Kuba ohne Castro
Erst war Fidel, dann Raúl. Fast 60 Jahre lang standen die Castros an der Spitze der kommunistischen Karibikinsel. Das ist jetzt vorbei. Am Mittwoch beginnt eine neue Zeitrechnung. Herrscht nun Aufbruchstimmung in dem maroden Staat?
Nichts wird geschehen, was Erwartungen wecken könnte. Keine bestellten Artikel, keine Plakate, keine Aufmärsche zur Unterstützung der neuen Spitze. Die kommunistische Führung ist bemüht, aus diesem großen Ereignis ein Nicht-Ereignis zu machen. Dabei ist es von historischer Bedeutung, was sich am Mittwoch auf Kuba zutragen wird. Präsident Raúl Castro übergibt sein Amt offiziell an den vom Staatsrat bestimmten Nachfolger. Was bedeutet: Zum ersten Mal seit fast 60 Jahren wird dann kein Castro mehr an der Staatsspitze das Sagen haben.
Große Erwartungen kann das Regime gleich gar nicht gebrauchen. Denn die Insel hat gewaltige Probleme. Die Wirtschaft schrumpft, die Partei ist intern zerstritten, und der Reformstau schürt zunehmend Unmut in der Bevölkerung. Das Timing für die vom 86-jährigen Castro angekündigte „Verjüngung“an der Staatsspitze ist demzufolge denkbar ungünstig. Denn sein Nachfolger wird zwar die Probleme, nicht aber das Charisma oder die historische Legitimation der Castros erben.
„Als US-Präsident Barack Obama 2016 in Havanna war, da herrschte Aufbruchstimmung, wir alle haben Hoffnung geschöpft, dass es jetzt vorangeht“, erzählt Jorge Mecías, ein inzwischen pensionierter Angestellter des staatlichen Pharmaunternehmens, mit glänzenden Augen. Doch zwei Jahre später sind die Träume der Kubaner verpufft, irgendwo zwischen Parteitag, Hurrikan Irma und Hurrikan Trump. Der Parteitag 2016 bremste die liberalen Wirtschaftsreformen aus. Der Wirbelsturm Irma zerstörte 2017 die touristisch wichtige Infrastruktur des Nordteils der Insel und viel landwirtschaftliche Anbaufläche. Schwarz-Weiß-Fotos von Revolutionshelden.
Rodríguez schnaubt: „Wir prostituieren uns, nur noch Devisen zählen.“Ginge es nach dem 75-Jährigen, sollte die neue Regierung die Zeit zurückdrehen. Etwa dahin, wo sich sein zweites großes Kunstwerk befindet, ein überlebensgroßes Mosaik des „Che“an der gleichnamigen Oberschule vor den Toren von Santa Clara. 1200 Schüler in adretten braun-weißen Uniformen werden hier unterrichtet. „Bei Schulwettbewerben schneiden wir immer spitze ab“, erzählt der Direktor stolz, um den desolaten Zustand der Vorzeige-Schule zu übertünchen: Auf den Toiletten gibt es keine Klobrillen, und Wasser wird wegen der maroden Leitungen im Zisternenwagen angeliefert. Obst und Gemüse sind aus der Schulkantine verschwunden. „Der Hurrikan“, entschuldigt er sich.
„Immer gibt es einen Schuldigen, ich kann es nicht mehr hören“, schimpft Osvaldo, der SammeltaxiFahrer. Er steht frustriert in einer Schlange, weil er einen Hotdog kaufen will. Die Verkäuferin hat ihm gerade offenbart, dass sie weder kalte Getränke hat, weil der Strom ausgefallen ist, noch Hotdogs, weil es kein Brot gibt „wegen des US-Embargos“.Der 40-Jährige würde gerne weg, doch auch dieses Ventil existiert nicht mehr, seit Obama in seiner letzten Amtshandlung das automatische Bleiberecht für Kubaner in den USA gestrichen hat. Nicht nur die Vereinigten Staaten, auch fast alle Länder Lateinamerikas verlangen nun von Kubanern Visa und den Nachweis wirtschaftlicher Solvenz. Das Geld haben wenige, Osvaldo ist stattdessen in die innere Emigration gegangen.
Auch bei der Jugend ist wenig politischer Enthusiasmus zu finden. Abends versammelt sie sich auf dem