Britischer Chefdiplomat zeigt auf Moskau
Nowitschok-Gruppe war in der früheren Sowjetunion hergestellt worden. Und so forderte der Chefdiplomat gestern den Kreml erneut auf, „Antworten zu liefern“.
Angesichts des eskalierenden Streits hatte Premierministerin Theresa May bereits vor Wochen Sanktionen gegen Russland verhängt und unter anderem 23 Diplomaten ausgewiesen. Verbündete Staaten wie Frankreich, die USA und Deutschland folgten ihrem Beispiel. Als Reaktion schickte Moskau seinerseits ebenfalls Vertreter westlicher Staaten nach Hause. Der Kreml weist die Vorwürfe der Verwicklung in den Anschlag vehement zurück, antwortete zudem mit viel Spott auf die Anschuldigungen und nannte die Strafmaßnahmen eine „beispiellose grobe Provokation“.
Erst vergangene Woche lud der russische Botschafter in London, Alexander Jakowenko, in seine Residenz zu einer Pressekonferenz, die reichlich Erstaunen auf der Insel auslöste. Trotz gegenteiliger Aussagen von damaligen russischen Entwicklern des Nervengases, behauptete Jakowenko, sein Land habe nie Nowitschok produziert, geschweige denn besessen oder gelagert.
Am Dienstagabend meldete sich dann erneut Julia Skripal, die anders als der 66-jährige Ex-Spion mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen wurde, in einer über Scotland Yard verbreiteten Stellungnahme zu Wort. Ihr gehe es zwar besser, aber sie leide weiterhin „unter den Folgen des Nervengases, das gegen uns eingesetzt wurde“. Ihr Vater sei „immer noch schwer krank“. Der russischen Botschaft, die „freundlicherweise“ihre Unterstützung angeboten hätte, erteilte sie eine Absage: Vorerst wolle sie deren konsularische Hilfe nicht und bat zudem ihre Cousine Viktoria, sie nicht zu kontaktieren oder in Großbritannien zu besuchen. „Ihre Meinungen und Behauptungen sind nicht meine und auch nicht die meines Vaters“, so die 33-jährige Julia, deren derzeitiger Aufenthaltsort geheim gehalten wird.
Viktoria Skripal spielte in den vergangenen Wochen eine undurchsichtige Rolle. So hatte sie beispielsweise mehrere Auftritte in russischen Medien, in denen sie unter anderem die Angaben Großbritanniens anzweifelte und meinte, ihre Verwandten seien Opfer einer Fischvergiftung geworden. Zudem klagte sie darüber, dass ihr Antrag auf ein Besuchervisum vom britischen Innenministerium abgelehnt worden war. Daraufhin gab die Behörde bekannt, Viktoria Skripal habe die Einreisebestimmungen nicht erfüllt.
Die britische Regierung berief für Mittwoch nächster Woche ein Treffen des Exekutivrats der OPCW ein, um über das weitere Vorgehen zu beraten. „Im Interesse der Transparenz und weil wir, im Gegensatz zu den Russen, nichts zu verbergen haben“, habe man bei der OPCW um eine Veröffentlichung der Zusammenfassung gebeten, sagte Außenminister Boris Johnson am Donnerstag in gewohnt provokativer Manier. Man werde sich zusammen mit seinen Verbündeten unermüdlich dafür einsetzen, den „grotesken Einsatz von Waffen dieser Art auszumerzen“. London hat außerdem eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu dem Fall beantragt.