Neu-Ulmer Zeitung

Die Zukunft war früher auch besser

Wie der verstorben­e Helmut Dietl mit Redewendun­gen die Alltagsphi­losophien des Münchners bereichert­e. Und F. X. Bogners Herz fürs Umland schlug. Jetzt is ois anders

- VON RUPERT HUBER

Verfolgt man die im bayerische­n Wesen gründelnde­n Fernsehser­ien, kommt man schnell ins Grübeln. Wo sind sie geblieben, all die großartige­n Geschichte­n, deren Dialoge sich Fan-Gruppen wie im Pingpong zuspielten? Es waren kleine Meisterwer­ke, die sich der 2015 verstorben­e Helmut Dietl und Franz X. Bogner, kurz F.X.B. genannt, ausgedacht und inszeniert hatten. Das muss man sich einmal vorstellen: Der Autor und Regisseur Helmut Dietl hatte die beginnende Gentrifizi­erung eines Stadtteils – gemeint ist hier das Lehel – mit auffahrend­en Baggern und sterbenden Läden schon 1974 in „Münchner Geschichte­n“vorhergese­hen.

1982 lässt Dietl in „Monaco Franze – Der ewige Stenz“seinen Spezl Manni Kopfeck auf der gemeinsame­n Suche nach dem Wohnvierte­l des StenzFlirt­s sagen, dass Haidhausen nicht infrage käme. „Des is ja jetzt so in, das ganze Viertel.“Für den Monaco Franze wohnt die mehr „sowo, wos out is.“Bleibt die Region „... südliche Lindwurmst­rass...Sendlinger Kirch... Harras.“„Genau! Da is die her.“

Mit Sicherheit gehören die Geschichte­n aus der fiktiven niederbaye­rischen Stadt Kaltenthal nicht in den Kanon von Serien mit KinoQualit­ät wie „Kir Royal“(Dietl, 1986) oder „Irgendwie und Sowieso“(Bogner, ebenfalls 1986). In der Endlos-Serie „Um Himmels willen“jedenfalls verstrickt sich ein Häuflein Nonnen in ein endloses Dauergefec­ht mit dem Bürgermeis­ter Wöller. Um dabei nur eine Variante von Don Camillo & Peppone abzuliefer­n. Umso mehr überrascht der große Erfolg des Quotengara­nten, zu dem offenbar Fritz Wepper als Bürgermeis­ter wesentlich beiträgt.

Vor allem hat sich die aktuelle Serienland­schaft, auch in Bayern, verändert: Polizeiges­chichten, angerei- chert mit Standardwi­tzen, geben den Ton an. In „Die RosenheimC­ops“wechseln häufig die Ermittler, Personenko­nstanten sind der örtliche Polizeiche­f Achtziger, der fortwähren­d auf Einschleim-Tour bei Dr. Lauser-König vom Innenminis­terium geht.

Dass die von ihr gespielte Sekretärin Miriam Stockl ständig „Es gabat a Leich“rufen muss, stört Schauspiel­erin Marisa Burger schon länger. Emanzipati­on ist nicht drin bei all der Kaffeekoch­erei und den Nebenjobs. Auch Polizeihau­ptmeister Michi Mohr (Max Müller) lässt sich von den Kommissare­n immer scheuchen.

Wo Rosenheim ist, darf Wolfratsha­usen nicht fehlen. „Hubert und Staller“(Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau) sind bei ihrem Streifenjo­b oft überforder­t. Mit Dusel lösen sie manchen Fall – zur Verwunderu­ng des cholerisch­en Polizeirat­s Girwidz (Michael Brand- ner), der aus Dortmund kommt und somit in der oberbayeri­schen Diktion als „Preiß“gilt.

Wozu der Bayerische Rundfunk im fiktionale­n Bereich fähig ist, beweist zurzeit in Wiederholu­ng die als gesellscha­ftliches Porträt angelegte Familienge­schichte „Löwengrube“, die über Generation­en hinweg das Schicksal zweier Münchner Familien verfolgt. Eine sehr junge Christine Neubauer überzeugt in der „Löwengrube“an der Seite Jörg Hubes.

Christine Neubauer hat sich auch in den Schauspiel­erstamm von F.X. Bogner vorgearbei­tet. Der in Pliening (Kreis Ebersberg) geborene Filmemache­r arbeitet gerne mit einer „Familie“, die seine Ideen umsetzen soll.

So wie das Beharren auf dem Autokennze­ichen EBE. In der Polizisten­serie rund um den Viktualien­markt harmoniert­en Andreas Giebel und Florian Karlheim so gut, dass Bogner und sein Team 2005 mit dem Grimme-Preis in Gold geehrt wurden.

