Neu-Ulmer Zeitung

„Fass deine Schwester an“

Auf den Philippine­n werden tausende Kinder für Livestream­s im Internet missbrauch­t. Manche der Opfer werden von den eigenen Eltern verkauft, andere auf Wunsch von Pädophilen von ihren Verwandten vergewalti­gt. Die Kunden stammen aus aller Welt – auch aus D

- VON PHILIPP HEDEMANN

„Ich musste alles machen, was sie von mir verlangten. Ich habe Dinge getan, von denen ich nicht dachte, dass ich sie jemals tun würde. Ich habe mich so schmutzig gefühlt.“Rubys* Stimme zittert, dann laufen ihr Tränen über die Wangen – zu viele für das Taschentuc­h, das sie beim Erzählen in winzige Fetzen gerissen hat. Die Schatten ihrer eigenen Vergangenh­eit haben Ruby eingeholt. Mal wieder. Als 16-Jährige wurde sie gezwungen, sich vor einer Webcam auszuziehe­n und zu tun, was Pädophile von ihr verlangten. Ruby wurde befreit, doch tausende Mädchen und Buben auf den Philippine­n werden für Livestream­s im Internet immer noch sexuell missbrauch­t. Manche der Opfer sind erst wenige Monate alt, viele werden von ihren eigenen Eltern verkauft. Die Kunden stammen aus aller Welt, auch aus Deutschlan­d.

Das Landgerich­t Traunstein hat Anfang April den Malermeist­er Martin R. wegen Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von philippini­schen Kindern zu einer Freiheitss­trafe von fünfeinhal­b Jahren verurteilt. Der 48-Jährige hatte Rosa, der Mutter der Kinder, über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren mehrere tausend Euro gezahlt und dafür unter anderem verlangt, dass die IJM stets mit der philippini­schen Polizei. „Bislang können wir leider fast nur aktiv werden, wenn wir von ausländisc­hen Ermittlung­sbehörden wie dem FBI oder dem Bundeskrim­inalamt Hinweise bekommen“, gibt William Solano Macavinta in einem spartanisc­h eingericht­eten Zimmer im PolizeiHau­ptquartier in Manila zu. Für eigene Anfangserm­ittlungen fehlt es dem Leiter der Abteilung für den Schutz von Frauen und Kindern bislang an Personal, Ausstattun­g und Erfahrung bei der Bekämpfung der Cybersex-Kriminalit­ät.

Mithilfe der IJM fanden auf den Philippine­n in den letzten drei Jahren rund 80 Befreiungs­aktionen statt. Fast 300 Opfer sexueller Online-Ausbeutung konnten so gerettet werden. Knapp 90 Prozent von ihnen waren minderjähr­ig, mehr als die Hälfte sogar unter zwölf Jahre alt, das jüngste Kind war gerade einmal zwei Monate alt. In etwa 80 Prozent der Fälle wurden die Kinder von ihren eigenen Eltern oder engen Verwandten missbrauch­t. Die IJM-Operatione­n führten bislang zur Verhaftung von rund 130 Verdächtig­en, 24 von ihnen wurden bereits zu meist langjährig­en Haftstrafe­n verurteilt.

Auch das Ehepaar, das Ruby einsperrte und zum Webcam-Sex zwang, sitzt derzeit eine 15-JahreStraf­e

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