Ärgerliche Fehler
Kaum ein Tag in den vergangenen Tagen ohne Diskussionen darüber, ob Medien korrekt berichtet haben. Zwei Beispiele, wie die Berichterstattung von Medien zum Medienthema wurde: ● War es ein islamistischer Anschlag? Oder eine Amokfahrt? Was am Samstag in Münster geschah, war anfangs noch völlig unklar – umso mehr wurde etwa im Internet darüber spekuliert. Umso wichtiger für seriöse Medien, sich nicht daran zu beteiligen …
Offensichtlich hielten sich die meisten daran; nicht von ungefähr das Lob von NRW-Innenminister Herbert Reul, der am Sonntag sagte: „Ihnen als Pressevertreter möchte ich sehr herzlich danken, dass Sie die Bitte aufgenommen haben, nur das zu berichten, was Fakt ist.“Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Leider nicht für den Nachrichtensender n-tv. Dort wurde wild spekuliert – und noch am Samstagabend wider anderslautender Berichte die „BREAKING NEWS“eingeblendet: „Klare Hinweise auf Anschlag in Münster“. Einer der weiteren Tiefpunkte: als Reporter Ulrich Klose den abwertenden, unter Rechtsextremen – etwa in der NPD – benutzten Begriff „Passdeutscher“für den mutmaßlichen Täter verwendete. Ein Deutscher also mit Migrationshintergrund? Rechte Blogs stürzten sich auf die Falschmeldung, und andere Medien berichteten über n-tv. ● Am vergangenen Freitag schrieb mein Kollege Philipp Kinne auf dieser Seite über Starjournalistin Gisela Friedrichsen (unser Foto) von der Welt. Diese hatte über den Prozess gegen den Vergewaltiger und Mörder Hussein K. berichtet: „Zwei Millionen Euro sollen allein die Untersuchungen zur Feststellung von K.s ungefährem Alter gekostet haben.“
Im Gespräch mit unserer Zeitung blieb sie bei der Summe; gemeint sein könnten die Entwicklungskosten des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft Freiburg wies beides zurück: Die Gesamtkosten für die Altersfeststellung hätten bei etwa 6000 Euro gelegen. Branchendienste griffen das auf. Auch gegenüber Meedia.de blieb Friedrichsen bei ihrer Darstellung – obwohl die Welt ihren Artikel korrigiert hatte, „diese konkrete Summe“(zwei Millionen Euro) sei „nicht zu belegen“. Friedrichsen ergänzte: „Es kann sich um einen Hörfehler gehandelt haben.“Warum sie die Zahl dann nannte? Bleibt offen. Auch in diesem Fall stürzten sich rechte Blogs auf die Falschmeldung. So entstehen Fake News. Wer von Zwangsgebühren spricht, redet gerne auch von Luxuspensionen – für Gegner des öffentlichrechtlichen Rundfunks steht beides für ein System, das abgeschafft gehört. Aus ihrer Sicht bekommen ARD und ZDF nicht nur viel zu viel Geld durch den Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt. Die Sender geben es nach Meinung der Gegner auch falsch aus. Etwa, weil ein Großteil der Beitragsmilliarden in die Altersversorgung pensionierter Mitarbeiter fließe. Darin aber sind sich Gegner wie moderate Kritiker einig – selbst Gewerkschafter räumen ein, dass ehemalige ARD- und ZDF-Redakteure Pensionen bekämen, von denen andere nur träumen könnten.
Richtig ist auch, dass die Sender die Aussicht auf einen rentablen Ruhestand nutzen konnten, um qualifizierte Kräfte anzulocken. Bis 1993 hatten Pensionäre sogar höhere Bezüge als zu ihrer aktiven Berufszeit. Dann reformierte die ARD ihre Altersversorgung, und das früher als der Öffentliche Dienst, wie Sprecherin Sylvie Stephan betont.
Das Problem: Weil die Menschen immer älter würden, entpuppten sich die Altersversorgungen nun als teurer Klotz am Bein, sagen Kritiker. Kürzlich schrieb die Bild, die sich auf „interne Zahlen“der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) berief, es gebe ein „Milliarden-Loch“: ARD und ZDF würden bis 2024 fast drei Milliarden Euro fehlen. Das sei exakt der Betrag, den die Sender in der laufenden Gebührenperiode (2017 bis 2020) für die betriebliche Altersversorgung aufwendeten, und dieses Loch müssten die Beitragszahler stopfen.
In einer „Klarstellung“räumte die ARD zwar ein, dass es eine „Deckungsstocklücke“gebe, aber dabei handele es sich nicht um ein „Milliarden-Loch“, sondern „um einen Bilanzeffekt, den im Übrigen sämtliche Unternehmen und Versorgungsträger mit betrieblicher Altersversorgung erleben, die Rückstellungen für ihre zukünftigen Lasten bilden“. In Zeiten von Niedrigzinsen sei es nicht ungewöhnlich, dass sich die Rückstellungen in einer Bilanz erhöhten. Diese Bewegung werde sich umkehren, sobald die Zinsen wieder anstiegen. Eigene Deckungsstöcke für die Altersversorgung bewirkten, „dass auch in Zukunft kein Programmgeld in die Altersversorgung fließt“.
Das ist den Sendern besonders wichtig, denn darin gipfelt der Vorwurf der Beitragsgegner in der Regel: dass ein viel zu hoher Anteil der „Zwangsgebühren“für Zwecke ausgegeben werde, die nichts mit dem Programm zu tun hätten.
ARD-Sprecherin Sylvie Stephan spricht in diesem Zusammenhang von „Zerrbildern, Fehlinterpretationen und nicht hinterfragten Behauptungen“. Tatsächlich mache die Altersversorgung in der ARD insgesamt rund 6,9 Prozent der Gesamtaufwendungen aus; beim Bayerischen Rundfunk seien es in der laufenden Gebührenperiode 6,5 Prozent. Maßgeblichen Anteil an diesem aus Sicht der Beitragszahler eher positiven Umstand hat der Tarifvertrag Altersversorgung, auf den sich die Sender und die Journalistengewerkschaften nach jahrelangen Verhandlungen im vergangenen Herbst einigten. Die Pensionsbezüge entsprechen nun weitgehend denen im Öffentlichen Dienst.
Wesentliche Änderung gegenüber früher ist die Vereinbarung, dass die Dynamisierung der Renten abgesenkt wurde. Diese steigen zwar weiter parallel zu den Gehältern, aber um einen Prozentpunkt weniger. Die finanziellen Auswirkungen dieses Einschnitts, versichert Stephan, seien enorm. Die ARD habe „ihre ‚Versorgungslasten‘ dauerhaft und nachhaltig in den Griff bekommen“. Die Reform entlaste das Eigenkapital der ARDSender um rund eine Milliarde Euro. Beim ZDF, bei dem nach eigenen Angaben die Altersversorgung einem Anteil von 6,9 Prozent an den Gesamtaufwendungen ausmacht, verhält es sich ähnlich. Durch die Bildung eines Versorgungsstockes habe man „Vorsorge getroffen, um eine Finanzierung aus dem laufenden Haushalt zu vermeiden“, erklärt der Sender.