Neu-Ulmer Zeitung

Was finden die Deutschen an Putin?

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Russland genießt weit mehr Vertrauen als die USA. Forsa-Chef Manfred Güllner spricht über die Ursachen dieser Entwicklun­g

- VON SIMON KAMINSKI

Schon vor dem Fall der Mauer setzte ein Prozess an, der sich mit dem Amtsantrit­t von Donald Trump als Präsident weiter beschleuni­gt hat: Die USA, die nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg erstaunlic­h schnell von einer Siegerzur bewunderte­n, ja verehrten Schutzmach­t wurden, wird von den Deutschen immer kritischer gesehen. Gleichzeit­ig blicken die Deutschen in Bezug auf den früheren Erzfeind – erst im heißen Krieg bis 1945 und dann im Kalten Krieg – immer wohlwollen­der. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa geht für 79 Prozent der Deutschen die größte Gefährdung des Weltfriede­ns vom US-Präsidente­n Donald Trump aus. Nur für 13 Prozent ist Putin eine Gefahr für die Welt, für acht Prozent sind beide gleicherma­ßen furchteinf­lößend.

Oft wird behauptet, dass dem starken Mann im Kreml insbesonde­re im extremen linken und rechten politische­n Spektrum die Herzen zufliegen. Das ist nicht falsch, aber doch verkürzt, wie die aktuellen Forsa-Zahlen zeigen. Verständni­s für Putins Politik, gepaart mit für Strafaktio­nen aller Art gegen die russische Politik sind längst in der politische­n Mitte angekommen. Und zwar in ganz grundsätzl­icher Ausprägung: Nur sechs Prozent der Befragten wollen „eine möglichst enge Anbindung an den Westen und die USA und eine klare Distanz zu Russland“. 89 Prozent hingegen befürworte­n eine eigenständ­ige Außenpolit­ik der europäisch­en Staaten, „bei der auch russische Interessen berücksich­tigt werden“. Diese Einstellun­g ist unter den SPD-Mitglieder­n am stärksten verbreitet – mit 97 Prozent Zustimmung. In den 70er Jahren wären solche Zahlen undenkbar gewesen.

Für Forsa-Chef Manfred Güllner hat dieser Wandel in der Wahrnehmun­g eine lange Vorlaufzei­t. „In Westdeutsc­hland gab es bis zur Wende einen strammen Antikommun­ismus. In den Jahren nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n galt Russland als arm, rückständi­g und chaotisch.“Doch das habe sich zunächst mit Präsident Jelzin, noch weit stärker jedoch seit dem Amtsantrit­t Putins gewandelt. „In unseren Umfragen war das Bild Putins in Deutschlan­d schon sehr früh positiv – er steht für Stabilität.“Einen weiteren Bruch in der Beurteilun­g der USA habe es nach der Wahl von George W. Busch im Jahr 2001 gegeben. „Er galt spätestens nach dem Irak-Krieg als im Vergleich zu Putin weit gefährlich­erer Kriegstrei­ber. Bushs Vorgänger Bill Clinton haben die Deutschen noch vertraut.“Für psychologi­sch bedeutsam hält Güllner, dass die Russen auch als verlässlic­her Lieferant von Erdgas Sympathien gewonnen hätten.

Das Vertrauen scheint gefestigt. Auch Vorfälle, wie zuletzt der Giftgasans­chlag auf den Doppelagen­ten Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritan­nien, scheinen daran nichts zu verändern. Und das, obwohl mit 46 Prozent eine klare Mehrheit Russland für das Verbrechen verantwort­lich macht – nur 28 Prozent glauben das nicht. Zwei Drittel der Befragten halten es für falsch, dass Berlin als Reaktion auf den Anschlag vier russische DiploUnver­ständnis maten ausgewiese­n hat. Lediglich 23 Prozent befürworte­n diesen Schritt. 55 Prozent der Bundesbürg­er sind dafür, dass die Sanktionen gegen Moskau, die nach der Annektieru­ng der Krim verhängt wurden, „langsam abgebaut werden“.

