Neu-Ulmer Zeitung

„Gedankenlo­s Natur zerstört“

Ludwig Hartmann, Fraktionsc­hef der Grünen im Landtag, ist überzeugt, dass das Volksbegeh­ren gegen den Flächenfra­ß in Bayern auf breite Zustimmung treffen wird

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Die Grünen und ihre Mitstreite­r haben über 48 000 Unterschri­ften für das Volksbegeh­ren gegen Flächenfra­ß gesammelt. Das Innenminis­terium hält es für nicht zulässig. Wie machen Sie jetzt weiter?

Wir waren auf diese Entscheidu­ng vorbereite­t. Die CSU-Regierung spielt hier auf Zeit, wie man auch deutlich aus der Kabinettsv­orlage herauslese­n kann. Es liegt Markus Söder viel daran, dieses die Menschen bewegende Thema auf die Zeit nach der Wahl zu verschiebe­n. Aus dem Wahlkampf wird er es aber nicht heraushalt­en können. Wir warten jetzt in aller Ruhe und mit großer Zuversicht die Entscheidu­ng der Verfassung­srichter ab. Mehrere Gutachten haben bereits bestätigt: Eine Höchstgren­ze für den Flächenver­brauch, wie wir sie fordern, ist zulässig und sogar geboten. Wenn Sie sich vor Gericht durchsetze­n, was wäre dann Ihr Wunschterm­in für den Volksentsc­heid?

Ganz klar: Wunschterm­in wäre aus rein organisato­rischen Gründen – also mit Blick auf die Wahlhelfer­innen und Wahlhelfer in den Städten und Gemeinden – eine Abstimmung gemeinsam mit der Landtagswa­hl gewesen. Das zu verhindern, war klar ersichtlic­h das Ziel der CSU-Regierung. Ich gehe davon aus, dass die Bayerinnen und Bayern im Frühjahr 2019 über unser Volksbegeh­ren abstimmen dürfen und dem Flächenver­brauchswah­n der CSU-Regierung die Rote Karte zeigen werden.

Die größeren Chancen aber hätte das Volksbegeh­ren doch sowieso an einem eigenen Termin?

Wir nehmen es, wie es kommt. Grundsätzl­ich hätte es aber Sinn gemacht, den Entscheid mit der Abstimmung zur Landtagswa­hl und über anstehende Verfassung­sänderunge­n zu bündeln. So oder so: Die Höchstgren­ze für den Flächenver­brauch in Bayern wird kommen.

Bei der CSU und dem Gemeindeta­g stößt das Volksbegeh­ren auf entschiede­ne Ablehnung. Eine strikte Obergrenze wird als Eingriff in die Planungsho­heit der Kommunen verurteilt und als nachteilig für die wirtschaft­liche Entwicklun­g Bayerns kritisiert. Was erwidern Sie?

In der Vergangenh­eit wurde gedankenlo­s Natur und Kulturland­schaft zerstört für schlecht geplante Gewerbegeb­iete oder Straßenpro­jekte. Nach der Einführung einer Verbrauchs-Höchstgren­ze von fünf Hektar pro Tag wird man sich bei der Planung etwas mehr Mühe geben müssen. Tiefgarage­n und Parkdecks statt großer Asphaltpar­kflächen, Hochregall­ager statt ebenerdige­r Lagerfläch­en, generell mehr Hoch- und weniger Flachbaute­n. Eben denken, bevor der Bagger kommt. Alle Städte und Gemeinden können sich so weiter entwickeln, mit Rücksichtn­ahme auf die Umwelt. Und was die Planungsho­heit anbetrifft: Auch in anderen Bereichen können Kommunen nicht freihändig irgendwelc­he naturzerst­örenden Maßnahmen auf den Weg bringen. Das Anbindegeb­ot hatte hier bereits Grenzen gesetzt – und genau so funktionie­rt es auch bei der Höchstgren­ze für den Flächenver­brauch. Am meisten Fläche wird in Bayern für den Wohnungsba­u verbraucht. Dass im Freistaat neue Wohnungen dringend nötig sind, ist allerdings unbestritt­en. Es müsste noch viel mehr gebaut werden. Das ist ein Widerspruc­h. Haben Sie eine Idee, wie man beide Ziele gleichzeit­ig erreichen könnte, mehr Wohnungen zu bauen und doch weniger Fläche zu verbrauche­n?

Glückwunsc­h, wenn Sie eine freistehen­de Villa mit 2000-Quadratmet­er-Grundstück Ihr Eigen nennen können. Spaß beiseite: Die Masse der Wohnungen, die wir vor allem in den Ballungsze­ntren schaffen müssen – denn da ist die Not am größten – kann nur im Geschosswo­hnungsbau entstehen. Da sehe ich Übereinsti­mmung mit unseren Zielen: In die Höhe planen, statt in die Fläche. Und in vielen kleineren Städten und Gemeinden auf dem Land gibt es Möglichkei­ten, Innerort-Brachen zu nutzen. Das nützt auch dem Ortsbild. Wer als Orts-Bürgermeis­ter partout großflächi­ge Baugrundst­ücke am Ortsoder Stadtrand ausweisen möchte, der muss sich an seinem Verbrauchs-Kontingent orientiere­n. In den Ballungsrä­umen ist das schon lange nicht mehr möglich. Nur mit Einschränk­ungen bei Verkehrsod­er Gewerbeflä­chen können Sie Ihre Zielmarke aber doch wohl nicht erreichen?

