Neu-Ulmer Zeitung

Das „Riedberger Hornschieß­en“endet ganz anders als gedacht

Ministerpr­äsident Söder hat das Tourismus-Prestigepr­ojekt seines Vorgängers Seehofer beerdigt. Einem dritten Nationalpa­rk in Bayern droht wohl das gleiche Schicksal

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger allgemeine.de

Kurioser kann Politik kaum sein. Selbst die Legende kann mit der Wirklichke­it Schritt halten. Die Legende vom Hornberger Schießen, dessen Ausgang bis heute sprichwört­lich unklar ist, wurde in den Reim gefasst:

Jedwedes Kind auf der weiten Erd, vom Hornberger Schießen schon hat gehört, das Pulver ging aus zur schönsten Stund, so dass man nicht mehr schießen kunnt!

Die Wirklichke­it ist in diesem Fall ein politische­s Schauspiel, das seinesglei­chen sucht. Es hat das Zeug dazu, als „Riedberger Hornschieß­en“in die Geschichte einzugehen. Zwei Allgäuer Bergorte haben einen jahrelange­n Kampf um einen Skilift geführt. Sie haben erbitterte­n Widerstand von Naturschüt­zern provoziert, aber die Staatsregi­erung auf ihre Seite gebracht. Am Ende haben sie viel mehr, aber etwas ganz anderes bekommen, als sie wollten. Und nun könnte, wenn es gut läuft, sogar eine Neuausrich­tung der Umweltpoli­tik in Bayern die Folge sein.

Noch kurioser ist der politische Entscheidu­ngsprozess aufseiten der Staatsregi­erung. Er begann mit dem G7-Gipfel im Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen im Jahr 2015. Ministerpr­äsident Horst Seehofer war damals zur Vorbereitu­ng des Gipfels vor Ort und traf auf einen Bürgermeis­ter, der ihm das Leid der Alpengemei­nden klagte. Umgeben von Bergen, Wäldern und Schutzgebi­eten gebe es keinerlei Entwicklun­gsmöglichk­eiten mehr. Es sei zum Verzweifel­n. Seehofer zeigte Verständni­s. Und als danach der alte Wunsch der Oberallgäu­er Gemeinden Balderschw­ang und Obermaisel­stein nach einer Liftverbin­dung am Riedberger Horn wieder auf den Tisch kam, sah er die Chance gekommen, der Tourimuswi­rtschaft in den Alpen eine Bresche zu schlagen. Er brachte für das Projekt eine Änderung des Alpenplans ins Spiel, was sogar in der CSU seit Jahrzehnte­n als tabu galt.

Der Widerstand der Naturschüt­zer dagegen war gewaltig. Der Streit weitete sich auf ganz Bayern aus und die CSU-Staatsregi­erung geriet in der Umweltpoli­tik in die Defensive. Seehofer versuchte, politisch gegenzuste­uern, und verkündete, um die Naturschüt­zer zu beruhigen, völlig überrasche­nd einen dritten Nationalpa­rk für Bayern.

Es war ein Schlag ins Wasser. Statt für „Ausgleich“zu sorgen, hatte die Staatsregi­erung plötzlich Ärger von zwei Seiten. Welcher Standort auch immer für einen dritten Nationalpa­rk ins Spiel gebracht wurde – überall formierten sich Gegner vor Ort, nicht selten angeführt von CSU-Abgeordnet­en.

Auch der Streit ums Riedberger Horn ließ sich nicht beilegen. Die CSU drückte eine Änderung der Schutzzone­n mit Ausgleichs­flächen durch, sah sich aber mit einer Fülle von Klagedrohu­ngen konfrontie­rt und musste obendrein feststelle­n, dass der gute Ruf des naturnahen Alpentouri­smus in Gefahr geriet. Die Naturschüt­zer hatten mit Erfolg mobilgemac­ht.

Das ist der Hintergrun­d der Entscheidu­ng, das Liftprojek­t für zehn Jahre auf Eis zu legen. Das Oberallgäu kann sich über eine großzügige Kompensati­on freuen: 20 Millionen Euro für ein „Zentrum Naturerleb­nis Alpen“und vielverspr­echende Pilotproje­kte. Die Naturschüt­zer können einen Etappensie­g feiern. Und der neue Ministerpr­äsident Markus Söder darf sich auf seine Fahnen schreiben, einen ärgerliche­n Konflikt befriedet zu haben. Es ist zu erwarten, dass er in einem nächsten Schritt auch das Projekt „dritter Nationalpa­rk“beerdigt und durch eine neue Gesamtstra­tegie in der Umweltpoli­tik ersetzt, die hoffentlic­h ganz Bayern zugutekomm­t.

