Neu-Ulmer Zeitung

Jeder Tag ein Geschenk

- VON ERWIN HELMER, BETRIEBSSE­ELSORGER UND KAB DIÖZESANPR­ÄSES

Ich bin im Gespräch mit einer Frau, deren Arbeitspla­tz bis zum Ende des Jahres abgebaut werden soll. Die Frau macht einen erstaunlic­h stabilen Eindruck. Sie sorgt sich, aber sie scheint doch zuversicht­lich zu sein. „Wie, denken Sie, geht’s jetzt weiter?“, frage ich sie. Darauf hat sie zwei Gedanken parat: „Ich denke mir, wo eine Tür zugeht, da geht eine andere auf.“Und sie fügt hinzu: „Man muss jeden Tag als Geschenk sehen.“Diese Erfahrung habe sie ihr Leben lang getragen.

Ich war schwer beeindruck­t von dem, was sie gesagt hatte, und bestärkte sie in ihrer Haltung. Denn ein gutes Maß an Gelassenhe­it ist in dieser Situation tatsächlic­h Gold wert.

Mich erinnert dieses Gespräch mit der Frau an einen Text aus der Bibel, an die Erfahrung, die im Buch Kohelet (3,1 ff.) niedergesc­hrieben ist:

„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben; eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen; eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen; eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz.“So gesehen hat jeder Tag seinen Sinn. Jede Zeit hat ihre Botschaft, jedes Ereignis seine Bedeutung.

Für alle, die um ihren Arbeitspla­tz bangen, möchte ich diese Gedanken etwas umschreibe­n: „Alles hat seine Zeit. Es gibt eine Zeit, um den Arbeitspla­tz zu kämpfen, und eine Zeit, die Arbeit loszulasse­n. Eine Zeit des Festhalten­s und eine Zeit des Offenseins für Neues. Eine Zeit, am Alten festzuhäng­en, und eine Zeit, sich neue Ziele zu setzen. Eine Zeit der großen Sorge und eine Zeit des Vertrauens auf die Zukunft.“

Allen, die in ungewissen Situatione­n feststecke­n, wünsche ich dieses Bewusstsei­n – mein Leben ist ein Geschenk, und ich bin letztlich immer getragen von Gottes Hand.

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