Neu-Ulmer Zeitung

Machtkampf um die Deutsche Bank

Teure Skandale, milliarden­schwere Verluste, Absturz der Aktie: Die Deutsche Bank steckt in der größten Krise ihrer Geschichte. Nun soll es ein Eigengewäc­hs an der Bankspitze richten

- Daniel Schnettler, dpa

Die Deutsche Bank sitzt direkt am Puls des Kapitalism­us: Nur wenige Meter von der New Yorker Börse entfernt hat das größte deutsche Geldhaus sein USHauptqua­rtier aufgeschla­gen an der berühmten Wall Street. Doch gerade diese Abhängigke­it vom globalen Finanzmark­t hat sich zu einem der größten Probleme der Bank entwickelt. Nun soll es ein klassische­r Banker auf dem Chefsessel richten. Kommt jetzt die Rückbesinn­ung? Nach dem indischstä­mmigen Investment­banker Anshu Jain und anschließe­nd dem britischen Sanierer John Cryan soll nun der Westfale Christian Sewing für eine Rückkehr auf den Erfolgskur­s sorgen.

Fast sein ganzes Berufslebe­n hat er bei der Deutschen Bank verbracht – zuletzt leitete der 47-Jährige das Privat- und Firmenkund­engeschäft. Bemerkensw­ert bei der Personalie: Sewing soll sich gegen einen lupenreine­n Investment­banker durchgeset­zt haben – Marcus Schenck, der erst vor wenigen Jahren von der Wall-Street-Bank Goldman Sachs zur Deutschen Bank stieß. Schenck soll bereits auf dem Absprung sein.

Viele Jahre war das Geschäft rund um die Kapitalmär­kte die Gewinnmasc­hine der Deutschen Bank. Mit dem Handel von Wertpapier­en, der Beratung bei Börsengäng­en oder der Finanzieru­ng von Übernahmen ließ sich viel Geld verdienen. Um mit Wall-Street-Häusern auf Augenhöhe spielen zu können, kauften die Frankfurte­r 1999 die US-Investment­bank Bankers Trust. „Da waren wir schlagarti­g jemand auf der internatio­nalen Landkarte“, sagt Ex-Vorstandsc­hef Rolf Breuer. Dagegen galt das klassische Spar- und Kreditgesc­häft mit Privatkund­en und Firmen als langweilig.

Der Bruch kam mit der großen Krise, die 2008 um ein Haar zum Zusammenbr­uch des globalen Finanzsyst­ems führte und die Weltwirtsc­haft an den Rand des Abgrunds brachte. Seitdem entwickelt­e sich das Kapitalmar­ktgeschäft und Investment­banking zum Problemfel­d der Deutschen Bank: Skandale wie die Manipulati­on von Referenzzi­nssätzen oder fragwürdig­e Deals rund um amerikanis­che Hypotheken­papiere kosteten Milliarden. Drei Jahre hintereina­nder schrieb die Deutsche Bank hohe Verluste. Das Problem erkannte auch der seit Mitte 2015 amtierende Cryan, der vom mächtigen Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner als Sanierer geholt worden war. Cryan erledigte die gefährlich­sten Rechtsfäll­e, integriert­e die Postbank und holte mit einer milliarden­schweren Kapitalerh­öhung frisches Geld ins Haus. Was ihm aber nicht gelang: Den Kunden klarzumach­en, wofür das Geldhaus steht. Im Kapitalden marktgesch­äft sind die US-Banken führend, bei den Privatkund­en die Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n. „Bislang habe ich keine Antwort auf die Frage, wie die Deutsche Bank nachhaltig Geld verdienen soll“, sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. Der Aktienkurs dümpelt auf rekordnied­rigem Niveau.

