Sparen: typisch deutsch?
Die Geld-Rücklage ist wohl mehr eine Frage der Einkünfte als eine Frage des Charakters. Das Deutsche Historische Museum in Berlin beleuchtet eine Tugend
Das Bild des sparsamen Deutschen, das ist quasi fixer Bestandteil der nationalen Identität. Dabei ist das Bedürfnis zu sparen gar keine spezifisch deutsche Eigenart: Schon die Römer nutzten schlichte TonSpardosen, um ein paar Sesterzen für den Notfall zurückzulegen. Die ersten Pfandleihkassen entstanden in Italien, und die Idee einer Sparkasse hatte ein französischer Finanzbeamter.
Trotzdem gilt Deutschland als das Land der Sparer schlechthin. Woher rührt diese Liebe zur schwarzen Null? Warum sind die Deutschen solche Sparfüchse? Und wieso wird eine Sparpolitik, die im Ausland häufig auf Kritik stößt, hierzulande kaum infrage gestellt? Die Ausstellung „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“, die bis Ende August im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen ist, geht diesen Fragen nach.
Anhand von Sparbüchsen, Plakaten, Sparkarten, Werbefilmen, Sparbüchern, Gemälden und Sparkassen-Broschüren zeigt sie, wie sich das Sparen der Deutschen über Jahrhunderte hinweg zu einer unhinterfragten, moralisch überhöhten Tugend entwickelte. So die These der Ausstellung. Denn selbst bei Hyperinflation, Niedrigzins und Weltwirtschaftskrise sparten die Deutschen fleißig weiter.
Was als Mittel zur Armutsbekämpfung im 18. Jahrhundert begann, wurde bald politisch instru- mentalisiert. Denn die Gegner der erstarkenden Arbeiterbewegung in der Zeit der Industrialisierung erkannten die Bedeutung der Sparsamkeit: Wer Ersparnisse zu verlieren hat, so der Gedanke, ist weniger empfänglich für revolutionäre Ideen. Auch Karl Marx wusste das und kritisierte das Sparen als eine Kardinaltugend des Kapitalismus.
Frühe Erziehung zum Sparen sollte also revolutionäres Gedankengut im Keim ersticken. Mithilfe von Schulsparkassen und Spardosen mit Sprüchen wie „Junges Blut, spar dein Gut“wurde Schulkindern die Sparsamkeit als eine feine deutsche Tugend eingebläut. Zur Indoktrinierung dienten tierische Symbole. Die fleißige Biene, der Sparfuchs, das Eichhörnchen – diese Bilder ließen das Sparen als naturgegeben erscheinen.
Dabei stand die Sparmentalität immer auch in Verbindung mit Arbeit und Fleiß und fügte sich so auch nahtlos in die Nazi-Ideologie ein. „Deutsche Art bewahrt, wer arbeitet und spart!“, hieß es auf einem Plakat um 1938. Das Bild des „schaffenden Volkes“diente als propagandistischer Gegenentwurf zum „raffenden Juden“. Neben der enormen ideologischen Bedeutung aber hatte das Sparen vor allem auch den Zweck: Vorbereitung eines Angriffskrieges. Sparen wurde zur nationalen Pflicht. Mit Sonderprogrammen und Parolen wie „Dein Sparen hilft dem Führer“wurde die Bevölkerung zum Sparen angehalten. Jeder kann sich ein Auto und/ oder eine Kreuzfahrt auf der „Wilhelm Gustloff“leisten, wenn er nur spart – so die Doktrin.
Das fruchtete. Die Spareinlagen wuchsen im Nationalsozialismus stark an. Allerdings erhielt keiner der 340 000 Kunden, die damals auf ein Auto sparten, bis Kriegsende einen KdF-Wagen. Stattdessen floss das Volksvermögen über Staatsanleihen in Hitlers Rüstungspolitik.
