Industrie setzt auf künstliche Intelligenz
Roboter, wohin man blickt. Künftig sollen Maschinen mit Menschen arbeiten. Auch die Kanzlerin traut sich auf der weltgrößten Industrieschau an die smarten Helfer heran
Kanzlerin Angela Merkel ist lässig wie selten: Mit dem sogenannten Faustgruß – der „Gettofaust“– begrüßt sie während ihres Rundgangs auf der Hannover Messe, der weltgrößten Industrieschau, einen Roboter. Zwar mit entschlossenem Blick, die Faust beim ersten Versuch aber verkehrt herum. „Ob das noch mal geht, das weiß ich nicht“, unkt die Kanzlerin am Montag am Stand des Automatisierungsexperten IBG. Doch, es geht. Beim Händeschütteln mit der Maschine wirkt sie schon zuversichtlicher – zuckt aber vorher bei einem deutlich größeren Kuka-Roboter zurück.
Los geht es beim Partnerland Mexiko. Dessen Präsident Enrique Peña Nieto wird nicht müde zu betonen, dass sich sein Land schrittweise verändert habe – es sei ein Land, „in das zu investieren sich lohnt“. Merkel setzt auf enge Beziehungen zu Mexiko – leicht belastet allenfalls durch die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft und das Aufeinandertreffen der Nationalmannschaften Mexikos und Deutschlands. Jedoch: „Das müssen wir aushalten“, sagt Merkel und tauscht Nationaltrikots mit dem mexikanischen Präsidenten.
Bei der Eröffnungsfeier am Sonntagabend hatten Merkel und Peña Nieto für freien Handel geworben. Peña Nieto sagte, dass er trotz der protektionistischen Rhetorik von US-Präsident Donald Trump an ein Freihandelsabkommen mit seinem nördlichen Nachbarn glaube. Merkel betonte die Bedeutung von Investitionen in die Forschung zur künstlichen Intelligenz.
Schwerpunktmäßig geht es in Hannover um Digitalisierung. Roboter sind überall auf der Messe zu sehen. Und sie werden immer schneller, immer sicherer und lernen selbst. In der Vision von Bosch Rexroth bewegen sich Roboter frei in den Werkhallen. Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist in Hannover in aller Munde.
Merkel ist sicher: Das Schlagwort Industrie 4.0 – die vernetzte Industrie – sei inzwischen „mit vielen In- halten gefüllt“. Aber manchmal hakt es, ausgerechnet beim Internetzugang: Der Baustoffhersteller Cemex will eigentlich eine neue App zeigen. Auf einer Karte sollen Kunden sehen, wo ihre Bestellungen gerade unterwegs sind. Aber um die App auf einen Bildschirm zu übertragen, muss erst einmal ein drahtloses Netz aufgebaut werden. Ein Mitarbeiter moniert: „Da spricht Merkel von Industrie 4.0 – und dann funktioniert nicht mal das Internet gut genug. In Mexiko geht das viel besser.“Der schleppende Breitbandausbau in Deutschland holt die Kanzlerin sogar auf der weltgrößten Industriemesse ein. Wo immer Merkel auftaucht, sind nicht nur Fernsehkameras – auch Arme von Messe-Besuchern mit Smartphones recken sich in die Höhe.
Siemens-Chef Joe Kaeser zeigt der Kanzlerin, dass Datensammeln selbst bei der Rasenpflege hilft. Im Stadion des Erstligisten Bayern München messen Sensoren, wie feucht und beansprucht der Rasen ist. Die Daten helfen dem Platzwart, das Gras optimal zu pflegen. Daten gehen der Industrie über alles – mit ihnen sei eine flexible Produktion nach individuellen Maßen möglich, sagt Kaeser. Zum Beispiel Schuhe: Der Siemens-Chef schenkt der Kanzlerin individuell entworfene Turnschuhe aus dem 3D-Drucker. Merkel wundert sich: „Aber ich habe Ihnen keine Daten gegeben für diese Schuhe!“, sagt sie und drückt auf dem Schuh herum. „Es gibt im Bundeskanzleramt gut informierte Kreise“, macht Kaeser klar. Die Technik werde helfen, Deutschland digital nach vorne zu bringen.
„Ich verspreche Ihnen hier und heute, das schaffen wir“, sagt Kaeser zur Kanzlerin. Dafür erntet er aber nur ein müdes Lächeln. Den Satz kennt sie noch. O
Mehr als 5000 Aussteller aus 75 Ländern zeigen auf der Hannover Messe bis 27. April Fachbesuchern selbst lernende Roboter und Innovationen zu künstlicher Intelligenz und E Mobilität.
Für die Öffentlichkeit sind sie mutige Helden, die auf Missstände im eigenen Unternehmen hinweisen. Intern aber stellt man sie oft als Verräter und Nestbeschmutzer dar: Whistleblower. Die EU-Kommission will Hinweisgeber nun besser vor Repressalien schützen. Auch Deutschland muss nachbessern.
Ob die Affäre um Absprachen zwischen dem luxemburgischen Staat und Großunternehmen oder die Enthüllungen der Panama- und Paradise Papers, die Erkenntnisse wären nicht möglich gewesen, wenn nicht Menschen „das Risiko auf sich nehmen und schwere Verstöße gegen das EU-Recht aufdecken“, betonte Justizkommissarin Vera Jourová. Eine Studie der Agentur Global Business Ethics Survey belegt aber für das Jahr 2016, dass 36 Prozent der Arbeitnehmer, die Verstöße gemeldet hatten, anschließend Vergeltungsmaßnahmen im beruflichen Umfeld ausgesetzt waren.
Dem setzt Brüssel ein neues Schutzsystem entgegen. Alle Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro müssen ein internes Meldewesen einrichten. Dies gilt auch für Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern. Sollte innerhalb von drei Monaten nach einer Meldung keine Reaktion erfolgen, darf sich der Whistleblower an die zuständigen Behörden oder die Medien wenden. Bestrafungen oder Repressalien „sind untersagt und sollen geahndet werden“, heißt es im Vorschlag der EU-Behörde. Schutz ist zu gewähren, wenn Hinweisgeber Verstöße gegen das EURecht in allen wichtigen Bereichen aufdecken, zum Beispiel im Umweltschutz oder bei Geldwäsche.
Justizministerin Katharina Barley hat angekündigt, dass Deutschland seine Vorschriften anpassen werde. „Wir brauchen kritische Stimmen, die etwa Korruption oder den Schaden anderer an die Öffentlichkeit bringen“, erklärte die SPD-Politikerin. Jetzt kann Berlin handeln. Dies wird auch nötig sein, denn die EU-Initiative ist auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht begrenzt. Deutschland müsste bei der nationalen Umsetzung also die Maßnahmen auf entsprechende Verstöße im eigenen Land ausdehnen.