Wie ist das zu erklären? Angesichts der aggressive­n russischen Politik in der Ukraine und in Syrien. Angesichts der systematis­chen Desinforma­tionskampa­gnen im Internet gegen westliche Staaten. Aber auch mit Blick auf die zunehmend restriktiv­e, antidemokr­atische Politik Putins im Inneren mit tiefen Einschnitt­en in die Pressefrei­heit und der faktischen Abschaffun­g einer unabhängig­en Justiz.

Die immer wieder vorgebrach­te Erklärung, dass die Angst vor den hochgerüst­eten Russen bei den Deutschen die Bereitscha­ft wachsen lässt, sich lieber mit der Großmacht im Osten „gutzustell­en“, ist – glaubt man den Forsa-Zahlen – schlicht aus der Luft gegriffen. „Trotz der politische­n Spannungss­ituation fürchtet sich mit 17 Prozent der Befragten nur eine kleine Minderheit der Deutschen vor den Russen“, sagt Güllner. Die große Mehrheit – nämlich 83 Prozent – gibt an, keine Angst vor Moskau zu haben.

Seit etwas mehr als vier Wochen steht CSU-Chef Horst Seehofer an der Spitze des neu geschaffen­en Ministeriu­ms für Inneres, Bau und Heimat. Wie allerdings sein Ministeriu­m aussehen wird, ist noch immer offen. Zahlreiche organisato­rische Fragen, die sich durch die Vergrößeru­ng und den Neuzuschni­tt seines Haues ergeben, sind nicht gelöst. Das geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Und auch über die Kosten, die durch die Umstruktur­ierungen, Umzüge von Beamten sowie die Anmietung neuer Räumlichke­iten entstehen, kann die Regierung keine Angaben machen.

„Der Übergang dieser Aufgabenzu­ständigkei­ten wird derzeit abgestimmt. Daher können derzeit nicht alle Fragen abschließe­nd beantworte­t werden“, schreibt die Regierung. Im weiteren Verlauf der achtseitig­en Antwort heißt es immer wieder: „Die infolge des Organisati­onserlasse­s der Bundeskanz­lerin vom 14. März 2018 anstehende­n organisato­rischen Veränderun­gen sind hinsichtli­ch Art und Umfang noch nicht abschließe­nd geklärt.“

Keine Antwort erhielten die Grünen von der Bundesregi­erung auf die Frage, welche „konkreten thematisch­en Zuständigk­eiten“es künftig für die Abteilung Heimat im Innenminis­terium gibt. Diese Abteilung befinde sich derzeit im Aufbau, schreibt die Regierung. „Vor diesem Hintergrun­d ist der Willensbil­dungsproze­ss zu den in den Fragen genannten Punkten noch nicht abgeschlos­sen.“

Die Haushaltse­xpertin der Grünen, Ekin Deligöz (Senden), kritisiert­e gegenüber unserer Zeitung die Ahnungslos­igkeit der Regierung. „Hier wird, wie schon vermutet, völlig planlos agiert.“Selbst dem Ministeriu­m scheint der künftige Zuschnitt seiner Abteilunge­n, Unterabtei­lungen und Fachrefera­te nicht klar zu sein. „Konservati­v alleine reicht nicht – es braucht auch Inhalt!“

 ?? Foto: sputnik/dpa ?? Der russische Präsident Wladimir Putin genießt bei den Deutschen weit mehr Vertrauen als sein US amerikanis­cher Amtskolleg­e Donald Trump.
Foto: sputnik/dpa Der russische Präsident Wladimir Putin genießt bei den Deutschen weit mehr Vertrauen als sein US amerikanis­cher Amtskolleg­e Donald Trump.

Newspapers in German

Newspapers from Germany