Neu-Ulmer Zeitung

„Wie komme ich bei Schülern an?“

Das Schulwerk der Diözese startet ein einzigarti­ges Projekt

- VON STEFANIE SAYLE

Petra Müller ist die dienstälte­ste Lehrerin an der Grundschul­e St. Michael in Neu-Ulm. In fast 30 Jahren Unterricht hat sie viele Neuerungen und Reformen mitgemacht: neue Lehrpläne rauf und runter, neue Methoden, neue Schwerpunk­te, zurück zu alten Methoden – die dann wieder erneuert wurden.

Was sie heute erlebt, widerfährt ihr zum ersten Mal: Petra Müller und ihre Kolleginne­n befassen sich mit der Frage Wie kommen wir als Pädagogen bei unseren Schülern an? Wie können wir unsere Schüler da abholen, wo sie stehen? „Vieles, was ich heute höre, klingt vertraut. Es kommt im schulische­n Alltag aber zu kurz“, stellt Petra Müller fest.

„Streck deine Hand aus“heißt das Weiterbild­ungsprojek­t, das das Schulwerk der Diözese Augsburg zunächst in vier seiner Schulen in der Region gestartet hat. Diesmal geht es nicht um irgendeine brandneue Unterricht­smethode, sondern „um das, was uns als Lehrer ausmacht“, wie es Kathrin Betz, eine der beiden Trainer, formuliert – um Haltung und Persönlich­keit des Lehrers.

Kathrin Betz ist ebenfalls Lehrerin – an der Franz-von-Assisi-Mittelschu­le in Augsburg. Als das Schulwerk Trainer für sein in Süddeutsch­land einzigarti­ges Projekt suchte, hat sie sich freiwillig gemeldet. „Ich kann da soviel rausziehen. Das Projekt motiviert“, ist die Pädagogin im 15. Berufsjahr überzeugt.

Gleich in doppelter Hinsicht ist ihr Trainerkol­lege Franz Kögel in das Programm eingebunde­n. Zum einen begleitet er das durchweg weibliche Lehrerkoll­egium der Neu-Ulmer St. Michael Grundschul­e durch die acht Workshops und die anschließe­nde Erprobungs­phase. Zum anderen ist seine Stammschul­e, das Kolleg der Schulbrüde­r in Illertisse­n, ebenfalls schon jetzt bei „Streck deine Hand aus“dabei: Dort ist er einer der Teilnehmer in seinem fast 60 Lehrer umfassende­n Kollegium. „Man kann in diesem Projekt so viel bewegen, gestalten und sich einbringen“, schwärmt er.

Gemeinsam mit dem Augsburger Pädagogikp­rofessor Klaus Zierer das komplett aus Lehrern bestehende Trainertea­m die acht Workshops erarbeitet. Die Einheiten sind interaktiv, versetzen die Lehrer immer wieder in die Lage eines Lernenden, fordern zur Selbstrefl­exion auf und basieren in vielen Gruppenarb­eiten auf dem Austausch mit den Kollegen. Und sie drehen sich alle um die zentrale These, dass die Persönlich­keit des Lehrers eine ganz entscheide­nde Rolle für den Lernerfolg der Schüler spielt.

„Es wird so viel über Whiteboard­s und Tablets geredet“, berichtet Petra Müller, die an ihrer Schule auch Konrektori­n ist, „aber über den Einfluss und die Rolle des Lehrers kaum.“Sie möchte in diesem Projekt ihr eigenes Verhalten reflektier­en, mehr über ihren eigenen Einfluss auf den Unterricht­serfolg lernen und neue Impulse setzen. „Wie kommt das rüber, wenn ich vor der Klasse stehe?“, formuliert sie die zentrale Frage. Die Auseihat nandersetz­ung mit dieser Fragestell­ung hat sie nach eigener Aussage immer vermisst. Und nicht nur sie als erfahrene Lehrkraft: Ihre Tochter unterricht­et seit kurzem ebenfalls an einer Grundschul­e: „Sie hat zu diesen Themen auch noch nie etwas gehört.“O

Unsere Zeitung wird Petra Mül ler auf ihrem Weg durch das Projekt „Streck deine Hand aus“begleiten und immer wieder darüber berichten.

Digitalkon­zept für die Schule erarbeiten. Vertretung­splan für erkrankte Lehrer organisier­en. Ganztagsbe­treuung sicherstel­len. Inklusion bewältigen. In Lehrerkonf­erenzen gibt es viel zu klären und abzustimme­n. Über ein Thema wird laut Gymnasiall­ehrer Andreas Walch so gut wie nie geredet: „über unser pädagogisc­hes Kerngeschä­ft“. Über die Frage also, wie macht der Lehrer seinen Job? Wie vermittelt er sein Wissen? Und wie viel kommt davon bei den Schülern an?

Die Qualität des Unterricht­s zu optimieren, steht im Fokus des in Süddeutsch­land einzigarti­gen Weiterbild­ungsprojek­tes, das das Schulwerk der Diözese Augsburg zunächst an vier seiner Schulen in der Region als Pilot gestartet hat, und das bis 2024 auf alle 39 Schulen und damit rund 1700 Lehrer ausgedehnt werden soll.

In Zusammenar­beit mit Prof. Klaus Zierer von der Universitä­t Augsburg hat das Schulwerk acht Workshops für Lehrer entwickelt, an denen die Pädagogen über zwei Schulhalbj­ahre verteilt teilnehmen. Im Mittelpunk­t steht die Auseinande­rsetzung mit Fragen wie: Wie lernen unsere Schüler? Wie sieht eine positive Schüler-Lehrer-Beziehung aus? Wie gibt man zielführen­d Feedback? Pädagogisc­he Kernfragen, mit denen sich Lehrer nach Andreas Walchs Erfahrung im Alltag viel zu selten auseinande­rsetzen. Walch koordinier­t das Projekt und das Trainertea­m, das neben ihm aus sieben Lehrern besteht, die jeweils zu zweit ihre Kollegen an den Pilotschul­en betreuen. Im Anschluss an die acht Workshops sollen die Schulen dann individuel­le Entwicklun­gskonzepte erarbeiten.

Die wissenscha­ftliche Erfolgskon­trolle stellt eine Doktorarbe­it sicher, in der außer den Pilotschul­en eine Kontrollsc­hule ohne Weiterbild­ungsprogra­mm untersucht wird. In diese Arbeit fließen auch die Feedbacks der Schüler ein – denn deren Meinung ist ebenfalls regelmäßig gefragt. (say)

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Foto: Alexander Kaya Grundschul­lehrerin Petra Müller freut sich, dass im Weiterbild­ungsprojek­t „Streck deine Hand aus“einmal nicht Whiteboard­s, Tablets oder neue Lernmethod­en im Mittelpunk­t stehen.

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