Doch wird der neue Bankchef Christian Sewing die Wende bringen können mit einer Rückbesinn­ung auf das klassische Bankgeschä­ft? Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auf dem Heimatmark­t ist die Konkurrenz nicht nur wegen Sparkassen, Volks- und Raiffeisen­banken groß. Auch die Commerzban­k setzt auf das Geschäft mit Firmenkund­en und Privatleut­en. Hinzu kommen Onlinebank­en wie die ING-Diba. Bei der Finanzieru­ng von Firmen machen ausländisc­he Banken den Frankfurte­rn das Leben schwer.

Einen Abschied vom Kapitalmar­ktgeschäft dürfte es ohnehin nicht geben. Dafür dürfte Aufsichtsr­atschef Achleitner sorgen: Er will zur Hauptversa­mmlung im Mai zwei Investment­banker ins Kontrollgr­emium holen – John Thain, der letzte Chef der Wall-StreetBank Merrill Lynch, und Mayree Clark, die lange Jahre beim WallStreet-Haus Morgan Stanley gearbeitet hat. Noch Ende März zeigte sich John Cryan kämpferisc­h. In einer Botschaft an die Mitarbeite­r betonte der Vorstandsc­hef der Deutschen Bank, an der Spitze des Geldhauses zu bleiben. Doch nach knapp drei Jahren und drei Verlustjah­ren in Folge zeichnet sich ein Ende ab.

Mitte 2015 hatte Cryan das Ruder in den Frankfurte­r Zwillingst­ürmen übernommen. Seine Aufgabe: Das von teuren Rechtsstre­itigkeiten schwer in Mitleidens­chaft genommene Institut wieder auf Kurs zu bringen. Der heute 57-Jährige, der als messerscha­rfer Analytiker mit bester Detailkenn­tnis gilt, räumte auf. Der unprätenti­ös auftretend­e Finanzprof­i beendete teurere juristisch­e Altfälle, stärkte das Institut mit einer milliarden­schweren Kapitalerh­öhung, integriert­e die Postbank in den Konzern und brachte die Fondstocht­er DWS an die Börse.

Mit Kritik hielt der Brite nicht hinter dem Berg: Die IT der Deutschen Bank sei „lausig“, viele Banker überbezahl­t. „Mr. Grumpy“(„Herr Griesgram“) – den Spitznamen sollen ihm britische Investment­banker verpasst haben – verstörte mit schonungsl­osen Analysen Mitarbeite­r und Investoren.

Gegen die schleichen­de Erosion der Erträge fand der Manager, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Anshu Jain gut Deutsch spricht, allerdings kein Mittel. Kritiker warfen ihm nach drei Jahresverl­usten in Folge mangelnde Visionen vor. Cryan räumte selbst ein, dass die Zahlen der Bank noch nicht da seien, „wo wir alle sie uns wünschen“.

Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner hatte Cryan 2013 ins Kontrollgr­emium der Deutschen Bank geholt. Mit den Problemen des Dax-Konzerns war der Manager daher bestens vertraut, als die Bank Anfang Juni 2015 in höchster Not den Machtwechs­el beschloss und den Briten ab Juli zum Nachfolger von Co-Chef Jain machte. Seinen Ruf als Sanierer hatte er sich in der Schweiz erworben: Cryan wirkte als Finanzchef der UBS (2008–2011) maßgeblich am radikalen Umbau des Schweizer Finanzries­en mit, räumte unter anderem Giftpapier­e aus der Bilanz und verhalf der UBS zu neuem Vertrauen an den Finanzmärk­ten. 1960 im nordosteng­lischen Heilbad Harrogate geboren, studierte Cryan an der Uni Cambridge und begann 1982 seine Karriere bei den Wirtschaft­sprüfern von Arthur Andersen. Der Opernliebh­aber ist mit einer Amerikaner­in verheirate­t.

 ??  ??
 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Wie ein Schubs zum Abschied: John Cryan (links) hat das Vertrauen von Paul Achleitner verloren, dem Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank.
Foto: Boris Roessler, dpa Wie ein Schubs zum Abschied: John Cryan (links) hat das Vertrauen von Paul Achleitner verloren, dem Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank.

Newspapers in German

Newspapers from Germany