„Die drei Fragezeichen“sind nach wie vor sehr beliebt
„Ich schenk dir eine Geschichte“zur Leseförderung in Deutschland. Nach Angaben der Stiftung Lesen wird in diesem Jahr über eine Million Bücher an Viert- und Fünftklässler ausgegeben. Zum ersten Mal enthält das Buch eine gekürzte Comicfassung am Schluss, um auch Kinder mit Migrationshintergrund oder Leseschwäche zu berücksichtigen. In der Bücherwelt in Senden ist die Nachfrage groß, mehrere Lehrer aus den umliegenden Schulen haben ihre Klassen bei Silvia Gugler angemeldet.
So auch Anja Plebst, Deutschlehrerin an der Werner-Ziegler-Mittelschule in Senden. Sie ist mit ihrer Klasse gekommen, die an diesem Tag den Buchladen erkundet. „Das mit dem Lesen ist schwierig“, sagt sie ohne Umschweife. „Und es wird immer schlechter“. Privat werde kaum mehr ein Buch in die Hand genommen, Computerspiele stünden immer mehr im Vordergrund. „Eltern sollten sich jeden Abend 15 Minuten Zeit nehmen und vorlesen, denn auch dadurch lernen die Kin- der.“Für sie als Lehrerin ist das schlechte Lesevermögen der Schüler eine große Herausforderung. Bereits im Kindergarten und in der Grundschule entwickeln die Kinder große Defizite. In den Mittelschulen nimmt der Lehrplan dann allerdings kaum mehr Rücksicht auf diese Leseschwäche vieler Schüler – zumindest noch nicht. „Zum Teil gibt es Kinder in der neunten Klasse, die noch große Schwierigkeiten in dem Bereich haben“, sagt Plebst. Daher müssen Deutschlehrer im Unterricht auch das Lesen fördern, weshalb der eigentliche Lernstoff zu kurz kommt. Plebst hat dafür eine Gruppenarbeit entwickelt, Lesewegweiser nennt sie das Konzept. Hierbei lesen die Kinder einander in Dreier- bis Vierergruppen vor. „Dadurch haben sie keine Scham vorzulesen, anders als vor der ganzen Klasse“, erklärt Plebst. Doch so etwas kostet viel Zeit, welche die Lehrerin nur aufwenden kann, weil ihre Fünfte eine Ganztagesklasse ist.
Die Kinder der Klasse sind trotzdem ganz schön neugierig, als sie in der Buchhandlung sind. Gugler zeigt den Kindern ein Gotteslob mit Goldschnitt. „Ist das echtes Gold?“, fragt Serkan. Nach und nach bestaunen die Kinder das wertvoll verzierte Buch. „Haben Sie auch mal ein Buch gemacht? Also als kleines Kind oder so?“, fragt Serkan die Buchhändlerin. Gugler lacht. „Bestimmt“, meint sie, „aber dann nur mit der Auflage von einem Stück“.
Die Buben der Fünften erkunden die Regale und füllen fleißig ihre Fragebögen aus. Sie sind sich in einem einig: Die größte Ablenkung biete die Spielkonsole. „Daheim zocke ich eigentlich nur, und lese nicht so gerne“, sagt ein Junge. Die Schülerinnen Alina und Medina nehmen öfter ein Buch in die Hand. „Ich lese gerne spannende Geschichten wie Thriller, und lerne dabei oft neue Wörter kennen“, sagt Medina. Alina liest gerne Romane wie „Das magische Baumhaus“, neben dem Lesen geht sie am liebsten „raus zum Spielen“.
Gugler selbst nimmt das Problem, dass im Kinderzimmer zu wenig geschmökert wird, nicht als neues Phänomen wahr. „Es gab schon immer Schüler, die nicht so gerne gelesen haben“, erklärt sie. Doch die Zeit der Kinder werde immer mehr durch andere Medien beansprucht. „Der Sprung vom Lesen als Schwierigkeit zum Vergnügen ist entscheidend“, sagt die Buchhändlerin. Auch zwischen den Geschlechtern gebe es Unterschiede. „Mädchen sind häufig die stärkeren Leser“, sagt Gugler. Jungen mögen vor allem Comics wie den Kassenschlager „Gregs Tagebuch“oder „Die drei Fragezeichen“, die sich laut Gugler nach wie vor sehr gut verkaufen.
Das Leseproblem sei trotz aller Sorge kein Grund zur Panik. „Hoffnungslos ist es nicht“, glaubt die Buchhändlerin. Das sagt auch Deutschlehrerin Plebst: Was vor allem seitens der Eltern dagegen getan werden kann und sollte, sei einfach: „Bücher kaufen – und lesen“.