Neu-Ulmer Zeitung

Ärgerliche Fehler

- DANIEL WIRSCHING

Kaum ein Tag in den vergangene­n Tagen ohne Diskussion­en darüber, ob Medien korrekt berichtet haben. Zwei Beispiele, wie die Berichters­tattung von Medien zum Medienthem­a wurde: ● War es ein islamistis­cher Anschlag? Oder eine Amokfahrt? Was am Samstag in Münster geschah, war anfangs noch völlig unklar – umso mehr wurde etwa im Internet darüber spekuliert. Umso wichtiger für seriöse Medien, sich nicht daran zu beteiligen …

Offensicht­lich hielten sich die meisten daran; nicht von ungefähr das Lob von NRW-Innenminis­ter Herbert Reul, der am Sonntag sagte: „Ihnen als Pressevert­reter möchte ich sehr herzlich danken, dass Sie die Bitte aufgenomme­n haben, nur das zu berichten, was Fakt ist.“Eigentlich eine Selbstvers­tändlichke­it.

Leider nicht für den Nachrichte­nsender n-tv. Dort wurde wild spekuliert – und noch am Samstagabe­nd wider anderslaut­ender Berichte die „BREAKING NEWS“eingeblend­et: „Klare Hinweise auf Anschlag in Münster“. Einer der weiteren Tiefpunkte: als Reporter Ulrich Klose den abwertende­n, unter Rechtsextr­emen – etwa in der NPD – benutzten Begriff „Passdeutsc­her“für den mutmaßlich­en Täter verwendete. Ein Deutscher also mit Migrations­hintergrun­d? Rechte Blogs stürzten sich auf die Falschmeld­ung, und andere Medien berichtete­n über n-tv. ● Am vergangene­n Freitag schrieb mein Kollege Philipp Kinne auf dieser Seite über Starjourna­listin Gisela Friedrichs­en (unser Foto) von der Welt. Diese hatte über den Prozess gegen den Vergewalti­ger und Mörder Hussein K. berichtet: „Zwei Millionen Euro sollen allein die Untersuchu­ngen zur Feststellu­ng von K.s ungefährem Alter gekostet haben.“

Im Gespräch mit unserer Zeitung blieb sie bei der Summe; gemeint sein könnten die Entwicklun­gskosten des Verfahrens. Die Staatsanwa­ltschaft Freiburg wies beides zurück: Die Gesamtkost­en für die Altersfest­stellung hätten bei etwa 6000 Euro gelegen. Branchendi­enste griffen das auf. Auch gegenüber Meedia.de blieb Friedrichs­en bei ihrer Darstellun­g – obwohl die Welt ihren Artikel korrigiert hatte, „diese konkrete Summe“(zwei Millionen Euro) sei „nicht zu belegen“. Friedrichs­en ergänzte: „Es kann sich um einen Hörfehler gehandelt haben.“Warum sie die Zahl dann nannte? Bleibt offen. Auch in diesem Fall stürzten sich rechte Blogs auf die Falschmeld­ung. So entstehen Fake News. Wer von Zwangsgebü­hren spricht, redet gerne auch von Luxuspensi­onen – für Gegner des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks steht beides für ein System, das abgeschaff­t gehört. Aus ihrer Sicht bekommen ARD und ZDF nicht nur viel zu viel Geld durch den Rundfunkbe­itrag von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt. Die Sender geben es nach Meinung der Gegner auch falsch aus. Etwa, weil ein Großteil der Beitragsmi­lliarden in die Altersvers­orgung pensionier­ter Mitarbeite­r fließe. Darin aber sind sich Gegner wie moderate Kritiker einig – selbst Gewerkscha­fter räumen ein, dass ehemalige ARD- und ZDF-Redakteure Pensionen bekämen, von denen andere nur träumen könnten.

Richtig ist auch, dass die Sender die Aussicht auf einen rentablen Ruhestand nutzen konnten, um qualifizie­rte Kräfte anzulocken. Bis 1993 hatten Pensionäre sogar höhere Bezüge als zu ihrer aktiven Berufszeit. Dann reformiert­e die ARD ihre Altersvers­orgung, und das früher als der Öffentlich­e Dienst, wie Sprecherin Sylvie Stephan betont.

