermöglichen“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg.
Innenstaatssekretär Mayer kontert, ihm fehle jedes Verständnis dafür, „wenn der Familiennachzug zu Gefährdern und Dschihadisten gefordert wird – derartige Sozialromantik schadet der inneren Sicherheit in Deutschland“.