Anfrage löst Sturm der Entrüstung aus
AfD-Abgeordnete versuchen Behinderung mit Migration in Zusammenhang zu bringen. Behinderten- und Sozialverbände protestieren: „Ein übel riechender Suppentopf“
Die AfD-Fraktion im Bundestag hat mit einer Anfrage zu Zusammenhängen zwischen Schwerbehinderung, Ehe unter Verwandten und Migration einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, sagte gegenüber unserer Zeitung: „Die AfD trägt ihre Ablehnung von Migration im Allgemeinen auf dem Rücken von behinderten Menschen aus, stellt einfach die Vermutung in den Raum, dass es sich um Kinder aus Inzest-Familien handelt.“Wenn eine Mutter ein Kind mit Behinderung auf die Welt bringe, sei das eine schwere Belastung. „Dann darf sie nicht noch diffamiert werden“, sagte Mascher.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten 18 Organisationen aus Behindertenhilfe und Sozialwesen, darunter Caritas, Lebenshilfe und VdK, das AfD-Papier, das „in bösartiger Weise einen abwegigen Zu- sammenhang von Inzucht, behinderten Kindern und Migranten“suggeriere. Für die Unterzeichner des in einer Zeitungsanzeige veröffentlichten Protestschreibens erinnert die AfD-Anfrage „an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte, in denen Menschen mit Behinderung das Lebensrecht aberkannt wurde und sie zu Hunderttausenden Opfer des Nationalsozialismus wurden“. Die AfD-Parlamentarier würden die Grundhaltung vermitteln, „Behinderung sei ein zu vermeidendes Übel“.
Grund des Aufschreis ist eine Kleine Anfrage, die die AfD-Abgeordneten Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl und Verena Hartmann am 22. März an die Bundesregierung gestellt haben. Die Politiker verlangten Auskunft darüber, wie sich die Zahl der schwerbehinderten Menschen in verschiedenen Altersgruppen seit 2012 entwickelt hat – und ob es bei den Ursachen für Behinderungen Veränderungen gegeben hat. Es folgt die Frage: „Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Behinderten seit 2012 entwickelt, insbesondere die durch Heirat innerhalb der Familie entstandenen?“Die AfD will auch wissen, wie viele der Fälle „einen Migrationshintergrund“haben und wie viele der in Deutschland lebenden Schwerbehinderten ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind.
VdK-Chefin Ulrike Mascher: „Einen Zusammenhang herzustellen zwischen einer schweren Behinderung und einem Tabubruch wie einer Ehe zwischen engen Verwandten, ist besonders infam.“Es werde so getan, „als sei das in arabischen Ländern das Normale – was es nicht ist“. Mascher fürchtet gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen: „So werden sowohl Menschen mit Behinderung stigmatisiert als auch Eltern von Kindern mit Behinderung und Migranten allgemein.“
Nicole Höchst weist die Kritik zurück. Es gehe der AfD bei der Anfrage darum, Daten zu erfassen, „um Handlungsbedarf zu sehen“, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite. Höchst: „Aber in den Köpfen der linken Eliten poppt reflexartig im Zusammenhang mit Behinderten das Schlagwort ,Euthanasie’ auf.“In dem Text heißt es weiter, Höchst, die selbst einen behinderten Sohn habe, läge nichts ferner, als Menschen mit Behinderung für ein gesellschaftliches Übel zu halten.
Die Unterzeichner des Protests rufen die Bevölkerung dazu auf, „wachsam zu sein und sich entschlossen gegen diese unerträgliche Menschen- und Lebensfeindlichkeit zu stellen“. Mascher: „Die AfD rührt hier verschiedene Dinge in einem ganz übel riechenden Suppentopf zusammen.“
Die Antwort der Bundesregierung auf die AfD-Anfrage liegt bereits vor. Daten zum Familienstand der Eltern von Kindern mit Behinderung würden in der Statistik nicht erhoben, heißt es darin nüchtern. Und bei mehr als 94 Prozent der schwerbehinderten Menschen handele es sich demnach um Deutsche.
Der mutmaßliche Paris-Attentäter und IS-Terrorist Salah Abdeslam ist wegen versuchten Polizistenmordes in Belgien zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Das teilte das zuständige Gericht am Montag in Brüssel mit. Schuldig gesprochen wurde der Franzose marokkanischer Abstammung wegen einer Schießerei kurz vor seiner Festnahme in Brüssel im März 2016, bei der drei Polizisten verletzt wurden. Sein mitangeklagter Komplize Sofien Ayari erhielt ebenfalls 20 Jahre Haft.
Abdeslam soll zu einer Terrorzelle der Organisation Islamischer Staat (IS) gehören, die die blutigen Anschläge in Paris im November 2015 und in Brüssel im März 2016 verübte. Dabei kamen in Paris 130 Menschen und in Brüssel 32 Unschuldige ums Leben. Abdeslam sitzt in Frankreich in Untersuchungshaft und war bei der Urteilsverkündung in Brüssel am Montag nicht anwesend.
Abdeslam soll nach den Pariser Anschlägen nach Belgien geflohen und dort untergetaucht sein. Er galt als Europas meistgesuchter Terrorist. Als er bei einer Razzia in der Brüsseler Gemeinde Forest am 15. März 2016 mit zwei Komplizen aufgespürt wurde, sollen die drei auf Polizisten geschossen und drei Beamte verletzt haben. Ein Verdächtiger wurde bei dem Feuergefecht getötet.
Frankreichs Nationalversammlung hat eine heftig umstrittene Verschärfung des Asyl- und Einwanderungsrechts gebilligt. Das Gesetz soll die Voraussetzungen dafür schaffen, Asylanträge schneller zu bearbeiten und härter gegen illegale Einwanderung vorzugehen. Unter anderem sieht der Text vor, die maximale Dauer der Abschiebehaft zu verdoppeln.
Nach 61 Stunden Beratungen stimmten am späten Sonntagabend 228 Abgeordnete dafür, 139 votierten dagegen. Nun muss der Senat über das Vorhaben beraten, wo die konservativen Republikaner die größte Fraktion stellen. Selbst in der Regierungspartei des sozialliberalen Präsidenten Emmanuel Macron gab es Abweichler: 14 Abgeordnete von La République en Marche enthielten sich, einer stimmte gegen die aus seiner Sicht zu repressiven Regeln und gab seinen Rückzug aus der Fraktion bekannt. Die Konservativen hatten dagegen ein noch schärferes Gesetz gefordert.