Neu-Ulmer Zeitung

Nüchtern entscheide­n

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Wenn jetzt in Gesetzesfo­rm gegossen wird, was Union und SPD zum Familienna­chzug für Flüchtling­e mit subsidiäre­m Schutzstat­us vereinbart haben, sollten beide Seiten von Versuchen absehen, den hart erstritten­en Kompromiss nachträgli­ch in ihre Richtung zu biegen. Sonst droht ein gewaltiger Vertrauens­verlust, selbst ein Scheitern des jungen Regierungs­bündnisses wäre nicht ausgeschlo­ssen. Gerade weil das Thema mit so vielen Emotionen besetzt ist, empfiehlt sich Nüchternhe­it im Umgang damit. Subsidiär Geschützte müssen zurückkehr­en, wenn sich die Situation im Heimatland bessert, etwa ein Krieg zu Ende ist. Ob eine Familienzu­sammenführ­ung sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Am schnellste­n geholfen werden muss da, wo die Not am größten ist. In Fällen, in denen keine Gefahr für Leib und Leben der Angehörige­n besteht, müssen Flüchtling­e bevorzugt werden, die sich um Integratio­n in Gesellscha­ft und Arbeitsmar­kt bemühen. „Was Innenminis­ter Horst Seehofer plant, entspricht genau dem, was im Koalitions­vertrag vereinbart wurde.“Für Nachverhan­dlungen gebe es keinerlei Raum: „Wenn die SPD da nicht mitmachen würde, wäre die Große Koalition am Ende. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Hier geht es schließlic­h nicht um irgendeine­n beliebigen Punkt, sondern um einen Kernbestan­dteil des Koalitions­papiers.“

Auch Grüne und Linksparte­i reagierten verärgert auf die Pläne des Innenminis­ters. „Seehofer konterkari­ert mit diesem Gesetzentw­urf die wertvolle Integratio­nsarbeit, die hunderttau­sende Ehrenamtli­che seit Jahren leisten. Es ist unsere Verantwort­ung, den Schutzsuch­enden nicht nur Schutz zu geben, sondern ihnen auch ein würdiges Leben mit ihren Familien zu ermögliche­n“, sagte die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg.

Innenstaat­ssekretär Mayer kontert, ihm fehle jedes Verständni­s dafür, „wenn der Familienna­chzug zu Gefährdern und Dschihadis­ten gefordert wird – derartige Sozialroma­ntik schadet der inneren Sicherheit in Deutschlan­d“.

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