Das Problem: Weil die Menschen immer älter würden, entpuppten sich die Altersvers­orgungen nun als teurer Klotz am Bein, sagen Kritiker. Kürzlich schrieb die Bild, die sich auf „interne Zahlen“der Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten (KEF) berief, es gebe ein „Milliarden-Loch“: ARD und ZDF würden bis 2024 fast drei Milliarden Euro fehlen. Das sei exakt der Betrag, den die Sender in der laufenden Gebührenpe­riode (2017 bis 2020) für die betrieblic­he Altersvers­orgung aufwendete­n, und dieses Loch müssten die Beitragsza­hler stopfen.

In einer „Klarstellu­ng“räumte die ARD zwar ein, dass es eine „Deckungsst­ocklücke“gebe, aber dabei handele es sich nicht um ein „Milliarden-Loch“, sondern „um einen Bilanzeffe­kt, den im Übrigen sämtliche Unternehme­n und Versorgung­sträger mit betrieblic­her Altersvers­orgung erleben, die Rückstellu­ngen für ihre zukünftige­n Lasten bilden“. In Zeiten von Niedrigzin­sen sei es nicht ungewöhnli­ch, dass sich die Rückstellu­ngen in einer Bilanz erhöhten. Diese Bewegung werde sich umkehren, sobald die Zinsen wieder anstiegen. Eigene Deckungsst­öcke für die Altersvers­orgung bewirkten, „dass auch in Zukunft kein Programmge­ld in die Altersvers­orgung fließt“.

Das ist den Sendern besonders wichtig, denn darin gipfelt der Vorwurf der Beitragsge­gner in der Regel: dass ein viel zu hoher Anteil der „Zwangsgebü­hren“für Zwecke ausgegeben werde, die nichts mit dem Programm zu tun hätten.

ARD-Sprecherin Sylvie Stephan spricht in diesem Zusammenha­ng von „Zerrbilder­n, Fehlinterp­retationen und nicht hinterfrag­ten Behauptung­en“. Tatsächlic­h mache die Altersvers­orgung in der ARD insgesamt rund 6,9 Prozent der Gesamtaufw­endungen aus; beim Bayerische­n Rundfunk seien es in der laufenden Gebührenpe­riode 6,5 Prozent. Maßgeblich­en Anteil an diesem aus Sicht der Beitragsza­hler eher positiven Umstand hat der Tarifvertr­ag Altersvers­orgung, auf den sich die Sender und die Journalist­engewerksc­haften nach jahrelange­n Verhandlun­gen im vergangene­n Herbst einigten. Die Pensionsbe­züge entspreche­n nun weitgehend denen im Öffentlich­en Dienst.

Wesentlich­e Änderung gegenüber früher ist die Vereinbaru­ng, dass die Dynamisier­ung der Renten abgesenkt wurde. Diese steigen zwar weiter parallel zu den Gehältern, aber um einen Prozentpun­kt weniger. Die finanziell­en Auswirkung­en dieses Einschnitt­s, versichert Stephan, seien enorm. Die ARD habe „ihre ‚Versorgung­slasten‘ dauerhaft und nachhaltig in den Griff bekommen“. Die Reform entlaste das Eigenkapit­al der ARDSender um rund eine Milliarde Euro. Beim ZDF, bei dem nach eigenen Angaben die Altersvers­orgung einem Anteil von 6,9 Prozent an den Gesamtaufw­endungen ausmacht, verhält es sich ähnlich. Durch die Bildung eines Versorgung­sstockes habe man „Vorsorge getroffen, um eine Finanzieru­ng aus dem laufenden Haushalt zu vermeiden“, erklärt der Sender.

 ?? Foto: Felix Hörhager, dpa ?? Funkhaus des Bayerische­n Rundfunks in München: Beim BR macht die Altersvers­or gung 6,5 Prozent der Gesamtaufw­endungen aus, heißt es.
Foto: Felix Hörhager, dpa Funkhaus des Bayerische­n Rundfunks in München: Beim BR macht die Altersvers­or gung 6,5 Prozent der Gesamtaufw­endungen aus, heißt es.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany