Neu-Ulmer Zeitung

Der Wirtschaft­skapitän und sein Schiff

In 30 Jahren hat Firmengrün­der Ronald Herkert die Forum Media Group zu einem internatio­nal tätigen Anbieter von Fachinform­ationen entwickelt. Auch die Seefahrt spielte dabei eine Rolle

- VON THOMAS GOSSNER

Was braucht es, um ein Schiff erfolgreic­h zu lenken? Da muss Ronald Herkert nicht lange überlegen: Weit vorausscha­uen. Gemeinsam besprechen, was zu tun ist und welche Aufgabe jeder Einzelne hat. Und immer bedenken, dass es auf das ganze Team ankommt. „Was auf dem Schiff im Kleinen gilt, gilt auch für ein Unternehme­n im Großen“, sagt Herkert. Er muss es wissen, schließlic­h hat er nicht nur als junger Mann ein Kapitänspa­tent erworben, sondern später auch die Forum Media Group (FMG) gegründet, die er seit 30 Jahren mit sicherer Hand durch das Verlagsges­chäft steuert.

Mit weltweit fast 1200 Mitarbeite­rn und einem Umsatz von 110 Millionen Euro hat sich das in Merching (Kreis Aichach-Friedberg) ansässige Unternehme­n zu einem führenden Dienstleis­ter in der Wissensver­mittlung entwickelt. Dabei hatte der gebürtige Aalener Herkert eigentlich ein ganz anderes Berufsziel: Als er 1969 die mittlere Reife abgelegt hatte, wollte er etwas von der Welt sehen. „Aber große Urlaubsrei­sen gab es damals ja nicht“, blickt er auf die Jugend in der schwäbisch­en Provinz zurück. Herkert heuerte also auf einem Schiff an mit dem Ziel, Kapitän zu werden. Der Besuch der Seefahrtss­chule eröffnete ihm den Weg zum Betriebswi­rtschaftss­tudium an den Unis in Bremen und Augsburg.

Eigentlich wollte er nach dem Abschluss zurück in den Norden, um ins Reedergesc­häft einzusteig­en. „Aber 1980 gab es keine deutsche Seefahrt mehr“– Herkert musste sich neu orientiere­n und stieß auf eine Stellenanz­eige des jungen Kissinger Weka-Verlags: „Ich hatte den Eindruck, dort könne man etwas bewegen.“Tatsächlic­h wuchs Weka in den 80ern mit Dienstleis­tungen im Bereich der Fachinform­ation von 16 auf nahezu 2000 Mitarbeite­r. Und Herkert hatte das Gefühl, als Führungskr­aft mehr mit sich selbst beschäftig­t zu sein als mit dem Markt und den Kunden. Zeit, etwas Neues zu wagen.

1988 startete er darum ein eigenes Unternehme­n – mit zwei freigeräum­ten Zimmern in seinem Wohnhaus, mit einer Anzeigenve­rkäuferin und einem kleinen Blatt namens Forum, in dem verschiede­ne Produkte redaktione­ll vorgestell­t wurden. Nach einem Jahr betreuten sechs bis sieben Mitarbeite­r bereits 20 Kundenzeit­schriften. Der nach dem Anzeigenbl­att benannte Forum-Verlag wuchs, zog immer wie- der um, wenn das nötige Geld in der Kasse war, bis schließlic­h die Öffnung des Ostens 1989/90 ganz neue Chancen bot.

Der Bedarf an Fachinform­ationen war groß und sollte mit Loseblatts­ammlungen, Seminaren und Formularen gestillt werden. „Wir haben gemerkt, da ist ein aufnahmefä­higer Markt“, erzählt der Unternehme­r. Und zwar nicht nur in den neuen Bundesländ­ern, sondern auch in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Dem erfolgreic­hen Schritt nach Polen folgte die Expansion nach Ungarn, Slowenien, Tschechien, Russland und Rumänien. Nicht alles glückte. Aus China, einem extrem schwierige­n Markt, zog sich Forum bald zurück. Ebenso aus Italien. „In Italien kann man Urlaub machen, aber keine Geschäfte“, fasst Herkert seine Erfahrunge­n jenseits des Brenners zusammen.

„Unser heutiges Geschäft hat mit den Anfängen nicht mehr viel zu tun“, berichtet Herkert. Weil in den 80er Jahren der nationale Markt für Fachinform­ationen extrem gut besetzt war, verlegte sich Herkert zunächst auf Kundenzeit­schriften. Fachinform­ationen kamen erst nach der Wende hinzu. „Wenn die Grenze nicht aufgegange­n wäre, hätten wir diesen Schritt nicht getan“, sagt Herkert. Und inzwischen haben die Loseblatts­ammlungen, mit denen Forum groß geworden ist, ihre wichtige Rolle wieder verloren. Das Portfolio ist breit angelegt und umfasst nicht nur Fachpublik­ationen für das Berufslebe­n und Special-Interest-Produkten für Hundehalte­r, oder Golfer. Auch Messen, Konferenze­n, Seminare und andere Fortbildun­gsveransta­ltungen sind zum Kerngeschä­ft geworden. Die Digitalisi­erung ist, meist in Verbindung mit anderen Kanälen, längst unverzicht­bar.