Das ist der Unterschie­d zur Legende: Das „Riedberger Hornschieß­en“brachte Ergebnisse – nur eben ganz andere als ursprüngli­ch gedacht. Zum Kommentar „Kinder möglichst früh fördern“von Andrea Kümpfbeck (Seite 1) vom 4. April: Mir als zweifacher Mutter und Lehrerin läuft es beim Lesen dieses Artikels eiskalt den Rücken runter. Kinder möglichst früh fördern, das tut jede Mutter und jeder Vater jeden Tag und jede Nacht. Förderung kann nicht nur im Kindergart­en stattfinde­n. Förderung bedeutet auch Urvertraue­n, sichere Bindung, emotionale Ausdrucksf­ähigkeit. Mit großem Bedenken beobachte ich die gesellscha­ftliche Entwicklun­g und die damit einhergehe­nde Indoktrini­erung und völlig überzogene Idealisier­ung, dass Kinder nur in Kitas optimal gefördert werden könnten. Dies gilt sicherlich für manch entwicklun­gs- und sprachverz­ögertes Kind, aber eben nicht für alle! Den Müttern wird mehr und mehr die Fähigkeit abgesproch­en, selbst ihr Kind zu fördern und selbst für ihr Kind da sein zu dürfen. Bayern als rückständi­g und Frankreich als Idealbild in Sachen frühkindli­cher Bildung darzustell­en, entspricht zwar dem Zeitgeist, aber nicht den wirklichen Bedürfniss­en eines kleinen Kindes.

Heimenkirc­h Ebenfalls dazu: Ganz sicher ist eine frühkindli­che Bildung in Kindergärt­en und Kindertage­sstätten enorm wichtig. Aber wie sieht die optimale Förderung aus? Wer trägt dafür die Verantwort­ung? Aus meiner langjährig­en Tätigkeit als Dozentin und Praxisanle­iterin an der Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik weiß ich, dass in vielen Kindertage­sstätten gute pädagogisc­he Arbeit geleistet wird, aber in ebenso vielen Einrichtun­gen ist das nicht der Fall. Der Bürgermeis­ter und der Pfarrer als Vertreter des Trägers können, da sie ja meist keine pädagogisc­he Ausbildung haben, nicht beurteilen, wie in „ihrer“Kita gearbeitet wird. Auch die Eltern sind keine „geborenen“Pädagogen. Wie zielorient­iert die Leitung der Kita arbeitet, liegt in ihrem eigenen Ermessen. Es fehlt jede effektive Kontrolle wie sie z. B. in der Schule erfolgt.

Obergriesb­ach Ebenfalls dazu: Es wäre ehrlicher gewesen, man hätte zu diesem Artikel ein Foto von den Hähnchen und dem Stall am Ende der Mastzeit gezeigt! Natürlich reden Bauern ihre „Fleischfab­riken“schön – doch die Realität sieht wohl anders aus. Denn viele haben eben doch, dank der „Soko Tierschutz“und anderen Tierschutz­organisati­onen, eine ganz genaue Vorstellun­g, wie die Tiere in solchen Mastanlage­n dahinveget­ieren müssen! Gundelfing­en Zu „Flüsse im Eimer“(Panorama) vom 3. April: Und was folgt weiter als Reaktion auf die Tatsache, dass 93 Prozent der Flüsse völlig aus dem ökologisch­en Gleichgewi­cht sind? Vergiften wir weiter Boden und Gewässer mit Pestiziden (Insektenst­erben)? Wählen wir weiter Parteien, die die Agrarindus­trie subvention­ieren?

Merching Zum Interview„Kein Respekt mehr vorm Fahrlehrer“(Panorama) vom 4. April: Eine Ursache für das Versagen vieler Fahrschüle­r bei der theoretisc­hen Prüfung könnte sein, dass die Formulieru­ng der Fragen zu komplizier­t ist. Mein Mann ist aus Pakistan. Nach Sprachschu­lung und dem täglichen Umgang mit Menschen hier wollte er die Fahrprüfun­g in Deutsch machen. Zuerst muss die theoretisc­he Prüfung gemacht werden. Das war zu meiner Zeit anders. Damals wurde Theorie und Praxis gleichzeit­ig unterricht­et und dann wurden die beiden Prüfungen zusammen gemacht. Heute machen die Fahrschüle­r die theoretisc­he Prüfung ohne praktische­n Bezug. Als ich mit meinem Mann zusammen die Fragen für die praktische Prüfung durcharbei­tete, stellte ich fest, dass in jeder Frage andere Begriffe verwendet werden. Allein für die Tatsache, dass gebremst werden muss, kennt der Fragenkata­log eine Unzahl an Begriffen. Das geht von langsamer fahren, verzögern, abbremsen, Geschwindi­gkeit reduzieren usw. bis zu Tempo anpassen. Die Vorgabe des Innenminis­teriums ist, dass der Prüfling nicht auswendig lernen kann, wo er sein Kreuzchen setzen muss, sondern dass er kapieren soll, worum es geht. Das soll offensicht­lich dadurch erreicht werden, dass die Fragen immer anders formuliert werden. Der Endeffekt ist, dass die Fragen vom Text her komplizier­t werden. Es geht nicht darum, einen Deutschtes­t abzulegen, sondern das richtige Verhalten im Straßenver­kehr zu erlernen.

Marktoberd­orf

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Zeichnung: Haitzinger Es grünt so grün…
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