Machtkampf um die Deutsche Bank
Teure Skandale, milliardenschwere Verluste, Absturz der Aktie: Die Deutsche Bank steckt in der größten Krise ihrer Geschichte. Nun soll es ein Eigengewächs an der Bankspitze richten
Die Deutsche Bank sitzt direkt am Puls des Kapitalismus: Nur wenige Meter von der New Yorker Börse entfernt hat das größte deutsche Geldhaus sein USHauptquartier aufgeschlagen an der berühmten Wall Street. Doch gerade diese Abhängigkeit vom globalen Finanzmarkt hat sich zu einem der größten Probleme der Bank entwickelt. Nun soll es ein klassischer Banker auf dem Chefsessel richten. Kommt jetzt die Rückbesinnung? Nach dem indischstämmigen Investmentbanker Anshu Jain und anschließend dem britischen Sanierer John Cryan soll nun der Westfale Christian Sewing für eine Rückkehr auf den Erfolgskurs sorgen.
Fast sein ganzes Berufsleben hat er bei der Deutschen Bank verbracht – zuletzt leitete der 47-Jährige das Privat- und Firmenkundengeschäft. Bemerkenswert bei der Personalie: Sewing soll sich gegen einen lupenreinen Investmentbanker durchgesetzt haben – Marcus Schenck, der erst vor wenigen Jahren von der Wall-Street-Bank Goldman Sachs zur Deutschen Bank stieß. Schenck soll bereits auf dem Absprung sein.
Viele Jahre war das Geschäft rund um die Kapitalmärkte die Gewinnmaschine der Deutschen Bank. Mit dem Handel von Wertpapieren, der Beratung bei Börsengängen oder der Finanzierung von Übernahmen ließ sich viel Geld verdienen. Um mit Wall-Street-Häusern auf Augenhöhe spielen zu können, kauften die Frankfurter 1999 die US-Investmentbank Bankers Trust. „Da waren wir schlagartig jemand auf der internationalen Landkarte“, sagt Ex-Vorstandschef Rolf Breuer. Dagegen galt das klassische Spar- und Kreditgeschäft mit Privatkunden und Firmen als langweilig.
Der Bruch kam mit der großen Krise, die 2008 um ein Haar zum Zusammenbruch des globalen Finanzsystems führte und die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds brachte. Seitdem entwickelte sich das Kapitalmarktgeschäft und Investmentbanking zum Problemfeld der Deutschen Bank: Skandale wie die Manipulation von Referenzzinssätzen oder fragwürdige Deals rund um amerikanische Hypothekenpapiere kosteten Milliarden. Drei Jahre hintereinander schrieb die Deutsche Bank hohe Verluste. Das Problem erkannte auch der seit Mitte 2015 amtierende Cryan, der vom mächtigen Aufsichtsratschef Paul Achleitner als Sanierer geholt worden war. Cryan erledigte die gefährlichsten Rechtsfälle, integrierte die Postbank und holte mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung frisches Geld ins Haus. Was ihm aber nicht gelang: Den Kunden klarzumachen, wofür das Geldhaus steht. Im Kapitalden marktgeschäft sind die US-Banken führend, bei den Privatkunden die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. „Bislang habe ich keine Antwort auf die Frage, wie die Deutsche Bank nachhaltig Geld verdienen soll“, sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Der Aktienkurs dümpelt auf rekordniedrigem Niveau.
Doch wird der neue Bankchef Christian Sewing die Wende bringen können mit einer Rückbesinnung auf das klassische Bankgeschäft? Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auf dem Heimatmarkt ist die Konkurrenz nicht nur wegen Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken groß. Auch die Commerzbank setzt auf das Geschäft mit Firmenkunden und Privatleuten. Hinzu kommen Onlinebanken wie die ING-Diba. Bei der Finanzierung von Firmen machen ausländische Banken den Frankfurtern das Leben schwer.
Einen Abschied vom Kapitalmarktgeschäft dürfte es ohnehin nicht geben. Dafür dürfte Aufsichtsratschef Achleitner sorgen: Er will zur Hauptversammlung im Mai zwei Investmentbanker ins Kontrollgremium holen – John Thain, der letzte Chef der Wall-StreetBank Merrill Lynch, und Mayree Clark, die lange Jahre beim WallStreet-Haus Morgan Stanley gearbeitet hat. Noch Ende März zeigte sich John Cryan kämpferisch. In einer Botschaft an die Mitarbeiter betonte der Vorstandschef der Deutschen Bank, an der Spitze des Geldhauses zu bleiben. Doch nach knapp drei Jahren und drei Verlustjahren in Folge zeichnet sich ein Ende ab.
Mitte 2015 hatte Cryan das Ruder in den Frankfurter Zwillingstürmen übernommen. Seine Aufgabe: Das von teuren Rechtsstreitigkeiten schwer in Mitleidenschaft genommene Institut wieder auf Kurs zu bringen. Der heute 57-Jährige, der als messerscharfer Analytiker mit bester Detailkenntnis gilt, räumte auf. Der unprätentiös auftretende Finanzprofi beendete teurere juristische Altfälle, stärkte das Institut mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung, integrierte die Postbank in den Konzern und brachte die Fondstochter DWS an die Börse.
Mit Kritik hielt der Brite nicht hinter dem Berg: Die IT der Deutschen Bank sei „lausig“, viele Banker überbezahlt. „Mr. Grumpy“(„Herr Griesgram“) – den Spitznamen sollen ihm britische Investmentbanker verpasst haben – verstörte mit schonungslosen Analysen Mitarbeiter und Investoren.
Gegen die schleichende Erosion der Erträge fand der Manager, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Anshu Jain gut Deutsch spricht, allerdings kein Mittel. Kritiker warfen ihm nach drei Jahresverlusten in Folge mangelnde Visionen vor. Cryan räumte selbst ein, dass die Zahlen der Bank noch nicht da seien, „wo wir alle sie uns wünschen“.
Aufsichtsratschef Paul Achleitner hatte Cryan 2013 ins Kontrollgremium der Deutschen Bank geholt. Mit den Problemen des Dax-Konzerns war der Manager daher bestens vertraut, als die Bank Anfang Juni 2015 in höchster Not den Machtwechsel beschloss und den Briten ab Juli zum Nachfolger von Co-Chef Jain machte. Seinen Ruf als Sanierer hatte er sich in der Schweiz erworben: Cryan wirkte als Finanzchef der UBS (2008–2011) maßgeblich am radikalen Umbau des Schweizer Finanzriesen mit, räumte unter anderem Giftpapiere aus der Bilanz und verhalf der UBS zu neuem Vertrauen an den Finanzmärkten. 1960 im nordostenglischen Heilbad Harrogate geboren, studierte Cryan an der Uni Cambridge und begann 1982 seine Karriere bei den Wirtschaftsprüfern von Arthur Andersen. Der Opernliebhaber ist mit einer Amerikanerin verheiratet.