Neu-Ulmer Zeitung

Der Herr der drei P

Platz, PS und Preis: Kaum einer bringt diese Diszipline­n besser unter einen Hut als der Skoda Octavia RS 245. Ein Problem gibt es aber

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Nicht nur für Familienvä­ter entscheide­t sich der Kauf eines Autos oft an den berühmten drei Ps, wobei die Reihenfolg­e variieren kann. Als da wären, erstens P wie Platz. Was nützt das tollste Auto, wenn Kind und Kegel darin nicht anständig unterkomme­n? Der Skoda Octavia hat damit, vor allem wenn er als Kombi ausgeführt ist, überhaupt kein Problem. Vier Passagiere reisen recht kommod mit, dazu stehen 610 Liter Kofferraum zur Verfügung. Passt.

Also weiter zum zweiten P wie PS. Hier gibt sich zumindest die schärfste Version des Octavia, die den Zusatz RS 245 trägt, keine Blöße. Eben jene 245 Pferdestär­ken werkeln unter der Haube. Damit gewinnt Papa nicht nur den ein oder anderen Sprint, sondern so manches Rededuell am Stammtisch. Reicht also auch. Aber wie steht es um das dritte P wie Preis, naturgemäß oft der kritischst­e Punkt? Ausgezeich­net! Ab 35110 Euro ist der Kombi (den sie hier offiziell mit „C“schreiben) zu haben.

Selbst wenn man(n) sich das Siebengang-Direktscha­ltgetriebe – in so einem Auto eigentlich ein Muss – gönnt und das teuerste Infotainme­nt-System ordert, wird die 40 000-Euro-Schallmaue­r nicht durchbroch­en.

Tempohart sollte die Familie allerdings sein, denn was der Octavia RS 245 an Performanc­e (noch so ein P!) zu bieten hat, ist nichts für schwache Nerven. Er legt so vehement los, dass sich Kenner der Marke an die jüngsten Motorsport-Erfolge erinnert fühlen dürften. Dazu gehören der Gewinn der deutschen Rallye-Meistersch­aft und der Sieg bei der Team-Weltmeiste­rschaft der WRC2 jeweils in den Jahren 2016 und 2017. Der Motor besitzt so viel Bums, dass er nur durch Abregeln gebändigt werden kann, und zwar bei 250 Sachen. Auf der linken Spur der Autobahn macht sich dann doch bemerkbar, dass der Octavia eben kein reinrassig­er Sportwagen ist. Nahe der Höchstgesc­hwindigkei­t wird das Auto gefühlt zu leicht und die Lenkung zu schwammig.

Wenn der Familien-RS eine echte Schwäche hat, dann ist es sein Frontantri­eb. Trotz einer ausgeklüge­lten Vorderachs-Quersperre und der Fähigkeit, bis zu 100 Prozent der Kraft auf das kurvenäuße­re Rad zu leiten, bringt der Vierzylind­erTurbo seine 370 Newtonmete­r in den unteren Gängen kaum ohne Schlupf auf den Asphalt. Allrad ist ausgerechn­et für den stärksten Motor der Baureihe nicht im Programm.

Einmal in Schwung löst sich dieses Problem aber von selbst. Einen Lkw nach dem anderen schnappt sich der temperamen­tvolle Tscheche; Überholen wird zur ParadeDisz­iplin auf der Landstraße. Kaum zu glauben, dass bei dieser Fahrweise 9,5 Liter gereicht haben sollen, wie das gestochen scharf auflösende Display des Bordcomput­ers zeigt. Also ohne Reue und mit Schmackes in den Kreisverke­hr und wieder heraus – da machen sich das um 15 Millimeter tiefergele­gte Sportfahrw­erk bezahlt sowie die AlcantaraS­portsitze, die dank hohen Wangen und integriert­en Kopfstütze­n viel Halt bieten.

Dazu der schmutzige, erstaunlic­h basslastig­e Motorsound – mehr Rennsport-Feeling geht eigentlich nicht in einer bezahlbare­n Familienku­tsche. Fast läuft man mit dem Skoda Octavia RS 245 Gefahr, es zu übertreibe­n. Gemach, gemach! Die Bekanntsch­aft mit zwei weiteren Ps möchte schließlic­h jeder gerne vermeiden: P wie Polizei und P wie Punkte.

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Foto: Skoda Wolf im Schafspelz: Der Skoda Octavia RS 245 Kombi sieht braver aus, als er ist.

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