Bürgermeister: Amokfahrt war nicht zu verhindern
Die Behörden kannten Jens R., es habe aber nur „sporadische Kontakte“gegeben
Nach der Amokfahrt von Münster mit zwei Todesopfern schweben noch vier der Schwerverletzten in Lebensgefahr. Zwei Patienten werden in lebensbedrohlichem Zustand im Universitätsklinikum Münster behandelt, zwei weitere im Münsteraner Clemenshospital, wie Sprecher der Kliniken am Dienstag mitteilten.
Bei ihren Ermittlungen zu der Todesfahrt konzentrierte sich die Polizei zuletzt auf die Herkunft der Waffe, mit der sich der Amokfahrer erschoss. Dabei wollten die Ermittler auch klären, ob die im ehemaligen Jugoslawien hergestellte Pistole möglicherweise bereits bei einer anderen Straftat eingesetzt wurde, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage mitteilte. Der als psychisch labil eingestufte Jens R. hatte nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul keinen Waffenschein, somit war die Waffe nicht ordnungsgemäß erworben. R. hatte am Samstagnachmittag in der belebten Altstadt von Münster seinen Campingbus in eine Menschengruppe vor einer Gaststätte gesteuert. Dabei wurden eine 51-jährige Frau und ein 65-jähriger Mann getötet. Nach der Amokfahrt richtete sich der 48-jährige Deutsche selbst.
Nach Erkenntnissen der Ermittler handelte der Täter eindeutig in Suizidabsicht. R. habe jedoch entgegen anderslautenden Berichten im Zeitraum vor der Tat diese eindeutige Absicht zur Selbsttötung „weder dargelegt noch gegenüber Dritten geäußert“, erklärten die Ermittler. In einer Mitteilung vom Sonntag hatten Polizei und Staatsanwaltschaft von „vagen Hinweisen auf suizidalen Gedanken“des späteren Täters in einer E-Mail von Ende März berichtet. In der E-Mail habe es aber „keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen“gegeben.
Münsters CDU-Oberbürgermeister Markus Lewe zeigte sich am Dienstag überzeugt davon, dass die Behörden die Amokfahrt des Mannes nicht vorhersehen konnten. Zwischen R. und dem sozialpsychiatrischen Dienst Münsters habe es 2015 und 2016 „sporadische Kontakte“gegeben, erklärte Lewe. „Zwischen Dezember 2016 und März 2018 gab es keine weiteren Kontakte, und es lagen auch keine Hinweise von Dritten vor.“Den nächsten Kontakt habe es dann am 27. März dieses Jahres gegeben, als R. unangemeldet erschienen sei. „Er legte ein umfangreiches, von ihm selbst verfasstes Schreiben vor und bat darum, es seiner Akte beizufügen.“Im Gespräch und aus dem Inhalt des Schreibens hätten sich „keinerlei Hinweise auf eine unmittelbar drohende Suizidgefahr oder Fremdgefährdung“ergeben, betonte der Oberbürgermeister. „Am 29. März 2018 hat er eine Kopie desselben Schreibens in der Verwaltungsabteilung des Gesundheitsamts abgegeben – auch bei diesem kurzen Kontakt ergaben sich keine Hinweise auf eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung.“
Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte zuvor berichtet, der früher erfolgreiche Industriedesigner R. sei am 29. März bei der Psychiatrieanlaufstelle der Stadt Münster aufgetaucht und habe um ein Gespräch mit seinem Betreuer gebeten. Der habe sich aber im Urlaub befunden. Deshalb habe die Behörde nichts von seinen Suizidabsichten erfahren.
Am Dienstag teilte das Bistum Münster mit, dass ein Beileidsschreiben des Papstes den Bischof von Münster, Felix Genn, erreicht habe. Franziskus gedenke aller Opfer und bete für die Genesung der Verletzten. „In tiefer Anteilnahme bittet Papst Franziskus Gott um seinen Trost und Segen“, heiße es in dem Schreiben wörtlich.