Neu-Ulmer Zeitung

Wie Brauer dem sinkenden Bierdurst trotzen

Kunden kaufen am häufigsten regionale Marken. Besonders beliebt ist das Helle

- VON ANDREAS FREI

Die Deutschen trinken immer weniger Bier und die Umsätze der Brauereien sinken. Besorgt Sie das?

Eigentlich nicht, denn in Bayern haben wir Wege gefunden, den Rückgang zu kompensier­en. Im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern stehen wir relativ gut da. Solange uns der Exporterfo­lg nicht im Stich lässt, können die bayerische­n Brauereien optimistis­ch in die Zukunft blicken.

Was ist das Besondere am bayerische­n Bier?

Es hat aufgrund seiner Historie und Qualität einen sehr guten Ruf, was sich auch in den wachsenden Exportzahl­en zeigt. Als Verband sind wir immer darum bemüht, dieses Image zu stärken. So ist bayerische­s Bier seit 2001 als regionale Spezialitä­t durch die EU geschützt und steht damit neben Parmaschin­ken oder Lübecker Marzipan im Olymp der Spezialitä­ten. Gibt es weitere Gründe für den Erfolg bayerische­r Brauereien?

Der Trend zum alkoholfre­ien Bier kommt uns zugute. Die Zuwachsrat­en waren in den vergangene­n Jahren beachtlich. Besonders beliebt ist alkoholfre­ies Weizen. Davon profitiere­n bayerische Brauereien. Außerdem setzt man in Bayern stärker auf den Service-Gedanken. Während in Mittel- und Norddeutsc­hland eher der Handel im Fokus steht, sind bayerische Brauereien darum bemüht, ihre Sorten auch vor Ort bei Vereinen und Volksfeste­n zu etablieren. Was trinken die Bayern am liebsten?

Das meistgebra­ute Bier in Bayern ist das Weißbier. Das gibt es in allen Variatione­n vom Alkoholfre­ien bis zum Doppelbock und wird viel in andere Bundesländ­er exportiert. Die Bayern selbst trinken am liebsten Helles.

Ist es auch außerhalb Bayerns eine beliebte Sorte?

Das bayerische Helle läuft gerade zu Hochformen auf. Denn es ist mild und gilt als ehrliches, bayerische­s Produkt. Der Pils-Trend ist vorbei.

Welche Rolle spielt die Regionalit­ät beim Bier?

In den 1980er Jahren galt das Bier vor Ort nichts im Vergleich zu den großen nationalen Marken. Das ist heute eher verpönt. Kunden kaufen lieber das Bier aus der Region als die bekannten Marken.

Was zeichnet die Brauereila­ndschaft in der Region aus?

In Schwaben gibt es überwiegen­d Vollsortim­entbrauere­ien. Die wenigsten sind beispielsw­eise auf Weißbier oder untergärig­es Bier spezialisi­ert, sondern bieten das ganze Jahr über eine riesige Palette an Sorten. Die meisten haben auch alkoholfre­ie Getränke im Sortiment. Sie bilden damit die Vielfalt ab, die sich der Verbrauche­r wünscht. Wie wirkt sich die Craft-Beer-Bewegung auf die Brauereien hierzuland­e aus?

Sehr positiv, denn sie zeigt, wie vielfältig das Produkt Bier ist. Craft-Biere sind oft aufwendig und teurer in der Herstellun­g als herkömmlic­he Biersorten. Im Hinblick auf Vielfalt und Wertigkeit des Bieres sind sie eine echte Bereicheru­ng. Haben Sie ein Lieblingsb­ier?

Nein, ich habe immer ein paar Sorten im Kühlschran­k. So kann ich wählen, worauf ich gerade Lust habe. Ich möchte ja auch nicht jeden Tag dasselbe essen. So ein g’mischtes Tragl kann ich nur empfehlen.

Interview: Felicitas Lachmayr

50, studierte Brauwesen in Weihen stephan und ist seit 2000 Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Brauerbund­es.

Im Herbst seines Lebens züchtet Johann Reichhart Hunde und stellt Haarwasser sowie Parfüm her. Das harmlos-bürgerlich­e Ende einer erschrecke­nd blutigen Karriere. Eine, über die Reichhart irgendwann sagt: „Ich hab keinem wehgetan.“

Johann Reichhart, gelernter Metzger, geboren 1893 unweit von Regensburg, ist Bayerns letzter Henker. Zwischen 1924 und 1946 sterben exakt 3166 Menschen durch seine Hand, die überwiegen­de Mehrheit in der Zeit des Nationalso­zialismus. So vollstreck­t er unter anderem die Todesurtei­le gegen die Widerstand­skämpfer Hans und Sophie Scholl.

2014, vor vier Jahren also, können die wenigsten Menschen mit seinem Namen noch etwas anfangen. Bis zu dem Tag, als seine Guillotine plötzlich auftaucht. Sie galt als verscholle­n, stand in Wirklichke­it aber jahrzehnte­lang unbemerkt im Depot des Bayerische­n Nationalmu­seums in München. Seine Todesmasch­ine. Die gearbeitet und gearbeitet hat. Wenn es sein musste, im Dreiminute­ntakt. Reichhart brüstet sich später damit, das Fallbeil so perfektion­iert zu haben, dass ein Akt nicht mehr fünf Minuten, sondern nur ein paar Sekunden dauerte.

Reichhart übernimmt den Job 1924 von seinem Onkel Franz Xaver. Aus Existenzno­t, wie Biograf Johann Dachs herausfind­et. Aber nicht nur. Hinzu komme „eine gehörige Portion Eitelkeit“. Und zu einem gewissen Grad auch der Reiz an der „Macht, einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern“. Man muss aber auch wissen, dass der Beruf des Scharfrich­ters, so der offizielle Name, über Jahrhunder­te hinweg als unehrenhaf­t galt.

Sein Leben nimmt 1945 in unserer Region eine unerwartet­e Wendung. Ausgerechn­et Hitlers Henker wird von den amerikanis­chen Besatzern dazu gezwungen, 153 NSKriegsve­rbrecher hinzuricht­en, und zwar in Landsberg. Allerdings nicht mit dem Fallbeil. Das ist den Amerikaner­n fremd. Sie bevorzugen den Strang. So zynisch es klingt: Reichhart muss umschulen. Mitte 1946 weigert er sich, weitere Todesurtei­le zu vollstreck­en. Im Zuge der Entnazifiz­ierung kommt er vor Gericht. Die Strafe, eineinhalb Jahre Arbeitslag­er, gilt als getilgt. Doch wieder ist er ein Geächteter. 1972 stirbt Johann Reichhart einsam in einem Pflegeheim in Dorfen bei Erding.

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Foto: Weihrauch, dpa Das meistgebra­ute Bier in Bayern ist das Weißbier. Es wird viel in andere Bundes länder exportiert. Getrunken wird im Freistaat lieber Helles.
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Foto: dpa Johann Reichhart im Jahr 1947 auf der Anklageban­k in München.
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