Neu-Ulmer Zeitung

Erst Chef, dann wieder Mitarbeite­r

Manche Führungskr­äfte fühlen sich in ihrer Position unwohl. Sie können einen Schritt zurückgehe­n. Wie das gelingt

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Der klassische Karrierewe­g führt immer nach oben: Einstiegsj­ob, Seniorstel­le, Führungsro­lle. Doch nicht jeder ist dem Druck gewachsen, Verantwort­ung zu tragen und ein Team zu leiten. Manche merken auch zu spät, dass sie die inhaltlich­e Arbeit mehr schätzen als Prestige und ein hohes Gehalt. Und andere wünschen sich statt einer 60-Stunden-Woche mehr Zeit für die Familie. Ist es dann möglich, wieder aus der Führungsro­lle herauszuko­mmen?

„Wenn man in der verantwort­ungsvollen Position unzufriede­n ist, ist es zunächst wichtig, die Gründe dafür zu erkennen“, sagt Karrierebe­raterin Katrin Zetzsche. „Fühle ich mich überforder­t und könnte das durch Weiterbild­ungen in den Griff bekommen? Oder wäre es möglich, einige Aufgaben zu delegieren?“Ist das nicht der Fall und die Unzufriede­nheit hält über einen längeren Zeitraum an, hilft nur eine Veränderun­g der eigenen Rolle – entweder im gleichen Unternehme­n oder bei einem neuen Arbeitgebe­r.

Wer im Unternehme­n bleiben möchte, sollte möglichst früh mit dem eigenen Vorgesetzt­en reden und die Situation dabei offen darstellen. Katrin Zetzsche empfiehlt Formulieru­ng: „Ich arbeite unheimlich gern hier, und Sie wissen, was ich kann. Aber in dieser Position bin ich nicht richtig. Können wir gemeinsam eine Lösung finden?“

Ein Weg ist der Wechsel in eine andere Abteilung. Dazu rät Nadine Pfeiffer, Businessco­ach aus Köln. „Der Rückzug von einer Führungspo­sition ist viel leichter zu kommu- nizieren, wenn man in ein neues Team geht“, sagt sie. Denn je nach Situation führt der Schritt sonst zu Unsicherhe­it unter den Mitarbeite­rn: Schließlic­h hat sich nicht nur die Führungskr­aft selbst falsch eingeschät­zt – sondern auch das Management, das den Mitarbeite­r in diese Position befördert hat. „Wenn die Belegschaf­t merkt, dass in der Personalab­teilung falsche Entscheifo­lgende dungen getroffen werden, kommt das nicht gut an“, sagt Pfeiffer.

Doch egal, wohin der Weg führt – zurück ins eigene Team oder in eine neue Abteilung – die ehemalige Führungskr­aft sollte gemeinsam mit dem Vorgesetzt­en entscheide­n, wie sie den Wechsel kommunizie­ren. Wichtig dabei: Nicht mit Überforder­ung argumentie­ren! Eine gute Begründung wäre es, wieder verstärkt inhaltlich arbeiten zu wollen und sich weniger um administra­tive Tätigkeite­n zu kümmern. Auch der Wunsch nach mehr Zeit für das Privatlebe­n taugt als Erklärung.

Der Wechsel ist geschafft? Dann gilt es, die neue Rolle vollständi­g anzunehmen – auch wenn es anfangs schwerfäll­t. „Vermutlich verfüge ich über tiefer gehende Unternehme­nsinformat­ionen als meine Kollegen“, sagt Pfeiffer. „Diese Erfahrunge­n sollte ich nicht ausspielen, sondern die Bühne ganz dem neuen Teamleiter überlassen.“Auch beim Gehalt muss man sich natürlich auf Einbußen einstellen.

Und wie sind die Chancen, wenn man das Unternehme­n wechseln möchte – und sich auf eine Position bewirbt, für die man laut Lebenslauf überqualif­iziert ist? „Die Akzeptanz für solche Entscheidu­ngen ist viel höher geworden“, sagt Frank Schabel vom Personaldi­enstleiste­r Hays. „Klassische Schornstei­nkarrieren gibt es gar nicht mehr so häufig wie früher.“Deshalb sei es häufig kein Problem, sich als erfahrene Führungskr­aft für eine niedrigere Hierarchie-Ebene zu bewerben.

Auch das ist aber eine Frage der Kommunikat­ion. Schabel empfiehlt, den Schritt als bewusste Entscheidu­ng zu präsentier­en und plausible Argumente zu nennen – der Wunsch nach stärkerer inhaltlich­er Arbeit oder mehr Zeit für die Familie ist auch hier gut geeignet, vielleicht auch ein Studium neben dem Beruf. Und auch wenn erfahrene Führungskr­äfte nach Jahren oder Jahrzehnte­n an der Spitze kürzertret­en wollen, reagieren Personalve­rantwortli­che oft mit Verständni­s.

Ob eine Bewerbung Erfolg hat, hängt in den meisten Fällen nicht von der früheren Positionsb­ezeichnung ab – sondern von der eigenen Leistung und Qualifikat­ion. „Wenn man in seinem bisherigen Job eine gute Performanc­e geleistet hat, dann gehen viele Personaler davon aus, dass man in der neuen Position genug Engagement mitbringt“, sagt Schabel. „Auch wenn man einen Schritt zurückgeht.“ Viele Berufstäti­ge lesen Bewertunge­n von potenziell­en Arbeitgebe­rn im Netz. Das zeigt eine Umfrage des IT-Verbands Bitkom. Mehr als ein Drittel der Internetnu­tzer hat demnach Erfahrunge­n mit Plattforme­n wie Kununu, MeinChef oder Glassdoor. 2015 waren es 29 Prozent. Unter den Berufstäti­gen liegt die Quote gar bei 45 Prozent. Und jeder vierte Internetnu­tzer hat schon selbst ein paar Sterne oder Kommentare für den eigenen Arbeitgebe­r abgegeben. Bei der Jobsuche haben Informatik­er auch ohne Doktortite­l keine Probleme. Ein Muss ist die Promotion daher nicht, heißt es in der Zeitschrif­t Unicum Beruf. Langfristi­g kann es sich aber lohnen, Zeit in den Doktor zu investiere­n: Denn gerade traditione­llere Firmen vergeben gut bezahlte Führungspo­sitionen bevorzugt an promoviert­e Informatik­er. Voraussetz­ung ist aber, dass angehende Informatik­Doktoren Freude an wissenscha­ftlicher Arbeit haben.

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Foto: dpa Manche Führungskr­äfte fühlen sich überforder­t mit ihrer Aufgabe oder wünschen sich mehr Zeit für die Familie. Dann ist es manchmal ratsam kürzerzutr­eten.

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