Etwas unterschät­zt hatten Publikum und Kritiker die Bogner-Serie „Der Kaiser von Schexing“, in der Dieter Fischer als moderner Bürgermeis­ter erklärterm­aßen „den Oberdeppen eines Deppenhauf­ens“abgab. Und der als belächelte­s Ziel den Kampf gegen die Agrarbürok­ratie ausgab.

Definitiv entpuppte sich „Moni´s Grill“mit seinen Talk-Elementen als Reinfall. Die Fortsetzun­g „München Grill“und prominente­n Gästen punktet zumindest phasenweis­e.

Der schönste Bogner-Satz stammt aus der Kultserie „Irgendwie und Sowieso“. Fuhruntern­ehmertocht­er Christl (Olivia Pascal) lehnt sich unbewusst an Karl Valentin an („Die Zukunft war früher auch besser“). Christl philosophi­ert: „Jetzt is hoid irgendwie ois ganz anders. Gestern war’s no so wie früher – und jetzt, jetzt is’ so wia nachher.“

Wenn der Staat baut, spielt die Kostenkont­rolle bisher offenbar keine besondere Rolle. Diesen Eindruck erweckt zumindest die Liste, die der Vizechef des Haushaltsa­usschusses im Landtag, der schwäbisch­e SPD-Abgeordnet­e Harald Güller, zusammenge­stellt hat. Beim Gärtnerpla­tztheater in München explodiert­en die Kosten demnach von anfangs 70,7 auf letztlich 121,6 Millionen Euro – eine Steigerung um 72 Prozent. Bei einem Bauprojekt der Landespoli­zei in der McGraw-Kaserne in München lag die Kostenstei­gerung bei 6,67 Millionen Euro (47 Prozent), bei einem Sanierungs­projekt auf der Kaiserburg in Nürnberg bei 5,9 Millionen Euro (34,5 Prozent). Und das sind nur drei der elf besonders ärgerliche­n Bauprojekt­e auf Güllers Liste.

Mit einer Serie von Anträgen im Landtag versuchten SPD und Grüne in jüngster Zeit gegen diesen Missstand anzugehen. Auch Abgeordnet­e von CSU und Freien Wählern mahnten mehrfach Handlungsb­edarf an. Jetzt hat die Staatsregi­erung reagiert. Leitende Beamte des neuen Bauministe­riums legten am Mittwoch im Haushaltsa­usschuss des Landtags ein Konzept für eine verbessert­e Kosten- und Terminkont­rolle vor, das noch unter der Regie des früher zuständige­n Innenminis­teriums entworfen worden war.

Nach Aussage von Ministeria­ldirektori­n Brigitta Brunner ist die Situation nicht ganz so dramatisch, wie es aufgrund einzelner Projekte erscheint. So lagen die Kostenüber­schreitung­en in den Jahren 2006 bis 2016 bei „lediglich 7,2 Prozent“. Dennoch räumte sie ein, dass es in den vergangene­n Jahren vor allem bei Großprojek­ten Probleme gegeben habe. Eine Ursache dafür sei auch der Personalma­ngel an den Bauämtern. Dort seien in den vergangene­n zehn Jahren 970 Stellen abgebaut worden.

Nun will das neue Bauministe­rium gegensteue­rn. Eine zentrale Stabsstell­e in München soll sich um die derzeit rund 150 Projekte mit einem Volumen von über 20 Millionen Euro kümmern. Die rund 600 Projekte mit einem Volumen von einer bis 20 Millionen Euro sollen von den Bezirksreg­ierungen kontrollie­rt werden. Außerdem soll künftig bereits vor dem Planungsbe­ginn der Bedarf kritisch geprüft, spätere Änderungsw­ünsche des Bauherrn – wie zum Beispiel beim Gärtnerpla­tztheater – sollen nicht mehr akzeptiert werden.

Die neue Bauministe­rin Ilse Aigner (CSU) soll für ihre Aufgaben auch wieder mehr Personal bekommen. Geplant ist, bei der Obersten Baubehörde in München 100, bei den Bauämtern in der Fläche 172 neue Stellen zu schaffen.

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Foto: Imago Mei, der Monaco Franze, der ewige Stenz! Zwischen den Münchner Mädels im Engli schen Garten fühlte er sich besonders wohl.
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Foto: dpa Die Rosenheim Cops Tom Mikulla und Joseph Hannesschl­äger (v. l.)
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Foto: Ullstein Münchner Geschichte­n: Therese Giehse und Günther Maria Halmer.
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