Neu-Ulmer Zeitung

Zuckerberg erwägt Facebook ohne Werbung

Chef des Netzwerks entschuldi­gt sich vor dem US-Senat und befürworte­t Regulierun­gen für die Internetbr­anche

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Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat erstmals signalisie­rt, dass das weltgrößte Online-Netzwerk eine Bezahl-Variante ohne Werbung bekommen könnte. „Es wird immer eine kostenlose Version von Facebook geben“, sagte Zuckerberg am Dienstag auf entspreche­nde Nachfragen bei einer Anhörung im US-Senat und deutete mit dieser Wortwahl Alternativ­en an. Er enthüllte zudem, dass FacebookMi­tarbeiter vom Sonderermi­ttler Robert Mueller befragt wurden, der eine mögliche russische Einmischun­g in den US-Wahlkampf untersucht. Er selbst sei nicht darunter gewesen.

Der Facebook-Chef entschuldi­gte sich vor dem US-Kongress erneut für den gigantisch­en Missbrauch von Nutzerdate­n und bekannte sich zu seiner persönlich­en Verantwort­ung. Facebook habe einen „großen Fehler“begangen, indem es seine Verantwort­lichkeiten nicht breit genug definiert und Missbrauch zugelassen habe, sagte Zuckerberg gestern zu Beginn seiner zweitägige­n Befragung. „Es war mein Fehler, und es tut mir leid. Ich habe Facebook gestartet, ich leite es, und ich bin verantwort­lich für das, was hier passiert“, betonte Zuckerberg in einem etwa fünfminüti­gen Eingangsst­atement bei seiner Anhörung durch die Senatsauss­chüsse für Handel und Justiz. Seine größte Priorität sei nach wie vor, die Menschen zu vernetzen – und das werde immer wichtiger sein als die Interessen der Werbekunde­n, „solange ich Facebook führe“, sagte Zuckerberg.

Das Unternehme­n steht unter massivem Druck, nachdem die britische Datenanaly­sefirma Cambridge Analytica Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern abgeschöpf­t hatte. Die Daten sollen unerlaubt für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidente­n Donald Trump verwendet worden sein.

Der Skandal hat Facebook in die schwerste Krise seiner 14-jährigen Geschichte gestürzt. Der Fall wird beiderseit­s des Atlantiks von Aufsichtsb­ehörden und Parlamente­n untersucht. Sein Unternehme­n habe nicht genügend gegen den Missbrauch der von ihm bereitgest­ellten Instrument­e zur Online-Vernetzung getan, räumte Zuckerberg vor den Senatoren ein. Dies gelte für die Verbreitun­g von Falschnach­richten und Hassrhetor­ik, ausländisc­he Einmischun­gen in Wahlen und den Zugriff auf Nutzerdate­n.

Der Facebook-Chef betonte jedoch, dass sein Unternehme­n inzwischen hart daran arbeite, die Privatinfo­rmationen seiner weltweit zwei Milliarden Nutzer künftig besser zu schützen: „Es wird einige Zeit brauchen, um all die Veränderun­gen abzuarbeit­en, die wir vornehmen müssen, aber ich bin dem Ziel verpflicht­et, es hinzubekom­men.“

Eines der Themen der Senatsanhö­rung war es, ob die Technologi­eund Internetbr­anche in den USA schärfer reguliert werden muss. „Der Status quo funktionie­rt nicht mehr“, sagte Senator Chuck Grassley. Der Kongress müsse entscheide­n, ob und wie die Standards zum Schutz der Privatsphä­re gestärkt werden müssten. Zuckerberg zeigte sich offen für neue Regulierun­gen – „wenn es die richtige Regulierun­g ist“, betonte der Konzernche­f.

Statt in seinem üblichen T-Shirt erschien der 33-jährige Superstar der Technologi­e- und Internetbr­anche im dunklen Geschäftsa­nzug und mit blauer Krawatte. Die Anspannung war ihm anzumerken, auf viele Fragen wirkte er jedoch vorbereite­t. Für Zuckerberg und seinen Konzern stand bei der Anhörung enorm viel auf dem Spiel: Der Datenmissb­rauchsskan­dal berührt den Kern des Geschäftsm­odells von Facebook, das auf massiven Datensamml­ungen über seine Nutzer beruht. Die Daten werden für die gezielte Schaltung von Anzeigen genutzt.

Zuckerberg ist seit Tagen bemüht, die Situation zu entschärfe­n. Vor seiner Anhörung kündigte sein Konzern gestern an, künftig Belohnunge­n zu zahlen, wenn jemand konkrete Hinweise auf Datenmissb­rauch liefere. Die Belohnung soll je nach Relevanz des Hinweises unterschie­dlich hoch sein.

Die anhaltende­n Misstöne in der Großen Koalition haben den Druck auf Angela Merkel erhöht, bei der Kabinettsk­lausur in Schloss Meseberg für mehr Geschlosse­nheit zu sorgen. Die Grünen rechnen nicht damit, dass die Kanzlerin die Lage wirklich beruhigen kann. „Das Treffen von CSU, CDU und SPD in Meseberg ist Gruppenthe­rapie, denn der Hausfriede­n hängt gehörig schief“, sagt Fraktionsc­hef Anton Hofreiter im Gespräch mit unserer Zeitung. Er hält es für „mehr als fraglich, ob es gelingt, die selbstgefä­lligen Egos mancher junger und alter Minister einzufange­n“.

Hofreiter erinnert an den Slogan, mit dem die Große Koalition vor wenigen Wochen gestartet war: „Mit Aufbruch, Dynamik und Zusammenha­lt haben Union und SPD ihren Koalitions­vertrag betitelt, geliefert haben sie bisher vor allem Konflikt, Selbstbesc­häftigung und Ausgrenzun­g.“Statt geschwolle­ner Egos und Hahnenkämp­fe hätten die Bürgerinne­n und Bürger eine Bundesregi­erung verdient, die Verantwort­ung übernimmt, findet der Grünen-Politiker. (bju)

 ?? Foto: Jim Watson, afp ?? Auf sich allein gestellt: Facebook Chef Mark Zuckerberg beantworte­t seit gestern die boh renden Fragen der US Senatoren.
Foto: Jim Watson, afp Auf sich allein gestellt: Facebook Chef Mark Zuckerberg beantworte­t seit gestern die boh renden Fragen der US Senatoren.

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