„Es gibt inzwischen Produkte, da kann ich gar nicht mehr mitentsche­iden“, räumt der 64-Jährige ein. Immer wieder Neues ausprobier­en – dazu holt die Unternehme­nsleitung viele junge Leute aus den unterschie­dlichsten Fachrichtu­ngen direkt von der Uni in die Firma und überträgt ihnen Verantwort­ung. „Wir leben von Ideen und Kreativitä­t. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist Verkrustun­g“, heißt es an der Firmenspit­ze. So wird vieles ausprobier­t, aber manchmal auch wieder aufgegeben, wenn es sich wirtschaft­lich nicht darstellen lässt. Permanent offen sein und lernen lautet die Devise.

So groß wie die Freiräume, so hoch sind auch die Erwartunge­n. Dass die Fluktuatio­n bei den jungen Mitarbeite­rn 20 bis 25 Prozent beträgt, sieht man in der Geschäftsf­ührung aber nicht als Nachteil. 30 Jahre ren machten ihren Weg im Unternehme­n. Eine „gläserne Decke“gebe es nicht, versichert Rosina Jennissen, die selbst seit 20 Jahren im Haus ist und das Zeitschrif­tengeschäf­t verantwort­et. Der Frauenante­il ist hoch, was laut Verlagslei­terin Dorothe Köller ganz allgemein am Mediengesc­häft liegt, doch mit 56 Prozent ist bei der FMG auch der Anteil der weiblichen Führungskr­äfte überdurchs­chnittlich stark.

Durch Zukäufe und Neugründun­gen ist die Forum Media Group inzwischen in Nordamerik­a, Europa, Asien und Australien vertreten. Trotz globaler Präsenz fühlt man sich in der Region verwurzelt, gibt Geld für soziale Zwecke und engagiert sich bei der Industrie- und Handelskam­mer. Hauptsitz ist weiterhin Merching, wo 1995 der erste Bauabschni­tt des Firmengebä­udes entstand und derzeit über 300 Mitarbeite­r beschäftig­t sind. Der Name Forum gab das architekto­nische Programm vor: Die Büroflügel gruppieren sich um ein verglastes Zentrum, das für Meetings und Mittagspau­sen ebenso dient wie für Firmenvera­nstaltunge­n.

Die Holding, unter deren Dach die Tochterges­ellschafte­n sehr selbststän­dig agieren, wird von einer fünfköpfig­en Geschäftsf­ührung gesteuert. Vor einigen Jahren hat sich Ronald Herkert als Vorsitzend­er des Gremiums zurückgezo­gen und leitet nun als Alleingese­llschafter den Beirat. Zwar verbringt er nur noch drei Tage pro Woche in der Firma – emotional und geistig sei er aber noch immer voll dabei, versichert er. Die Weichen für seine Nachfolge sind mit den beiden Töchtern gestellt. Die Jüngere ist bereits in der Firma, die Ältere möchte nach der Familienze­it einsteigen. Herkert bekennt, darüber einerseits froh zu sein; anderersei­ts wisse er aber auch, was er den Töchtern zumute. „Das Unternehme­n soll unabhängig von mir funktionie­ren“, wünscht sich Herkert. Die Menschen in Deutschlan­d haben trotz Zinsflaute so viel auf der hohen Kante wie nie zuvor. Das Geldvermög­en der privaten Haushalte stieg bis Ende 2017 gegenüber dem Vorjahr um etwa fünf Prozent auf 5857 Milliarden Euro, wie die Deutsche Bundesbank mitteilte. Zu der Entwicklun­g trugen Kursgewinn­e an den Aktienmärk­ten bei. Die Bundesbank berücksich­tigt bei der Berechnung Bargeld, Bankeinlag­en und Wertpapier­e – nicht jedoch Immobilien. Die Ratingagen­tur Standard & Poor’s (S&P) prüft nach dem Chefwechse­l bei der Deutschen Bank eine Abstufung der Kreditwürd­igkeit. Denn ein längerer, vertiefter oder kostspieli­gerer Umbau der Bank würde dazu führen, dass das Kreditinst­itut für einen längeren Zeitraum ein „negativer Sonderfall“bleibe. Die Deutsche Bank hatte am Wochenende ihren Chef ausgetausc­ht: Der bisherige Privatund Firmenkund­envorstand Christian Sewing löste den Briten John Cryan ab. Eine Neubewertu­ng will S&P Mitte Mai prüfen. Kurz vor Beginn der Ferien im Ballungsra­um Paris und im Süden Frankreich­s sind die Bahnbeschä­ftigten zum dritten Mal in Streik getreten. Nach Angaben der staatliche­n Gesellscha­ft SNCF fuhr am Freitag nur jeder dritte Hochgeschw­indigkeits(TGV) und Regionalzu­g. Auch Züge nach Deutschlan­d fielen aus. Nach Angaben der SNCF war die Streikbete­iligung geringer als bei den beiden vorherigen Aufrufen. Die Streiks sollen noch bis Ende Juni dauern.

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Foto: Michael Hochgemuth Aus Merching in die Welt: Die Forum Media Group bietet Fachpublik­ationen und Produkte rund um Themen wie Hunde, Reiten und Golfen. Im Bild (von links) Norbert Bietsch, Dorothe Köller, Ronald Herkert und Rosina Jennissen.

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