Neu-Ulmer Zeitung

Sparen Krankenkas­sen bei den Alten?

Der Wettbewerb um junge, gesunde Versichert­e wird offenbar auf Kosten von Rentnern und chronisch Kranken geführt. Die Politik denkt bereits über Sanktionen nach

- VON MARTIN FERBER UND JOACHIM BOMHARD

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen benachteil­igen offenbar systematis­ch chronisch kranke und ältere Mitglieder. Nach einem Bericht des Bundesvers­icherungsa­mtes versuchen viele Kassen, mit Wechselprä­mien von bis zu 900 Euro, Bonusprogr­ammen oder Angeboten zur Prävention junge Versichert­e anzulocken, während sie die Anträge älterer Mitglieder auf Reha-Maßnahmen oder die Übernahme von Kosten für Hilfsmitte­l wie Hörgeräte oder Windeln für Inkontinen­zpatienten häufig verweigern. So würden inzwischen fast 20 Prozent der beantragte­n Reha-Maßnahmen für Rentner abgelehnt.

„Die Vorwürfe des Bundesvers­icherungsa­mtes sind auf Grundlage meiner Erkenntnis­se berechtigt“, sagte der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach unserer Zeitung. „Wir haben einen zunehmende­n Wettbewerb der Kassen um junge Gesunde.“Gegenüber jungen eigenen oder wechselwil­ligen jungen Mitglieder­n anderer Kassen ver- die Versicheru­ngen, besonders großzügig zu sein. „Daher müssen wir als Gesetzgebe­r dafür sorgen, dass auch die Menschen, die chronisch krank sind, sich für die Kassen lohnen.“Den Kassen sei es nicht zuzumuten, dass sie mit chronisch Kranken Verluste machen.

Lauterbach plädiert dafür, den sogenannte­n Risikostru­kturausgle­ich so zu ändern, dass bei der Verteilung der Beitragsei­nnahmen schwere und chronische Krankheite­n stärker berücksich­tigt werden. Außerdem müsste bei der Genehmigun­g von Bonusprogr­ammen stärker darauf geachtet werden, dass sie auch Älteren und sozial Schwachen nutzten.

Noch deutlicher wird der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Union, der Neu-Ulmer Abgeordnet­e Georg Nüßlein: „Die Fantasie und die Renitenz einiger Kassen, sich im Wettbewerb unfair und unverschäm­t Vorteile zu verschaffe­n, sind leider grenzenlos und verstoßen gegen das Solidarpri­nzip.“Daher, so Nüßlein, müsse der Gesuchten setzgeber auch über schärfere persönlich­e Sanktionen gegen die Vorstände der Kassen nachdenken. So sinnvoll der Wettbewerb im Prinzip sei, so sehr habe die Politik seit 25 Jahren auch mit den Auswüchsen dieses Wettbewerb­s zu kämpfen.

Irmgard Stiegler, die neue Vorstandsv­orsitzende der AOK Bayern, wies die Vorwürfe auf Anfrage unserer Zeitung zurück. „Die Gesundheit­sversorgun­g älterer und hilfebedür­ftiger Menschen ist mir ein großes Anliegen“, betonte sie. „Wir verstehen uns als Kümmerer vor Ort.“Die AOK Bayern verstehe sich als solidarisc­he Krankenver­sicherung, die gerade auch für die älteren Menschen da sei. „Dies betrifft nicht nur die Erreichbar­keit, sondern auch Versorgung­sprogramme für chronisch kranke Patienten.“So unterstütz­ten die Pflegebera­ter der AOK nicht nur Pflegebedü­rftige, sondern auch deren Angehörige. Außerdem biete die Kasse Gesundheit­skurse speziell für Senioren an.

Agieren die Kassen zunehmend unsolidari­sch? Lesen Sie dazu auch den und einen Hintergrun­dbericht in der In Augsburg öffnete 1949 der erste Selbstbedi­enungslade­n Deutschlan­ds. BMA war damals einer der Marktführe­r.

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