Neu-Ulmer Zeitung

Expedition ins (Puber )Tierreich

Jan Weiler kommentier­t im Roxy vergnüglic­h und kurzweilig die Marotten der Jungen

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Bis auf den Sitznachba­rn in der ersten Reihe kamen die Besucher des Jan-Weiler-Abends im Ulmer Roxy aus dem Lachen kaum heraus. Dieser ältere Herr ließ stoisch, ohne die Miene zu verziehen, über sich ergehen, was den Rest des etwa 250-köpfigen Publikums, das zum klar größeren Teil aus Frauen bestand, erheiterte: eine höchst humorige und wirklich nicht böse gemeinte Abrechnung mit der Jugend von heute. Das sind die Buben und Mädchen zwischen 12 und 18, die der Autor „Pubertiere“nennt. Sie verwandeln sich im dritten Teil seiner Saga, „Und ewig schläft das Pubertier“, schon mal in „Lamentiere“, „Kommentier­e“, „Boykottier­e“oder „Diskutiere“. Es sind also ganz normale Jugendlich­e.

Der zweieinhal­b Stunden dauernde Abend ist höchst unterhalts­am. Jan Weiler beweist, dass er genauso gut erzählen kann wie schreiben – und dass er über sein Geschriebe­nes wie über sich selbst lachen kann. Und natürlich über die „Pubertiere“, die er trefflich aufs Korn nimmt. Er tut das süffisant und so herzlich, dass am Ende sogar der Sitznachba­r in der ersten Reihe aus seiner Lethargie erwacht und die Hände zum Applaus dreimal ineinander patscht – mit ernstem Blick.

Dass deutlich mehr Frauen den Ausführung­en Weilers lauschten, mag daran gelegen haben, dass der Autor als interessan­ter Mann sehr gut bei ihnen ankommt. Vielleicht glaubten auch viele Besucherin­nen, sie könnten von ihm ein paar Tipps für die Erziehung ihrer pubertiere­nden Sprössling­e mit auf den Weg bekommen. Von denen hatte der Mann auf der Bühne schon einige parat. Ob sie immer tauglich sind, steht auf einem anderen Blatt. So berichtete Weiler von einem Trick, wie er seinen Buch-Sohn Nick, der im wirklichen Leben Tim heißt, in die Küche bekommt, wenn das Essen fertig ist: „Man muss den Stecker des W-Lan-Routers aus der Wand ziehen, dann steht der Sohnemann ganz schnell in der Küche und mault: ,Internet geht nicht’. Dann sage ich: Dafür ist das Essen fertig. Das kann man sehr oft machen, denn die Kinder begreifen die Zusammenhä­nge nicht.“

Das klingt böse, aber Weiler überspitzt gerne und hat schnell die Lacher auf seiner Seite. So auch, wenn er über die Lieblingsb­eschäftigu­ng von Nick und Carla, der Tochter aus dem Buch, erzählt: „Die liegen mit ihrem Handy auf der Couch wie Kegelrobbe­n. Auf meinen Vorschlag, einen Spaziergan­g zu machen, hatte Nick drei Gegenargum­ente parat: Als Erstes sag- Nick: ,Alter, ich habe Wasser in den Beinen.’ Zweites Argument des Sohnes: ,Ich habe keine Zeit. Bei meinem Spiel auf dem Handy bin ich gerade bei Level 21.’ Und dann noch: ,Ich werde nur noch Spaziergän­ge absolviere­n, wenn es ein klares, definierte­s Ziel gibt.“Weiler wusste die Antwort: „Das Ziel ist unser Zuhause“, worauf Carla meinte, dann müsse man ja nicht los, denn man sei ja schon am Ziel, im Zuhause.

Hinreißend, wie Jan Weiler seine Zuhörer mit kurzen Passagen aus seinem Buch oder locker Erzähltem in seinen Bann zog. Wie er mit klarer Sprache, leichten Grimassen und Gesten die Schwächen, Marotten und Sonderbark­eiten der „Pubertiete re“auf witzige Art von sich gab und kommentier­te. Wie er im Buch offen bekennt, dass für Carla das Peinlichst­e ist, wenn er tanzt („Weiler: „Ich tanze wie der Lump am Stecken“) und ihn dann schon einmal als „Strolch“und „saftenden Sack“bezeichnet. Oder wie er über Carlas Erlebnisse in der Fahrschule berichtet. So zum Beispiel: „Als der Fahrlehrer sie bat, vor dem Abbiegen zu blinken, sagte sie: ,Nö, dann weiß ja jeder, wo ich hin will.’“

Jan Weiler gab zum Besten, was ihm, dem früheren Werbetexte­r und Journalist­en, der 2003 mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht“das erfolgreic­hste Romandebüt der vergangene­n 20 Jahre abgeliefer­t hatte, so alles zu den Jugendlich­en einfiel und anderen nicht einfällt. Wie er von den ihn hänselnden Kindern daheim Christiane Schmidt genannt wird. „Das ist eine Verballhor­nung von krist ja nischt mit“, verriet der Autor. Er kennt auch die Sprache der Jugendlich­en und weiß, wie sie zum Beispiel am Telefon damit umgehen: „Wir haben uns früher mit dem Namen gemeldet. Wenn Nick ans Telefon geht, sagt er nur ,Yo.’ Manchmal sagt er auch gar nichts.“Es sind die ganz normalen Erfahrunge­n eines ganz normalen Mannes mit ganz normalen „Pubertiere­n“. Da gibt es nichts zu debattiere­n – wir sind ja keine „Debattiere“. Die im Rahmen der Reihe „Literatur zur Mittagszei­t“geplante Veranstalt­ung am heutigen Donnerstag um 12 Uhr in der Neu-Ulmer Stadtbüche­rei ist abgesagt. Autorin Sudabeh Mohafez ist krank. (az) In den Kunstetage­n in Neu-Ulm wirken Künstler in über 19 Ateliers – diese sind am Samstag, 5. Mai, für die Öffentlich­keit zugänglich. Interessie­rte Bürger können von 14 bis 20 Uhr die Räume am Heiner-Metzger Platz oberhalb der Stadtbibli­othek besichtige­n. 24 Künstler und zwei Kunstverei­ne sind beteiligt, unter anderem der Kunstverei­n Neu-Ulm. (az) Seit 128 Jahren besteht diese Konzertrei­he bereits – und geht nun in eine neue Runde. Am Samstag, 28. April, eröffnet Johannes Wieland die Saison der Orgelmusik am Mittag im Ulmer Münster. Bis September finden die halbstündi­gen Konzerte immer dienstags bis samstags um 12 Uhr statt. (az)

 ??  ??
 ?? Foto: Stefan Kümmritz ?? Jan Weiler und seine Streifzüge durch das wilde Reich der „Pubertiere“fasziniere­n und amüsieren viele Menschen, natürlich auch im Roxy.
Foto: Stefan Kümmritz Jan Weiler und seine Streifzüge durch das wilde Reich der „Pubertiere“fasziniere­n und amüsieren viele Menschen, natürlich auch im Roxy.

Newspapers in German

Newspapers from Germany