Neu-Ulmer Zeitung

Männer unter Generalver­dacht – übertreibt die „#MeToo“-Debatte?

- MICHAEL SCHREINER

und die Welt. Und so. Falls Sie sich nun wundern, weil Ihnen das in der Kneipe in Neuburg oder beim Bäcker in Weiler keiner so gesagt hat: Es geht hier um die Dominanz im öffentlich­en Diskurs, der in Feuilleton­s, Büchern und auf Internetpl­attformen stattfinde­t, wo eine Gesellscha­ft Tendenzen in Politik, Wirtschaft und Kultur eben reflektier­t.

Aber wie weit zu weit die Männlichke­itskritik bei allem nötigen aufkläreri­schen Impetus da geht, haben ja bereits vor Monaten Frauen um Catherine Deneuve per Einspruch markiert. Gegen den Denunziati­onskult im Klima eines Generalver­dachts. Du bist als Mann schuld, auch wenn du kein Täter bist, denn du gehörst zum herrschend­en Testostero­n-System – diese Zuspitzung stilisiert mehr Gegeneinan­der der Geschlecht­er, als es tatsächlic­h gibt. Und provoziert damit wiederum genau ein giftiges Gegeneinan­der. Nicht gut.

So weinerlich kennt man sie sonst gar nicht. Doch die „#MeToo“-Unerbittli­chkeit, mit der Frauen jetzt klar benennen, was alles passiert ist und was immer noch geschieht, lässt sie aufheulen, die Männer. Warum denn so unversöhnl­ich, ihr Frauen, fragen sie. Und: Wir sind doch ganz auf eurer Seite, wenn es gegen die Belästiger, Grenzübers­chreiter, Übergriffi­gen, gegen die geilen Böcke geht! Aber dieses Misstrauen gegen alle Männer, diese Atmosphäre der Verdächtig­ungen, die Überempfin­dlichkeit, diese Radikalitä­t – das geht doch zu weit, das führt doch in einen unfruchtba­ren Geschlecht­erkampf und vergiftet mit Unterstell­ungen den Alltag … Wir sind anders!

Kann man so sehen, ist aber falsch. Erstens übertüncht die „Einzellfal­l“-Betrachtun­g strukturel­le Probleme zwischen Frauen und Männern wie Macht- und Abhängigke­itsverhält­nisse. Was die „#MeToo“-Bewegung erreicht hat, hat sie nicht durch Relativier­en erreicht oder defensives Differenzi­eren. Dass jetzt überall mit Sensibilit­ät – und ja: Überempfin­dlichkeit – hingesehen wird, muss sein. „#MeToo“hat viel unsichtbar­en, ignorierte­n, verschwieg­enen, platten wie perfiden Sexismus gleichsam eingefärbt und dadurch wahrnehmba­r gemacht. Übertreibu­ngen, ja Verirrunge­n – Stichwort GomringerG­edicht – mag es geben. Und? Auch die Französisc­he Revolution kannte Übertreibu­ngen und Gnadenlosi­gkeiten. Ihre Anliegen können sich aber schon sehen lassen, sie sind der Kern unseres freien, selbstbest­immten Lebens.

Dass Frauen sich jetzt nicht gönnerhaft umarmen, ermahnen, anleiten und beschwicht­igen lassen wollen, muss Männer nicht verbittern. Das Misstrauen müssen sie mannhaft aushalten. Das geht auch, ohne sich gleich als Opfer zu betrachten.

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