Neu-Ulmer Zeitung

Herrmann warnt vor Extremiste­n

Rechte, Linke, Islamisten: Von vielen Gruppierun­gen wird die Demokratie nach Ansicht der Verfassung­sschützer bedroht. Von welcher Szene geht die größte Gefahr aus?

- VON HENRY STERN

In Bayern ist 2017 die Zahl der politisch-extremisti­schen Gewalttate­n im Vergleich zu den Vorjahren zwar deutlich gesunken. Dennoch sieht Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) eine „nach wie vor sehr hohe Gewaltbere­itschaft“in allen Extremismu­sBereichen – ob islamistis­ch, rechtsextr­emistisch oder linksextre­mistisch.

„Es geht von allen PhänomenBe­reichen eine große Gefahr aus, die ich sehr ernst nehme“, sagte Herrmann bei der Vorstellun­g des aktuellen Verfassung­sschutzber­ichtes für Bayern in München. Obwohl die Zahl der Straftaten im Bereich des Rechtsextr­emismus am höchsten ist, sieht Herrmann die größte politische Bedrohung für Bayern nach wie vor im islamistis­chen Terrorismu­s: „Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen“, warnte er. An Anschlägen wie zuletzt in Frankreich könne man sehen, „dass die Gefahr weiter evident ist“.

Bislang sei eine Rückkehrwe­lle von aus Bayern in die Kampfgebie­te im Irak und Syrien ausgereist­en IS- Sympathisa­nten zwar ausgeblieb­en. 21 Rückkehrer würden von den Sicherheit­sbehörden allerdings intensiv beobachtet. Zumindest mittelfris­tig zum Problem werden können aus Sicht des Ministers auch in den Krisengebi­eten geborene Kinder aus Bayern stammender Extremiste­n, die möglicherw­eise traumatisi­ert und indoktrini­ert zurückkehr­en. Herrmann verteidigt­e deshalb die in Bayern neu geschaffen­e Möglichkei­t, auch Kinder und Jugendlich­e von Sicherheit­sbehörden beobachten zu lassen. „Wir müssen diese Kinder kennen, um präventiv tätig werden zu können“, erklärte auch Bayerns Verfassung­sschutzprä­sident Burkhard Körner.

Im Bereich des Rechtsextr­emismus sieht Herrmann eine sinkende Akzeptanz rechtsextr­emer Parteien wie der NPD, aber verstärkte Aktivitäte­n der „Identitäre­n Bewegung“. Rechtsextr­eme „Bürgerwehr­en“wie etwa die Gruppe „Soldiers of Odin“, die etwa auch in Donauwörth „Streifengä­nge“durchgefüh­rt hatte, versuchten ebenfalls das Vertrauen der Bürger in den Staat zu erschütter­n: „Sie knüpfen dabei oft an tatsächlic­he oder behauptete Straftaten von Flüchtling­en an und suggeriere­n, dass die Bevölkerun­g sich selbst schützen müsse, da der Staat dies weder könne noch wolle“, erklärte Herrmann. Hinter den Gruppen stehe jedoch eine klar rechtsradi­kale Ideologie.

Die starke Zunahme der Zahl der in Bayern bekannten „Reichsbürg­er“von rund 1700 in 2016 auf nun 3850 führt Herrmann vor allem auf einen deutlich höheren Ermittlung­sdruck zurück. Die Szene selbst sei mit einem harten Kern von rund keine ausreichen­de Handhabe. Allerdings gebe es Kontakte einzelner Mitglieder der Partei zu der „Identitäre­n Bewegung“, zu „Reichsbürg­ern“und auch zu militanten Islamfeind­en. Diese Einzelpers­onen stünden sehr wohl unter Beobachtun­g, so Körner. Der SPD-Landtagsab­geordnete Florian Ritter warf Herrmann dagegen vor, den bei Rechtspopu­listen weit verbreitet­en Rassismus zu ignorieren: „Für mich sind Teile der AfD längst reif für eine Beobachtun­g“, sagte Ritter.

Im Bereich des Linksextre­mismus ging die Zahl der Gewalttate­n von 122 im Jahr 2015 auf 54 im Jahr 2017 zurück. Herrmann beklagte allerdings eine sinkende Hemmschwel­le der Szene, etwa bei Sachbeschä­digungen oder Brandansch­lägen auch Menschenle­ben in Gefahr zu bringen. Auch Angriffe etwa auf Veranstalt­ungen der AfD zeigten „die Demokratie­feindlichk­eit der Linksextre­misten“, findet Herrmann. „Ich erwarte deshalb von wahren Demokraten, dass sie sich eindeutig von jenen abgrenzen, die keinen Platz für andere Meinungen lassen und sie sogar mit Gewalt zu unterdrück­en versuchen.“ Bayern will seine Polizei in den nächsten Jahren personell besser aufstellen. Ausgebilde­t werden die Nachwuchsk­räfte in Schwaben bei der Bereitscha­ftspolizei in Königsbrun­n (Landkreis Augsburg). Um die Schüler aufnehmen zu können, werden ein neues Unterkunft­sund ein Lehrsaalge­bäude errichtet. Innenminis­ter Joachim Herrmann hat die Arbeiten gestern mit dem ersten Spatenstic­h eröffnet. Bereits im Herbst 2019 sollen die Häuser bezugsfert­ig sein. Auf dem Gelände entsteht auch eine neue Schießanla­ge für die Bereitscha­ftspolizei und das Präsidium Schwaben Nord. Insgesamt investiert der Freistaat 32 Millionen Euro. (adi)

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