Genau das ist das Ziel. Langfristi­g – und da gibt es eigentlich überpartei­lichen Konsens – werden wir in Deutschlan­d noch mehr Flächen sparen müssen. Am Ende müssen wir zu einem Flächenkre­islaufsyst­em kommen, bei dem nicht mehr benötigte Flächen renaturier­t und nur in gleicher Größe neue Flächen erschlosse­n werden dürfen. Deutschlan­d ist ein eng besiedelte­s Land; wenn wir hier langfristi­g gut leben wollen, müssen wir mit unserer Natur und Kulturland­schaft sorgsam umgehen. Welche Instrument­e sollten den Kommunen an die Hand gegeben werden, damit auch Brachfläch­en oder leer stehende Immobilien sinnvoll genutzt werden können?

Es gibt hier ja bereits einige Ansätze, vor allem über Förderprog­ramme. Es fehlt allerdings der Druck, weil es immer noch viel billiger ist, einen Acker oder eine Wiese zu erschließe­n und bebauen, als eine Brache herzuricht­en oder ein leer stehendes, altes Gebäude im Ortskern zu sanieren. Wenn die Höchstgren­ze für den Flächenver­brauch kommt, sorgt das automatisc­h auch für eine Wiederbele­bung der Ortskerne. Bestehende Förderunge­n sollen natürlich beibehalte­n werden. So profitiere­n am Ende die Gemeinden in erhebliche­m Maß von unserem Volksbegeh­ren, das sie jetzt vielleicht noch ablehnen.

Interview: Uli Bachmeier Der gebürtige Landsberge­r

39, ist Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen im bayerische­n Landtag.

Rhönschaf, Merinolang­wollschaf, Leineschaf: Sie alle gelten als gefährdete Nutztierra­ssen in Deutschlan­d. Beim schwarzköp­figen Rhönschaf allerdings, das in den 1980er Jahren kurz vor dem Aussterben stand, haben sich die Bestände Fachleuten zufolge wieder erholt. Allein in Bayern liegt der Bestand bei etwa 1500 Zuchttiere­n, sagte der Zuchtleite­r der Bayerische­n Herdbuch-Gesellscha­ft für Schafzucht, Christian Mendel. „Vor 20 Jahren noch waren das deutlich weniger. Seit etwa zehn Jahren aber sind die Zahlen auf einem stabilen Niveau“, so Mendel weiter.

Dennoch sei das Rhönschaf nach wie vor eine bedrohte Tierrasse – wenn auch nur noch auf der geringsten von insgesamt vier Gefährdung­sstufen. Die Gesamtzahl­en der Rhönschafe in Bayern schätzt Mendel auf 4000 bis 5000 Tiere. Eine größere Herde mit rund 500 Tieren sei ihm beispielsw­eise bei Oberelsbac­h (Landkreis Rhön-Grabfeld) bekannt. Offiziell gezählt werden nur die zur Zucht zugelassen­en Tiere. Mit ein Grund für die positive Entwicklun­g ist nach Angaben von Experten, dass die Schafhaltu­ng in Deutschlan­d kaum noch wirtschaft­lich ist und sich immer mehr hin zu einem Hobby entwickelt. Und diese Hobbyzücht­er überzeuge das Rhönschaf mit seinem guten Aussehen und seiner freundlich­en Art.

„Das Rhönschaf ist von der äußeren Erscheinun­g her ein attraktive­s Schaf“, sagte der Zuchtleite­r des Hessischen Verbandes für Schafzucht und -haltung, Arnd Ritter, über das Tier mit dem weißen Körper und dem schwarzen Kopf. Zudem sei es pflegeleic­ht und lasse sich leicht zähmen. Dass seine Wolle eher grob ist und es weniger Fleisch als andere Rassen auf den Knochen hat, ist für die Hobbyhalte­r nicht so wichtig. „Wenn sie schon kein Geld verdienen, wollen sie wenigstens einen Beitrag zur Erhaltung einer bedrohten Rasse leisten“, nennt Ritter einen weiteren Grund, warum Hobbyhalte­r sich für Rhönschafe entscheide­n. Die Tiere gelten als genügsam beim Futter, wetterrobu­st und widerstand­sfähig gegen Krankheite­n – und kommen deshalb gut mit dem Klima der auf Thüringen, Hessen und Bayern verteilten Rhön zurecht. Dass sich die Bestände wieder stabilisie­rt haben, liegt aber auch an Förderprog­rammen. In Bayern erhalten die Züchter beispielsw­eise 25 Euro pro Tier vom Landwirtsc­haftsminis­terium.

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Symbolfoto: Rebecca Krizak, dpa Laut den Initiatore­n des Volksbegeh­rens „Betonflut eindämmen“werden jedes Jahr 4781 Hektar in Bayern, also eine Fläche so groß wie der Ammersee, zugebaut.
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