Schon im Kaiserreich hatte man auf den Sparwillen der Bevölkerung gesetzt, um den Krieg mit Anleihen zu finanzieren. Selbst die Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg hielt die Deutschen trotz einer deutlichen Abwertung ihres gewidmet – mit einem hörenswerten Audio-Kommentar der politischen Autorin Bini Adamczak. Das Ideal der sparsamen Hausfrau, das in den Sparwerbungen der 1920er Jahre und verstärkt unter den Nazis propagiert wurde, hielt sich bis in die 1960er Jahre. Erst mit der einsetzenden Frauenbewegung änderte sich das.
Obwohl die Deutschen als Weltsparmeister gelten, verfügen 40 Prozent der Haushalte über keine Ersparnisse. Sparen ist vielleicht weniger eine Charakter- als eine Vermögensfrage. Die, die können, legen Geld zurück. Das Sparvermögen erreichte zuletzt Rekordwerte, obwohl Sparer aufgrund aktueller Niedrigzins-Politik womöglich sogar Wertminderung einfahren.
Zum Finale der Ausstellung flimmern Reden von Angela Merkel und Peer Steinbrück während der Finanzkrise über den Bildschirm. „Die Einlagen der deutschen Sparerinnen und Sparer sind sicher!“, garantieren sie. So kann sich der Besucher getrost und beruhigt dem Ausgang zuwenden. Aber nicht, ohne an einem Stand eine Pappmünze zu hinterlassen und zu resümieren, wofür er die Geldattrappe am liebsten zurücklegen würde. Auto, Haus, Urlaub, Zukunft – oder doch nicht sparen? Auch das ist eine Option. O
„Sparen – Geschichte ei ner deutschen Tugend“ist noch bis zum 26. August im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen. Der Kata log kostet 25 Euro. Dass diese neue CD des aus Augsburg stammenden Johannes Martin Kränzle ganz persönliche Gestimmtheiten prägen, macht das Ergebnis kostbar: Vokaltechnik, darstellerische Autorität und emotionale Verfassung greifen hier, bei Liedern von Mahler, Ravel, Frank Martin und Richard Rudolf Klein, überzeugend ineinander. Die CD ist ein Konzeptalbum mit jiddischer Thematik einerseits und Gedanken angesichts des Todes andererseits – was beides in Kränzles Biografie verankert ist. Ravel hat das Getto-Gedicht „Die alte Kasche“(Das ewige Rätsel) vertont, womit die CD endet, der deutsche Komponist Richard Rudolf Klein (1921–2011) hat den jiddischen Text ebenfalls in Töne gesetzt – womit die CD anhebt. Und dazwischen erklingen mit Kränzles resonanzstark-dunkelgetöntem Bariton, der in allen Lagen offen und tragend tönt, sechs Mahler-Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“und Frank Martins sechs Monologe aus „Jedermann“. (rh) ★★★★✩
(Oehms/Naxos)
Mit Sergei Prokofjews „Romeo und Julia“ist es wie mit Tschaikowskys „Schwanensee“und „Nussknacker“. Die Suiten daraus kennt man, kaum jedoch die ganze Ballettmusik. Das ist nicht zuletzt bei Prokofjews Werk bedauerlich, handelt es sich doch um eine hinreißende Partitur, reich an Farben und Figuren. Umso schöner, wenn sich jemand des Gesamttableaus annimmt – im vorliegenden Fall Marin Alsop, künftig Chefdirigentin des Radio-Sinfonieorchesters Wien. Hier aber dirigiert sie das von ihr aktuell verantwortete Baltimore Symphony Orchestra. Dass es sich um eine eingeschworene Gemeinschaft handelt, ist daran zu merken, dass die Klangregie stets achtsam austariert ist, Prokofjew somit nicht im Breitwandsound daherkommt, wie es ihm sonst öfter widerfährt. Dass obendrein über 50 Nummern hinweg der Spannungsbogen gehalten wird, ist ein weiteres Plus der Aufnahme. (sd) ★★★★✩
(Naxos)